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Sieben außergewöhnliche Geschichten von Maskottchen aus der Welt des Sports

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Nicht jedes Sport-Maskottchen gibt sich mit der Rolle des Fan-Einheizers zufrieden. Manchmal stecken in den knuffigen Kostümen notorische Pöbler oder gar angriffslustige Schläger. Ein Best of ausgefallener und ausfallender Vereinsrepräsentanten.

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Es gibt Maskottchen, die sind bekannter als der Verein, den sie repräsentieren. Der "Grotifant" von Fußball-Regionalligist KFC Uerdingen hat in den vergangenen Jahren sogar in China für Schlagzeilen gesorgt. "Kingsley" vom schottischen Zweitligisten Patrick Thistle ist zu einem Markenzeichen mit internationalem Renommee geworden, obwohl die Figur einem Horrorfilm entsprungen sein könnte. Das an sich eher langweilige Maskottchen des deutschen Fußball-Rekordmeisters FC Bayern München hat in einer fragwürdigen Interpretation in Äthiopien für Aufsehen gesorgt.

  • Grotifant

 Foto: Stefan Brauer via www.imago-images.de (www.imago-images.de)

Die große Zeit des KFC Uerdingen 05 ist lange vorbei. Noch als Bayer-Werksclub gewannen die Krefelder 1985 gegen den FC Bayern sensationell den DFB-Pokal. Danach begann ein schleichender Niedergang. Heute ist Maskottchen Grotifant der bekannteste Angestellte des Viertligisten.

Erstmals trat der Grotifant - ein Elefant benannt nach dem Grotenburg-Stadion - am 21. Februar 2004 in Erscheinung. Nach der 1:2-Niederlage im Niederrhein-Pokal gegen Fortuna Düsseldorf musste sich das Maskottchen vor gegnerischen Fans in die Kabine flüchten. Doch für Edelfan Andreas Bosheck, der bis 2018 in dem Kostüm steckte, wich die Angst schnell dem Ansporn. Internationale Berümtheit erlangte der Grotifant im Jahr 2015.

Im Oberliga-Derby gegen den VfR Krefeld-Fischeln kletterte das Makottchen nach einem Uerdinger Tor auf den Fanzaun, um die Stimmung anzuheizen. Ein Anhänger zieht ihm jedoch den Kopf ab und macht sich davon. Bosheck klettert kurzerhand über den Zaun und nimmt die Verfolgung auf. Die Situation eskaliert. "Grotifant prügelt sich mit eigenen Fans", titelte die "Bild" am 21. September. Die Meldung tauchte sogar in chinesischen Internetportalen auf. Sehr zum Ärger von Bosheck, der bei fussball.de klarstellte: „Ich war wütend und wollte den Dieb zu Rede stellen. Doch dann haben mich Leute zurückgehalten. Als ich wieder an meinem Platz war, haben sich schon die Ultras mit neutralen Zuschauern geprügelt.“ Die Aktion des Grotifanten war also allenfalls ein unbeabsichtigter Auslöser.

Knapp zwei Jahre später gingen dem Grotifanten ein weiteres Mal die Nerven durch. Im Oberliga-Spiel gegen die SSVg Velbert sieht KFC-Spieler Johannes Dörfler in der 68. Minute die Rote Karte wegen einer vermeintlichen Tätlichkeit. Dieses Mal reißt sich Bosheck selbst den Elefantenkopf herunter und schreit den Schiedsrichter an. Der Kölner "Express" titelte: "Wegen Roter Karte: Maskottchen des KFC Uerdingen rastet aus." Bosheck bestritt allerdings, das Spielfeld betreten zu haben, sondern betonte gegenüber "reviersport.de": Ich war mindestens zehn Meter weit weg von der Situation." Warum er so entgleiste: "Im ganzen Spiel waren schon einige Entscheidungen dabei, die mich auf die Palme gebracht haben. Unser Spieler den Gegner gar nicht extra berührt. Er hat sich umgedreht und ihn mit der Schulter gestreift."

Seit 2018 steckt Patrick Dietzsch im Grotifanten-Kostüm. Seitdem ist es ruhiger geworden um das deutsche Entfant terrible unter den Fußballmaskottchen.

  • Kingsley

 Foto: imago sportfotodienst (imago sportfotodienst)

Patrick Thistle ist zwar einer der ältesten Fußballclubs überhaupt, abseits der Tradition hat der Verein aus der Glasgower Peripherie jedoch wenig Schillerndes zu bieten. Bis auf Kingsley - sein Maskottchen. "Das Maskottchen des Grauens" titelte der "Stern" 2015 bei seiner Vorstellung. "Kingsley, so der Name des Elends, ist eine komplett verunstaltete Sonne mit Mono-Braue und schiefen Zähnen, die aussieht, als verschlinge sie kleine Kinder zum Frühstück." Die Netzgemeinde verpasste der wütenden Sonne den Beinamen: "Lisa Simpson auf Meth."

Doch die entgegen aller Maskottchen-Regeln (niedlich, freundlich, knuffig) vom britischen Künstler David John Shrigley entworfene Figur hat sich als absoluter Marketing-Erfolg entpuppt. Die Präsentation des Maskottchens ging mit der Bekanntgabe des neuen Hauptsponsors einher, der Anlageberatungsfirma Kingsford Capital Management, und mit der Vorstellung des neuen Club-Mottos: "Nicht mehr so kuschelig." 

"Wir haben mit unserem Sponsoring-Start die größte Öffentlichkeitswirkung in der Geschichte des schottischen Fußballs erzielt. Es war ein Heureka-Moment und es geht immer noch weiter", freute sich General Manager Ian Maxwell im "Daily Record". 95 Millionen mehr Zugriffe auf Twitter verzeichnete der Club, eine Steigerung um 7000 Prozent.

Im "Guardian" berichtete Jay McGhee, der Mensch im Kingsley-Kostüm, von seinem größten Moment: "Ich habe mir vor Celtics Hooligans auf den Hintern geschlagen. Ich habe noch nie einen solchen Adrenalinschub erlebt.“ Inzwischen ist das Interesse aber deutlich abgeebbt. Auf Instagram und Twitter hat kingsley_mascot gerade mal 4000 Follower.

  • Nackter Bayern-Berni

 Foto: Peter Kneffel (dpa)

Selbst eingefleischte Fußball-Fans dürften bei der Frage nach dem Maskottchen des FC Bayern München ins Grübeln kommen. Manch einer wird sich vielleicht noch an den Bazi erinnern, jenen Lederhose tragenden Knollennasen-Mann mit Segelohren. Doch der wurde 2004 quasi über Nacht von einem Bären namens Berni ersetzt. "Auf den blöden Bär'n is' g’schissen!", empörten sich nicht wenige Bayern-Fans damals. Bis heute hat die blasse Figur nicht an Format gewonnen.

Unverschuldet wurde Berni im Jahr 2019 dennoch kurz mal zum bayrischen Problembären. In Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba eröffnete der FC Bayern eine Fußballschule. Die sechste weltweit - nach den USA, China, Thailand, Japan und Singapur. Vor Ort dabei waren Vorstandsmitglied Jörg Wacker und Ex-Profi Giovane Elber. Offenbar als freundliche Geste für die deutschen Gäste hatte der Äthiopische Fußballverband ein Bernie ähnelndes Maskottchen mitgebracht. Jedoch mit einem nicht gerade kleinen Unterschied: am gelben Stoffbären baumelte ein üppiges Geschlechtsteil. 

"Hätten wir das gewusst, hätten wir dem äthiopischen Maskottchen eine Lederhose verpasst", nahm ein Bayern-Sprecher den phallisch geratenen Berni gelassen, betonte aber: "Das ist natürlich nicht unser Maskottchen." Der echte Berni führte nämlich zeitgleich Schulklassen durch die Allianz Arena, wie er via Twitter mitteilte.

Die äthiopische Berni-Version ist danach nie wieder aufgetaucht. Als Anregung für Änderungen am bestehenden Berni wurde sie vom FC Bayern ebenfalls nicht genutzt.

  • Hamster Udo

 Foto: Michael Ruffler / masterpress (imago sportfotodienst)

Laut seines Lebenslaufs ist der Hamster Udo unter der Mannheimer SAP-Arena geboren worden. Viele seiner Artgenossen mussten tatsächlich beim Bau der Multifunktionshalle umgesiedelt werden, doch Udo durfte als Maskottchen der Adler Mannheim bleiben.  "Eines Tages haben sie mich gefragt, ob ich ihr Maskottchen sein will. Und ob ich das wollte! Also habe ich mein Trikot angezogen und seitdem kein einziges Heimspiel meiner Adler verpasst."

Für einen Eklat sorgte der fröhliche Feldhamster jedoch im September 2015 beim DEL-Derby zwischen den Adlern und den Schwenninger Wild Wings. Nach dem 1:0-Sieg der Gastgeber gestikulierte Udo obszön in Richtung der Gästefans, er zeigte ihnen den Mittelfinger und schob die Hüfte vor und zurück. Die Adler-Verantwortlichen fanden dieses Verhalten gar nicht lustig und feuerten Udo, also den Mann, der im Hamster-Kostüm steckte. "Dieses Verhalten war inakzeptabel. Wir haben uns bei Schwenningen entschuldigt und die Agentur verständigt, dass wir den Herrn nicht mehr sehen wollen“, sagte Adler-Geschäftsführer Matthias Binder der "Bild".

Die Adler-Fans gingen auf die Barrikaden, starteten unter dem Titel "Freiheit für unser Maskottchen UDO!" eine Online-Petition, die immerhin 2581 Unterstützer fand. "Lasst uns gemeinsam unsere Stimme erheben und für die Emotionen kämpfen! Wir müssen uns viel gefallen lassen, aber noch lange nicht alles!", hieß es in dem Aufruf. Der Hamster sei zuerst von den Schwenninger Fans provoziert und mit Bierbechern beworfen worden. Der Club sah das zwar anders, verzichtete aber immerhin auf ein lebenslanges Stadionverbot gegen den Udo-Darsteller und behielt das Maskottchen bis heute bei. Der neue Mime im Kostüm fiel bisher nicht aus der Rolle.

  • Super Leo

 Foto: imago sportfotodienst

Am Tag danach stand Super Leo neben den Spielern Philipp Zulechner und Mario Leitgeb auf der Verletztenliste von Austria Wien. Das Maskottchen falle wegen Kreislaufproblemen für den Rest der Saison aus, teilte der österreichische Erstligist mit. Tatsächlich dürfte ein akuter Kater der wahre Grund gewesen sein.

Am 2. Mai 2015 empfing die Austria den Wiener Neustädter SC. Das Spiel endete mit einer Nullnummer. Doch Super Leo hatte dennoch einen Grund zum Feiern, er hatte nämlich Geburtstag. Also der Mann im Kostüm. Angeblich seinen 42. "Normalerweise ist es ja sein Job, die Stadiongäste zu unterhalten. Am Wochenende feierte Super Leo lieber seine eigene Party – und zwar mit sich allein", schrieb die "Welt". Tatsächlich torkelte Super Leo über das Spielfeld, konnte sich kaum auf den Beinen halten und kippte immer wieder um. Zwei Sanitäter mussten ihn schließlich vom Spielfeld führen.

Der Auftritt sorgte weltweit für Schlagzeilen. "Super Leo weiß, wie man sich eine gute Zeit macht", schrieb der englische "Mirror". "24 horas" aus Chile titelte: "Der peinliche Auftritt des betrunkenen Maskottchens der Wiener Austria“. Ein Sprecher der Austria musste zugeben, dass Leo "international mehr Aufsehen erregt hat als unser Champions-League-Einzug“.

Für Super-Leo war es der letzte Auftritt für die Austria. Am Saisonende trennte sich der Club von seinem Maskottchen und installierte ein neues. Das sieht dem alten indes verblüffend ähnlich und heißt Veilchen Leo in Anlehnung an die Clubfarben violett und weiß.

  • Erwin

 Foto: Guido Kirchner (dpa)

Das 172. Revierderby zwischen dem FC Schalke 04 und Borussia Dortmund war im Jahr 2017 eher unspektakulär und endete mit einem 1:1-Unentschieden. Die Dortmunder waren überlegen, ließen aber viele Chancen aus. Die Schalker ärgerten sich über einen nicht gegebenen Handelfmeter in der Nachspielzeit.

Richtig Alarm herrschte, als sich nach Schlusspfiff Schalke-Maskottchen Erwin vor Schiedsrichter Felix Zwayer aufstellte und dem Referee die Rote Karte zeigte. Der musste sich schon der Rudelbildung der Schalker Spieler erwehren und hatte Trainer Marcus Weinzierl wegen Meckerns bereits auf die Tribüne verbannt. „In dem Moment unter Anspannung fand ich es nicht so lustig. Morgen wird es dann vielleicht schon amüsanter", sagte Zwayer hinterher.

Erwin erklärte, es sei nur ein Spaß gewesen und: „Ich habe mich entschuldigt.“ Offenbar dachte der Zwei-Meter-Riese, der nach eigener Darstellung auf Kohle geboren wurde, Zwayer habe die Karte auf dem Rasen verloren, und wollte sie ihm auf amüsant-provozierende Weise zurückgeben.

In Wirklichkeit gehörte sie jedoch einem Fan, der immer Karten und Trillerpfeifen mit ins Stadion brachte. Normalerweise zeigte er die Karten nur in Richtung des Schiedsrichters. An jenem Tag schnippte er den Roten Karton jedoch kurz vor Schluss aufs Spielfeld. "Ich war voll sauer, da habe ich die Karte geschnibbelt", verriet der Mann später dem Portal "schalke-news.de". Erwin fand sie und zeigte sie dem Schiedsrichter. Der erwähnte den Vorfall zwar in seinem Spielbericht, ein Nachspiel hatte die Aktion aber nicht.

  •  Hector

Die Facebook-Seite existiert noch. Der jüngste Beitrag von "HECtor- dem Falkenmaskottchen" stammt jedoch vom 3. Januar 2018. Seitdem herrscht Schweigen. In der Heilbronner Eishalle ward der bunte Vogel ebenfalls nicht mehr gesehen. „Momentan ist kein neuer Hector in Sicht. Sollte jemand Interesse haben, darf er oder sie sich gerne bei uns melden“, hatte der frühere Geschäftsführer Atilla Eren beim Fan-Talk im November 2018 aufgerufen. Offenbar fand sich aber kein Nachfolger für Marco Dörfler, der das Kostüm in den Jahren zuvor getragen hat und dann ins Sprade-TV-Team des DEL2-Clubs gewechselt war.

Schon 2015 hatte die Heilbronner Stimme festgestellt: "Hector hat einen schlauen Namen: Das Maskottchen des Heilbronner Eishockey-Clubs (HEC) ist ein Kunstwort aus dem Vereinskürzeln HEC und Tor, dem Ziel jeden Spiels." Hector war nicht nur bei jedem Heimspiel als Einheizer dabei. Er vertrat den Club auch bei Promotion-Veranstaltungen und hatte selbst im Stadionheft seine eigene Rubrik.

An einem kleinen Eklat kam aber auch der Heilbronner Flattermann nicht vorbei. Am 18. Juli 2013 zeigte die Stimme unter dem Titel "Zweitligastart gesichert" ein Foto des betenden Hector vor der Kilianskirche. In der Bildunterschrift stand zu lesen: "Die Gebete des Falken-Maskottchens Hector vor der Heilbronner Kilianskirche wurden erhört: Der Zweitligaspielbetrieb 2013/14 ist gesichert." Neun Zweitliga-Clubs hatten zuvor ihren Austritt aus dem Deutschen Eishockey-Bund (DEB) erklärt, um unter das Dach der Deutschen Eishockey Liga (DEL) zu schlüpfen. Der DEB wehrte sich, der Streit drohte vor Gericht zu enden, der künftige Spielbetrieb war in Frage gestellt. 

Unter dem Motto „Pro DEL2" hatten rund 60 Falken-Fans tags zuvor auf dem Marktplatz demonstriert. Darunter auch Hector Marco Dörfler: "Ein Szenario ohne zweite Liga in der nächsten Saison verbietet mir mein Eishockey-Herz." Im Rahmen der Kundgebung waren unter anderem auch die Fotos vor der Kilianskirche entstanden. 

Das Motiv gefiel nicht allen. "Es überschreitet die Grenze der Blasphemie oder mindestens der Geschmacklosigkeit, wenn ein Maskottchen vor der altehrwürdigen Kilianskirche angeblich betet und erhört wird. Selbst wenn es mit einem Augenzwinkern geschrieben wurde, müssen die wenigen Christen, die es noch in unserem Land gibt, das nicht unwidersprochen hinnehmen", ärgerte sich beispielsweise ein Leser aus Gemmingen.

 

 

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