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Noch mehr Isolation und weniger Hilfe für pflegende Angehörige

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Pflegende Angehörige sind durch Corona-Pandemie zusätzlich belastet. Erleichterungen wie Homeoffice werden jetzt teilweise wieder zurückgefahren.

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Durch Corona hat die Belastung für pflegende Angehörige zugenommen. Eltern berichten von zu wenig Entlastungsangeboten.
Foto: mjowra/stock.adobe.com
Durch Corona hat die Belastung für pflegende Angehörige zugenommen. Eltern berichten von zu wenig Entlastungsangeboten. Foto: mjowra/stock.adobe.com  Foto: mjowra/stock.adobe.com

Fehlende Unterstützung, unterbesetzte Pflegedienste und Isolation sind Probleme, die pflegende Angehörige nicht erst seit der Corona-Pandemie kennen. In den vergangenen Monaten spitzte sich diese Situation bei vielen Familien noch zu, berichtet Verena Sophie Niethammer von der Selbsthilfegruppe "Teilhabe jetzt!", die zum Verein Hölder-Initiative für Kultur und Inklusion in Lauffen gehört. In der Gruppe tauschen sich hauptsächlich Eltern mit pflegebedürftigen Kindern aus.

Die Pandemie hat für pflegende Angehörige aber nicht nur eine Verschlechterung gebracht, erzählt Niethammer. Zum Beispiel durch die Optionen im Homeoffice zu arbeiten, konnten sie Beruf und Pflege besser unter einen Hut bekommen. "Das wird jetzt aber von manchen Arbeitgebern wieder heruntergefahren", weiß die Mutter eines schwerbehinderten Sohnes. Das bedauerten einige Eltern in der Selbsthilfegruppe.

 


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Weniger Gehalt ist besser als gar nicht zu arbeiten

Auch die Möglichkeit, über "Kinder-Krank-Tage" eine fehlende Betreuung und Versorgung auszugleichen, sei durch die Pandemie einfacher gewesen. Das sollte aus Sicht der pflegenden Eltern dauerhaft und in größerem Umfang bestehen bleiben, wenn ein Kind chronisch krank ist, erzählt Niethammer von Rückmeldungen aus der Selbsthilfegruppe. Zwar führe das auch zu einer Gehaltsreduktion, was aber besser sei als gar nicht arbeiten zu können. Es gebe nämlich auch einige Eltern, die ihren Beruf während der Pandemie aufgeben mussten, um ihr Kind oder andere Angehörige zu Hause zu pflegen.

Dazu kam es zum Beispiel bei Sabine Springer, die zur Selbsthilfegruppe "Teilnahme jetzt!" gehört und im Landkreis Ludwigsburg wohnt. Ihr 16-jähriger Sohn Vincent hat das West-Syndrom, eine seltene Art von Epilepsie, die bei ihm eine geistige und körperliche Behinderung zur Folge hat.

 


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Da die Pflege zu Hause immer beschwerlicher wurde je größer und schwerer Vincent wurde, sollte er in ein Internat gehen. Im September 2019 fing er dort an, gewöhnte sich gut ein und kam an den Wochenenden und in den Ferien nach Hause, berichtet seine Mutter. Mit Beginn der Corona-Pandemie schloss das Internat jedoch für einige Wochen und Vincent war von heute auf morgen wieder komplett zu Hause. Für den 16-Jährigen, der nicht sprechen kann und nicht in der Lage ist, die Situation zu begreifen, war die plötzliche Veränderung sehr schwer zu verkraften. Seine negativen Gefühle drückt Vincent durch autoaggressives Verhalten aus. "Er schlägt sich selbst", erklärt Springer. Um ihn zu beruhigen, sei viel körperliche Nähe notwendig. Kurz mal einkaufen oder auch nur zur Toilette zu gehen, sei am Anfang des Lockdowns kaum noch möglich gewesen. Denn nicht nur das Internat, auch unterstützende Vereine oder andere Personen, die Vincent ab und zu betreuten, fielen weg. Sabine Springers Mann arbeitete zwar zu Hause und der zweite Sohn studierte vom Kinderzimmer aus. Sie konnten aber nicht dauerhaft bei Vincent bleiben.

Angst vor Ansteckung war groß

Hinzu kam die Angst, ihr Sohn könnte sich mit Corona anstecken. "Wir wollen nicht mehr auf die Intensivstation", verdeutlicht sie. Vincents Leben habe schon oft genug am seidenen Faden gehangen. Deshalb hat die Familie ihre Kontakte stark reduziert bis eine Impfung möglich war. Inzwischen ist auch Vincent geimpft, berichtet Springer.

Isoliert zu leben, gehört für viele Eltern von schwerbehinderten Kindern aber auch ohne Corona dazu, weiß Niethammer. Betreuungsmöglichkeiten gebe es viel zu wenig, Pflegedienste seien seit langem unterbesetzt. Entlastungsangebote für Angehörige richteten sich eher an pflegebedürftige Erwachsene.

Bei den Springers aber hat sich die Situation verbessert seit Vincent wieder ins Internat kann, erzählt Sabine Springer. Diese Möglichkeit hätten aber nicht viele Eltern. Die Beantragung des Internat-Platzes habe lang gedauert.

Studie beschäftigt sich mit Belastungen

Welchen enormen Belastungen Familien mit beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen im ersten Corona-Lockdown ausgesetzt waren, hat eine Studie des Inclusion Technology Lab und Fraunhofer FIT im Mai 2020 gezeigt. Eine Folgestudie liefert Erkenntnisse darüber, wie die Betroffenen den Pandemie-Sommer 2020 erlebten. Während sich damals für viele Menschen eine Erleichterung einstellte, galt das nicht für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen sowie ihre Familien. Neben der anhaltenden Sorge vor Ansteckung belasteten sie vor allem der lückenhafte Therapiebetrieb sowie fehlende Unterstützung.

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