Wie man Kindern am besten das Coronavirus erklärt
Wegen der Corona-Einschränkungen dürfen Kinder ihre Freunde nicht mehr sehen und müssen beim Spielen Abstand halten und Maske tragen. Wie Erzieherinnen jungen Kindern erklären, dass die Welt wegen einer unsichtbaren Gefahr Kopf steht.
Schlossgeister, Hexen und Klabautermänner – alles olle Kamellen aus lange vergangenen Zeiten, als die Menschen sich noch wegen jedem Knarren auf dem Dachboden in die Hose gemacht haben. Da glaubt doch kein Kind mehr dran! Aber wie ist das mit dem verflixten Coronavirus? Das kann man auch nicht sehen – und trotzdem jagt es selbst vielen Erwachsenen eine Heidenangst ein. Und die Folgen sind obendrein tagtäglich und ganz konkret zu spüren, seitdem die Welt vor unserer Haustüre vor acht Monaten – gefühlt ein halbes Kinderleben! - beschlossen hat, Kopf zu stehen.
Es gibt tatsächlich Kinder, die haben mittlerweile Angst zu sterben, wenn sie in den Kindergarten gehen, berichten Erzieherinnen. Andere dagegen kümmert es nicht weiter. Es hängt scheinbar viel davon ab, wie die Eltern zu Hause mit dem Thema umgehen. Aber wie soll man seinem Kind so ein schwieriges und schwer zu greifendes Phänomen wie die Covid-19-Pandemie erklären, ohne ihm Angst zu machen, ihm gleichzeitig aber auch keine Märchen zu erzählen oder alles totzuschweigen? Denn natürlich bekommen die Kinder mit, dass zurzeit etwas nicht stimmt.
Kleine Rituale und klare Regeln
Im Familienzentrum Ittlingen versuchen die Erzieherinnen, den Kindern durch das unaufgeregte Erklären von Regeln und deren Ursachen einen angstfreien Umgang mit Corona zu ermöglichen. Aus dem Kindergartenalltag heraushalten ließe sich das Thema ohnehin nicht, sagt Leiterin Carmen Albrecht. „Die Hygienemaßnahmen, die Trennung der Gruppen - Corona kam von ganz allein auf die Tagesordnung und ist ständig ein Thema.“
So können die Kinder im Garten nur im Schichtbetrieb bestimmte Bereiche nutzen, und im Waschraum hat jede Gruppe einen eigenen Teil zugewiesen bekommen. Die Hände beim Waschen nur mal kurz nassmachen, das gibt es längst nicht mehr. Mit Sanduhr und genauer Erklärung, wie alle Finger und die Zwischenräume schön sauber werden, wird das Händewaschen regelrecht zelebriert. Das hilft und macht Spaß.
Kinder achten selbst aufeinander
Auch das Popeln in der Nase oder die Finger und Spielsachen in den Mund zu stecken, gehören schon lange nicht mehr zum „guten“ Ton. Und gehustet wird natürlich in die Armbeuge. „Das erklärt man und dann achten sie selber aufeinander“, sagt Carmen Albrecht. Als Schikane empfänden die Kleinen derartige Prozeduren nicht. „Mich wundert es immer wieder, wie sie trotz allem fröhlich sind und lachen“, sagt sie. „Die Kinder haben sich toll mit der Situation arrangiert. Die Regeln haben sich geändert und sie sind mit der Veränderung mitgewachsen.“
Geholfen haben dabei auch Bilderbücher und andere Angebote zum Thema, die zum Beispiel das Kultusministerium online zur Verfügung gestellt hat. Dass das Virus fürs bloße Auge nicht zu sehen ist, sei kein Hinderungsgrund, den Kindern ein Verständnis dafür zu vermitteln, worum es geht. „Wir haben ja auch jedes Jahr die Zahngesundheit bei uns. Die Bakterien sieht man auch nicht, die die Zähne kaputt machen. Und trotzdem verstehen es die Kinder, wenn man ihnen die Folgen zeigt.“
Respekt aufbauen, aber keine Angst vor dem Virus machen, so könnte man den Leitgedanken in Ittlingen im Umgang mit den Kindern umschreiben. „Denn ein Kind soll möglichst unbedarft aufwachsen. Das versuchen wir zu ermöglichen.“
Respekt ja, Angst nein
Eine allgemeine Regel, wie man mit Kindern das Thema Corona am besten bespricht, kann es aus Sicht von Cornelia Schweiker vom Kindergarten Zeppelin in Schwaigern nicht geben. „Dafür ist die Situation in den Familien, ist die Entwicklung der Kinder zu unterschiedlich“, sagt die Erzieherin. „Ich finde es aber wichtig, dass man mit den Kindern spricht. Denn Fragen sind da.“ Und manchmal kann ein Gespräch auch ohne Worte beginnen. „Wir haben die Kinder zum Beispiel mal malen lassen, wie sie sich das Virus vorstellen – bei den meisten sah es ein bisschen aus wie ein Monster.“
Für Cornelia Schweiker ist es darum zentral, den Kindern zu vermitteln, dass sie keine Angst haben müssen. Respekt ja – denn wer will schon krank werden – aber Angst vor einem unsichtbaren Gegner, der sich dem Verständnis der Kleinen entzieht, müsse man ihnen nehmen. Und das gelinge besonders gut, indem man sich bemüht, aller Einschränkungen zum Trotz, das Leben der Kinder so normal wie möglich zu gestalten. Gerade weil sie in vielen anderen Bereichen so viel Veränderung erleben.
Es geht eher um das Thema Freundschaft
„Die Gefahr, die von dem Virus ausgeht, ist zu abstrakt“, sagt Ramona Heller, die Leiterin vom Kinderhaus Villa Rosa in Heilbronn. Die Kleinen in der Kindertagesstätte würden da auch gar nicht so nachfragen. Von viel größerer Dimension sei das Thema Freundschaft und die Frage: Wann kann ich wohl wieder zu meinem Freund? Heller hat beobachtet: „Die Einschränkung in dieser Hinsicht ist ein großer Einschnitt.“
Ansonsten erklären die Erzieherinnen das Coronavirus nicht anders als andere Erkältungsviren. Dass man sich die Hände oft waschen muss, wie man niest und so weiter, das haben die Kinder schnell verstanden. Im Prinzip erkläre man das „so wie Karies und Baktus“ – spielt Heller auf das bekannte Kinderbuch an, in dem es um die Bedeutung des Zähneputzens geht.
Erklärungen über Bilder
Auch bei Grundschulkindern baut Sabine Görmez besonders auf ein Bilderbuch, um ihnen das Virus, die Gefahr, die davon ausgeht und die notwendigen Maßnahmen, um es einzudämmen, zu erklären. Die Rektorin der Grundschule Heilbronn Biberach erzählt, dass sie ganz offiziell das Informationsbuch „Coronavirus – ein Buch für Kinder“ erhalten habe. Der Verlag Beltz & Gelberg hat es allen Schulen kostenlos zur Vervielfältigung zur Verfügung gestellt. Die Illustrationen stammen von Axel Scheffler, dem Zeichner des berühmten Grüffelo.
„Kinder haben über Bilder einen ganz anderen Zugang als über Worte“, sagt Görmez. Sie findet: „Das Wichtigste ist, dass die Kinder verstehen, worum es geht. Und dass man das beeinflussen kann und das Problem handhabbar ist.“ Schließlich, glaubt sie, gibt es genug Maßnahmen, die man ergreifen kann, um sich und andere zu schützen.

Die Lehrer setzten das Corona-Buch im Klassenzimmer nach Bedarf ein. Die Stephen-Hawkings-Klasse im Haus sorgt dafür, dass die Biberacher Schüler frühzeitig lernen, Rücksicht zu nehmen, da die Kinder mit Körperbehinderung besonders gefährdet sind. Und Görmez weiß, dass ihre Schüler stolz darauf sind, ihre Mitschüler zu schützen: „Man fühlt sich gut, wenn man Gutes tut.“
Auf jeden Fall hält die Rektorin es für notwendig, die Pandemie mit den Schülern immer mal wieder zu besprechen. Das Geschehen würde in den Medien zwar sehr thematisiert, „aber wenn Kinder das täglich so ungefiltert serviert bekommen, dann hilft ihnen das nicht“, sagt sie. Prima und hilfreich findet sie außer dem Corona-Buch die Logo!-Kindernachrichten im ZDF. Um sich kurze Filme daraus anzugucken, gibt es in Biberach in allen Klassenzimmern Displays.
Angstbesetzt ist das Thema bei ihren Schülern nicht, die Schüler wirken nicht besorgt und fragen auch nicht jeden Tag nach – weiß Görmez von ihren Kollegen.