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Der Hohenlohekreis ist keineswegs ein kulturelles Entwicklungsland

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Lena Landwehr ist Regionalmanagerin Kultur im Hohenlohekreis. Im Gespräch mit unserer Redaktion verrät sie, warum sie unter Kultur weit mehr als Kunst, Musik und Literatur versteht und wie der kulturelle Nachwuchs stärker gefördert werden soll.

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Lena Landwehr vor dem Schloss Neuenstein, traditioneller Premieren-Ort der Kultursommersaison. Landwehr ist seit Ende 2020 Regionalmanagerin für Kultur in Hohenlohe.
Foto: Mario Berger
Lena Landwehr vor dem Schloss Neuenstein, traditioneller Premieren-Ort der Kultursommersaison. Landwehr ist seit Ende 2020 Regionalmanagerin für Kultur in Hohenlohe. Foto: Mario Berger  Foto: Berger

Was verstehen Sie unter Kultur?

Lena Landwehr: Kultur ist für jeden etwas anderes. Deshalb haben wir uns genau diese Frage im Team zu Beginn auch gestellt. Dabei kam letztlich heraus, dass für uns Kultur von Architektur über Kunst und Musik bis hin zu Landschaft, aber auch Landwirtschaft und Tradition reicht. Der Begriff ist so vielfältig und zeigt gleichzeitig, wie bunt und unterschiedlich das kulturelle Leben bei uns auf dem Land ist.

 

Der ländliche Raum ist also kein kulturelles Entwicklungsland?

Landwehr: Keineswegs. Viele denken vielleicht, auf dem Land ist das kulturelle Angebot eingeschränkter als in den Städten, aber das Spannende ist: Bei uns gibt es schon eine ganze Menge. Ich habe ein Netzwerk mit über 800 Kulturakteuren. Da sind Museen, Solokünstler, aber auch Vereine dabei.

 

Jetzt mal snobistisch formuliert: Ihnen geht es nicht nur um die sogenannte Hochkultur?

Landwehr: Ich verwende die Begriffe Hochkultur und Breitenkultur total ungern. Aber viele denken eben bei Kultur an Theater, Oper, Konzert. Im ländlichen Raum ist Kultur aber nicht nur das und soll es auch nicht sein. Da spielen die Vereine mit ihren Traditionen und dem Engagement für die Gemeinschaft eine entscheidende Rolle.

 

Ist Kultur auf dem Land etwas anderes als in der Stadt?

Landwehr: Na ja, es ist uns ein Bedürfnis, nicht die Städte nachahmen, nicht alles modern und neu machen zu wollen. Vielmehr sollte es darum gehen, das Bestehende zu erhalten, weiterzutragen und weiterzuentwickeln. Wenn man so will, ist Kultur hier so etwas wie die eigene Identität zu stärken.

 

Von außen betrachtet - man denke allein an das große Angebot an Kultur durch Würth - ist der Hohenlohekreis ja bereits ein Streber in Sachen Kultur, oder?

Landwehr: Eine Stärke in Hohenlohe ist sicherlich, dass man anderswo für solche hochwertigen Klassik-Konzerte, wie sie unter anderem Würth oder der Hohenloher Kultursommer anbieten, nach Stuttgart, München oder in andere große Städte fahren muss. Bei uns holt man die Künstler zu ihrem Publikum in den ländlichen Raum. Und gleichzeitig holt man auch Besucher von außerhalb in die Region und stärkt so den Tourismus.

 

Könnte man diese kulturelle Stärke des Landkreises besser vermarkten?

Landwehr: Es gib in Hohenlohe viele kleine Ateliers, Solokünstler, Ensembles und so weiter, von denen viele gar nichts wissen. Die müssen noch besser bekannt gemacht werden - innerhalb und außerhalb der Region, am besten auch gebündelt, dann hat das eine große Wirkung nach außen. Es ist stetige Netzwerkarbeit gefragt und darin sehe ich einen großen Baustein meiner Arbeit.

 

Sollte man sich bei aller Euphorie über die große Kultur in Hohenlohe auch fragen, wie das Kulturangebot seinem Umfeld gerecht wird?

Landwehr: Ja, vor allem sind niederschwellige Angebote wichtig. Viele denken gar nicht darüber nach, sich eine Konzertkarte zu kaufen oder ein Museum zu besuchen. Man sollte die Menschen dann anders ansprechen, auch Berührungsängste überwinden. Das versuchen wir etwa mit dem Projekt Kultur im Beutel, das gerade begonnen hat.

 

Was ist für Kulturanbieter und Kulturschaffende die Herausforderung im ländlichen Raum?

Landwehr: Oftmals fehlt es an der Sichtbarkeit der Kulturschaffenden, sowohl im Landkreis, als auch darüber hinaus. Genau deshalb sind Netzwerke und Anstöße zur Kooperation so wichtig.

 

Herausforderung Nummer zwei?

Landwehr: Grundsätzlich hat natürlich eine Stadt andere finanzielle Möglichkeiten und sieht sich auch mehr in der Pflicht, ein kulturelles Angebot zu schaffen. Auf dem Land haben kleinere Kommunen andere Pflichtaufgaben. Doch Kultur als Standortfaktor ist ein sehr wichtiger Faktor für den ländlichen Raum.

 

Das Geld spielt aber - gerade für kleinere Veranstalter wie Vereine und Gemeinden - eine entscheidende Rolle.

Landwehr: Das ist richtig, aber das ist oft zu klein gedacht. Viele organisieren etwas für sich und ihren Ort. Eine große Chance sehe ich da in spartenübergreifender und auch interkommunaler Zusammenarbeit. Dadurch könnte ein breiteres Publikum erreicht werden. Auch personell wäre das besser leistbar.

 

Welche Lösungsansätze gibt es?

Landwehr: Es müssen Rahmenbedingungen für die Kulturarbeit geschaffen werden, indem etwa Netzwerke unter den Künstlern und zu den Kulturanbietern aufgebaut werden. Der Eindruck ist: Jeder arbeitet in seinem Bereich sehr engagiert. Häufig ist bei den Veranstaltern der Grundgedanke verwurzelt, Akteure von außerhalb zu holen. Das ist auch in Ordnung. Man darf aber auch das Angebot bei uns nicht außer Acht lassen, die Akteure vor Ort halte ich für ein großes Potenzial.

 

Wie ist es um die Nachwuchsarbeit bestellt?

Landwehr: Kulturelle Bildung ist in der jüngsten Vergangenheit in Kitas und Schulen stärker in den Fokus gerückt, hat aber noch nicht den Status, wie er wünschenswert wäre. Wir haben - das darf man nicht vergessen - in unserer Region das Privileg vieler Unternehmen, denen auch das Thema Kultur am Herzen liegt. Bei der vergangenen Regionalkonferenz Kultur im Juni kam auch heraus, dass auf dem Land das Zusammenspiel von Kultur und Unternehmen sowie von Kultur und Schulen weiter gestärkt werden sollte. Das kann man noch ausbauen.

 

Unabhängig von den Unternehmen und Schulen: Wie kann man die Nachwuchsförderung verbessern? Eine kulturelle Szene, in der sich der Nachwuchs vernetzt und ausprobiert, wie das etwa in manchen Städten Wie Mannheim oder Berlin der Fall ist, gibt es in Hohenlohe nicht.

Landwehr: Einerseits versuchen wir aufstrebende Talente aufzuspüren und zu fördern. Manches gibt es ja auch schon, etwa den Violinwettbewerb im Rahmen des Kultursommers. Zudem starten wir gerade ein kulturelles Bildungsprojekt namens "Youngsters machen Kultur". Da steht das Selbermachen im Vordergrund, mit Titeln wie "die Literaturabenteurer", "die Landschaftserkunder", "die Kunstmacher". Dabei schauen wir auch, wer hier unterstützen kann. Beim Thema "die Witzemacher" ist beispielsweise der Waldbacher Kabarettist Tillmann Lucke als Pate dabei.

 

Orakeln Sie mal: Wie entwickelt sich die Kultur in den nächsten zehn Jahren im Kreis?

Landwehr: Partizipativer, gemeinschaftlicher als sie ohnehin schon ist. Das meine ich nicht nur aus Anbietersicht, sondern auch aus Publikumssicht. Gemeinsam den Kulturbegriff hier auf dem Land zu veranschaulichen und Hürden zu überwinden.

Zur Person

Lena Landwehr stammt aus dem Mulfinger Teilort Jagstberg. Seit über vier Jahren lebt die gebürtige Hohenloherin aber in Tirol. Ursprünglich zog es sie wegen des Studiums dorthin, nun bleibt sie der Liebe wegen. Weil Landwehr seit September 2020 aber Regionalmanagerin für Kultur beim Hohenlohekreis ist, pendelt sie zwischen dem Homeoffice in Söll in Kutstein und der Büroarbeit in Künzelsau. Das Pilotprojekt Regionalmanager Kultur ist auf drei Jahre vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg sowie durch "Trafo - Modelle für Kultur im Wandel" gefördert. Das Pilotprojekt soll das kulturelle Leben in ländlichen Regionen stärken. Hohenlohe ist eine von sechs ausgewählten Projekt-Regionen in Baden-Württemberg.

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