Großes Interesse an Pflegeausbildung im Klinikum am Weissenhof
Im Klinikum am Weissenhof in Weinsberg haben sich in der Pandemie viele Menschen für eine Ausbildung beworben - auch aus Handwerk und Industrie. Die Coronazeit habe ihnen vor Augen geführt, dass die Pflege ein zukunftssicherer Job ist, sagt Pflegedirektorin Birgit Karl.

Im Klinikum am Weissenhof in Weinsberg hat Pflegedirektorin Birgit Karl während der Pandemie einen echten Zulauf in der Pflegeschule erlebt. 2020 seien es mehr Bewerber als Plätze gewesen und auch für das neue Ausbildungsjahr 2021 konnten problemlos alle Stellen besetzt werden, sagt sie.
Birgit Karl führt das darauf zurück, dass während der Pandemie viele festgestellt haben, dass die Pflege ein zukunftssicherer Beruf ist. "Bemerkenswert war auch, dass einige sich beworben haben, die schon einen Beruf im Handwerk oder in der Metallbranche hatten", berichtet sie. Das Klinikum am Weissenhof habe in dieser Beziehung sogar von der Coronazeit profitiert.
Nicht grundsätzlich schlechte Bedingungen in der Pflege
Birgit Karl betont aber auch, dass in der Pflege nicht grundsätzlich schlechte Bedingungen herrschten. Wenn man von schlechter Bezahlung höre, sei das hauptsächlich auf die Altenpflege oder ambulante Pflege zu beziehen. Gesundheitspfleger an tarifgebundenen Kliniken und Organisationen bekämen ordentliche Löhne. Das spreche sich immer mehr herum und auch die Ausbildung sei attraktiver geworden, dadurch dass man zum Beispiel auch die Möglichkeit habe zu studieren. 30 Prozent der Bewerber an der Pflegeschule am Weissenhof sind laut Birgit Karl derzeit Abiturienten. Das sei mehr als noch vor fünf Jahren.
Die Pandemie sorgte aber auch im Klinikum am Weissenhof für mehr Belastung, wie sie erzählt. Die sich ständig ändernden Regeln und neuen Abläufe bedeuteten auch mehr Arbeit. Gerade am Anfang hätten zudem viele Pfleger Angst gehabt, sich bei Patienten mit Covid-19 anzustecken. Auch kam es zu vielen Ausfällen aufgrund von Quarantäne-Anordnungen, die das restliche Personal kompensieren musste. 150 Quarantäne-Fälle waren es 2020. Diese Mitarbeiter waren nicht mit Corona infiziert, mussten sich aber als Kontaktpersonen von Erkrankten isolieren. Die Krankenstände seien ansonsten im Jahr 2020 nicht höher gewesen als 2019, berichtet Birgit Karl. Es sei auch keine erhöhte Abwanderung festzustellen. Im Gegenteil, es hätten sogar 20 Stellen mehr neu besetzt werden können als 2019.
Therapieplätze waren zeitweise nicht alle belegt
Die Pandemie habe zudem zeitweise den Effekt gehabt, dass nicht alle Therapieplätze besetzt gewesen seien, weil Patienten fürchteten, sich in der Klinik anzustecken. "Das hat sich inzwischen wieder normalisiert", sagt Birgit Karl. Es gelten trotzdem weiterhin strenge Corona-Regeln. Etwa müsse sich weiterhin jeder Besucher testen lassen. So habe man in den vergangenen Monaten im Klinikum am Weissenhof keinen Infizierten mehr gehabt.
Das Klinikum am Weissenhof ist ein psychiatrisches Krankenhaus mit mehreren Standorten. Jährlich werden knapp 13.000 Patienten aller Altersgruppen stationär, teilstationär und ambulant behandelt.
Corona steigert die Belastung
Die Arbeit in der Pflege ist während der Pandemie noch anstrengender geworden als früher, berichten Fachkräfte des Klinikums am Gesundbrunnen in Heilbronn. Ein „Pflexit“, also der massenhafte Weggang aus dem Beruf, ist in den SLK-Einrichtungen aber nicht zu beobachten. Wir haben mit drei Pflegerinnen über die Gründe gesprochen. Dabei wurde deutlich, dass die Begeisterung für den Pflegeberuf groß ist. Die Sorge darüber, ob die Belastung irgendwann zu viel sein könnte, schwingt aber auch mit. „Wir brauchen mehr Personal“, wünscht sich deshalb Intensiv-Pflegerin Petra Strauch. Sie sieht, ebenso wie Kolleginnen, die Politik in der Pflicht und ist verärgert darüber, dass die große Aufmerksamkeit und demonstrative Wertschätzung der Pflege zu Beginn der Pandemie inzwischen abgeflaut sei. Drei Erfahrungsberichte:
Patricia Müller (51) Stellvertretende Bereichsleitung
„Der Arbeitsalltag in der Kardiologie während der Pandemie war belastender, weil zu den Krankheitsfällen, die es immer wieder unter den Kollegen gibt, einige Ausfälle wegen Quarantäne dazu kamen. Inzwischen hat sich das gebessert. Trotzdem gibt es auch jetzt immer wieder Ausfälle wegen Krankheit. Das muss man dann spontan auffangen, was meistens bedeutet, dass eine Fachkraft mehr Patienten versorgen und auch mehr an Hilfskräfte delegieren muss. Das ist anstrengend. Man muss zeitweise die eigenen Ansprüche reduzieren und entscheiden: Was kann ich heute machen, was kann ich verschieben? Es gab in den vergangenen Monaten aber auch eine Phase, in der weniger zu tun war, als wegen Corona die Bettenzahl heruntergefahren worden war. Das war aber relativ kurz, da wir bald auch fachfremde Patienten in unserem Bereich aufnehmen mussten, weil andere unter Quarantäne gestellt wurden.
Da gab es viel zu tun. Zumal man sich erstmal neu reindenken muss, wenn man zum Beispiel chirurgische Patienten hat, die man länger nicht versorgt hat. Da kam man schon mal an den Punkt, wo man dachte: Ich kann jetzt nicht mehr. Ans Aufhören dachte ich aber nie. Problematisch für mich war allerdings schon, dass ich nicht mal im Privaten Kraft tanken konnte. Ich habe meine Kontakte sehr eingeschränkt, um meine Familie, die Patienten und Kollegen zu schützen. Jetzt bin ich froh, dass in meinem privaten Umfeld alle geimpft sind. Anfangs war die Angst groß, sich anzustecken. Trotz allem mache ich meinen Beruf nach 30 Jahren immer noch gern, weil er abwechslungsreich ist und ich Menschen auf dem Weg der Genesung helfen kann. Es macht mich stolz, wenn jemand entlassen wird und ich meinen Beitrag dazu geleistet habe.“
Petra Strauch (58) Intensiv-Pflegerin
„Meine Arbeit auf der medizinischen Intensivstation war vor der Pandemie schon anstrengend. Aber durch Corona sind wir total an unsere Grenzen gekommen – körperlich und emotional. Vor allem dieses schwere Krankheitsbild bei Corona-Infizierten belastet einen und dass kein Ende in Sicht ist – noch immer nicht. Dieses Jahr gab es gerade einmal sieben Tage, an denen wir keinen Covid-Patienten hatten. Durch die Personalknappheit muss jede Pflegekraft mehr Patienten betreuen. Sicher hatten wir Helfer, das war gut organisiert, aber als Fachpflegekraft trägt man trotzdem die Verantwortung. Für mich sind das die belastendsten Jahre in meinen 40 Jahren Berufsleben. Trotzdem will ich weitermachen, ich bin sehr verwurzelt damit und mache meinen Beruf gern.
An manchen Tagen kam aber schon der Gedanke in den Kopf, wie lange ich das noch schaffen kann, vor allem körperlich. Das überlegen sich viele Kollegen. Das ist schade, weil meine Arbeit sehr interessant ist und ich einen Beitrag für die Gesellschaft leisten kann. Die Rahmenbedingungen müssen sich aber ändern. Da bin ich von der Politik enttäuscht. Wir brauchen mehr Personal. Da geht es um die Qualität der Arbeit und die Patientensicherheit. Was mich auch ein bisschen wütend macht, ist die derzeit sinkende Impfbereitschaft. Ich finde, jeder sollte seinen Beitrag leisten, und der Ausweg ist eben die Impfung. Ich selbst war an Covid erkrankt. Ich hätte einfach ein bisschen mehr Unterstützung von der Bevölkerung erwartet. Dass die Leute sehen, was das für eine schlimme Krankheit ist und mithelfen, unser gutes Gesundheitswesen aufrecht zu erhalten. Denn auch während der Pandemie wurde keine Patient, der dringend Hilfe benötigt hat, von SLK abgelehnt.“
Nicole Rechkemmer (42) Fachpflegekraft
„Der Schichtdienst, in dem wir arbeiten, ist auch ohne Corona schon belastend für den Körper. Einen Tag arbeite ich früh, dann spät und dann wieder nachts. Nach einer kurzen Freiphase geht es dann wieder in diesen drei Schichten weiter. Wenn man jünger ist, steckt man das leichter weg, aber je älter man wird, desto schwieriger ist es. Deshalb gibt es auch jetzt, nach der dritten Corona-Welle immer wieder Ausfälle von Kollegen in der Kardiologie, wo ich arbeite. Hinzu kommt, dass wir acht Stunden und länger die FFP2-Maske am Tag tragen. Diese ab und zu gegen eine medizinische Maske zu tauschen, in der man etwas besser durchatmen kann, ist nicht so einfach umzusetzen. Es klingelt häufig, da kann man nicht ständig wechseln. Zudem muss man die Patienten auch immer wieder daran erinnern, ihre Maske zu tragen. Gerade bei dementen Patienten ist dies der Fall. Auch fragen wir jeden Tag jeden Patienten ab, ob jemand Corona-Symptome hat.
Das ist schon nochmal mehr Arbeit als früher. Es gibt da auch Kollegen, die aufgrund der Belastung stöhnen, sich vielleicht sogar versetzen lassen oder die Arbeitszeit reduzieren. Das ist verständlich. Ich persönlich habe aber noch nie ans Aufhören gedacht, weil ich meinen Beruf sehr mag. Ich arbeite gern mit Menschen und unterstütze gern Ältere. Es ist schön, wenn man ein Lächeln zurückbekommt. Sie sind dankbar, dass man sich um sie kümmert. Dass wir Pflegekräfte mehr Anerkennung in der Pandemie erfahren haben, hat mich zwar gefreut, aber der Beruf muss in der Gesellschaft generell mehr aufgewertet werden. Ich wünsche mir, dass von der Politik mehr kommt. Da hört man inzwischen kaum noch etwas. Eine Zeit lang war das Thema ganz präsent und jetzt ist es wieder still geworden. Das ärgert mich.“

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