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Welche schlimmen Folgen Corona-Maßnahmen für Kinder haben

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Ahnen manche Politiker eigentlich, welche seelischen Dramen sich in Kinderzimmern rund um die Frage abspielen, wer denn nun der beste Freund ist? Wie viele bittere Tränen vergossen werden, wenn der eigene Lieblingsfreund einen anderen Spielpartner vorzieht? Offenbar nicht, meint Stimme-Korrespondent Bernhard Junginger.

von Bernhard Junginger
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Wut und Trauer im Kinderzimmer als Folge der Corona-Krise. Foto: Jens Kalaene/dpa
Wut und Trauer im Kinderzimmer als Folge der Corona-Krise. Foto: Jens Kalaene/dpa  Foto: Jens Kalaene (dpa-Zentralbild)

Zwar haben Bund und Länder zum Glück davon abgesehen, Kindern zur Eindämmung der Corona-Pandemie nur noch Treffen mit einem einzigen Freund zu erlauben. Das war zunächst tatsächlich so geplant. Die dringende Empfehlung auch für Kinder, Kontakte auf Angehörige nur eines weiteren Haushalts zu begrenzen, läuft praktisch aufs selbe hinaus.

Wir diskutieren viel zu wenig darüber, was die Pandemie-Ausnahmesituation eigentlich für die Kleinsten bedeutet. Eine Kindheit soll möglichst unbeschwert sein. Ist es da noch irgendwie niedlich oder schon eher Anzeichen von Trauma, wenn die Puppe eine selbst gebastelte Papier-Maske erhält? Wenn Kinder vor dem Spiel beraten, ob im Playmobil-Zoo Maskenpflicht gilt? Mit ihren Sorgen, ob die Kinder die Corona-Zeit so einfach wegstecken werden, wie die Krise sie prägen wird, werden Eltern weitgehend allein gelassen.

Der Mensch ist ein soziales Wesen

Auch an den Erwachsenen geht die Ausnahmesituation ja nicht spurlos vorüber. Keiner kennt das wahre Ausmaß des Leides der Menschen, die einsam sind, vielleicht einen Partner suchen. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Durch die Ansage der Regierung, Kontakte auf Angehörige eines weiteren Haushalts zu reduzieren, werden Beziehungen auf dem Vor-Corona-Stand eingefroren. Aus neuen Nachbarn werden so keine Freunde mehr. Ein paar kommen hinzu, ein paar gehen irgendwie verloren, so heißt es normalerweise über Freundschaften. Durch Corona gerät die Bilanz in Schieflage. Telefonate oder Videogespräche können echte Besuche nicht ersetzen. Es kommt kaum mehr etwas an Beziehungen hinzu in einer Zeit, in der Mitmenschen zuerst als mögliche Ansteckungsherde empfunden werden. Zufallsbekanntschaften fallen mangels Gelegenheit weg, so können auch keine engeren Beziehungen entstehen. Was es mit uns macht, wenn die sozialen Beziehungen plötzlich heruntergedimmt werden, ist noch nicht einmal in Ansätzen erforscht. Es scheint die Politik auch wenig zu interessieren.

Es ließe sich trefflich darüber streiten, ob sich diese Kollateralschäden irgendwie verhindern ließen. Vollständig wahrscheinlich nicht. Doch manchmal entsteht der Eindruck, als würden sich Kanzlerin, Länderchefs und Minister über diese Art Corona-Folgen überhaupt keine Gedanken machen, wenn sie neue Maßnahmen beschließen. Gegen die wirtschaftlichen Verheerungen gibt es Staatshilfen. Covid-19 macht uns aber nicht nur materiell ärmer, sondern auch emotional. Niemand sollte den Pandemie-Schmerz vieler Menschen schulterzuckend abtun als Gefühlsduselei.

Nicht nur Virologen zu Wort kommen lassen

Eine Politik, an deren Spitze mit Kanzlerin Angela Merkel eine nüchtern denkende Naturwissenschaftlerin steht, rechnet die sozialen und emotionalen Konsequenzen ihres Handelns viel zu wenig ein. Es ist an der Zeit, nicht mehr nur die Virologen zu Wort kommen zu lassen, sondern auch die Experten für seelische Gesundheit. Wer gibt uns wirklich sinnvolle, fundierte Ratschläge, wie wir wertvolle Freundschaften über die Krise retten und unsere Kinder seelisch gesund halten können? Spätestens jetzt, wenn dieser lange Corona-Winter bevorsteht, kann die Politik diese Fragen nicht länger ignorieren.

Ob wir irgendwann in einer traurigen, freudlosen Zukunft voll Sehnsucht an die Zeit vor Corona zurückblicken oder als Gesellschaft gestärkt aus dieser epochalen Krise hervorgehen, entscheidet sich jetzt.

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am 29.11.2020 10:47 Uhr

Niemand verbietet Kindern, sich zu treffen. Bei den Beschränkungen von privaten Treffen sind Kinder unter 14 Jahren ausgenommen. Einige sinnlose Beschränkungen muss man kritisieren, z.B. dass in einer Tennishalle mit beispielsweise 3 Tennisplätzen nur zwei Leute spielen dürfen, weil nur ein einziger Platz benutzt werden darf, während in der Turnhalle im Sportunterricht fast gar keine Schutzmaßnahmen gelten.
Gerade bei kleineren Kindern (Schule und Kita) wird doch im Verhältnis zu anderen Bereichen extrem wenig eingeschränkt, weil man eben Rücksicht auf die psychologischen und sozialen Aspekte nimmt.
Kretschmann sagte im Landtag zurecht: "Schule ist die letzte Großveranstaltung". Weil dort so viel erlaubt wird, müssen andere Bereiche um so mehr eingeschränkt werden.
Es gäbe durchaus auch Argumente, es umgekehrt zu machen. Schulen für die höheren Klassen schließen und dafür im Freizeitbereich und im Privaten sowie in der Gastronomie usw. mehr zulassen.
Vielleicht hätte man dann weniger Kollateralschäden im sozialen und auch im wirtschaftlichen Bereich.
Übrigens, wenn schon auf die Tränendrüse gedrückt wird, vielleicht auch mal überlegen, was es für Kinder bedeuten würde, wenn Opa an Corona stirbt und man sich ein Leben lang die Frage stellt, ob man ihn als Kind damals vielleicht angesteckt hat.

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