Was macht der sportliche Nachwuchs während des Lockdowns?
Es gibt Sportarten, da macht sich der Teil-Lockdown in der Trainingsarbeit kaum bemerkbar. Bei anderen bekommen Kinder und Jugendliche einen Trainingsplan für zu Hause. Und wieder anderswo hätten die Einschränkungen beinahe dazu geführt, Nachwuchsabteilungen schließen zu müssen.
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Handball: Sorge bei der NSU, ins Nichts zu trainieren
Die Nachwuchsmannschaften der Neckarsulmer Sport-Union sind mit Trainingsplänen für zu Hause ausgestattet. "Ich stehe im Austausch mit den Jugendtrainern. Wir haben in jeder Altersklasse Pläne verteilt und versuchen, an den Kids dran zu bleiben", sagt NSU-Jugendkoordinatorin Maike Daniels. Es gäbe aber durchaus positives Feedback und die Bereitschaft, auch zu Hause zu trainieren. Bewusst setzt Daniels je nach Wetter auch auf Programme, "die man draußen mit Ball machen kann".
Sie sieht trotz allem Optimismus eine herausfordernde Zeit: "Nicht nur für uns, sondern auch für die anderen Vereine. Für die Spielerinnen und Spieler ist es echt schwierig und mental belastend. Man kann schon den Eindruck gewinnen, ins Nichts zu trainieren." Momentan könne niemand abschätzen, "wie viele Talente, Jungs und Mädels, die gerne Sport treiben, verschütt gehen".
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Motocross: In Frankenbach läuft das Training ganz normal
Beim MCC Frankenbach hat sich der zweite Lockdown für den Nachwuchs kaum bemerkbar gemacht. "Es läuft alles in ziemlich entspannten Bahnen und unkompliziert", sagt Pressesprecher Peter Mayer. Das liegt natürlich auch an der Jahreszeit. Für den Freiluftsport gäbe es auch ohne Corona bald schon "kein Training mehr", betont Mayer. Im November darf in Frankenbach aber noch gefahren werden. Die Einheiten am Dienstag und Mittwoch wurden Ende Oktober trotzdem eingestellt - wegen der Umstellung auf die Winterzeit war es zu dunkel geworden. Samstags wurde aber je nach Wettersituation weiterhin gefahren.
Was für die ambitionierte Jugend gänzlich anders verlief, waren die Rennen. "Es wurde alles abgesagt", erklärt Mayer. Gerade deshalb sei es dem Verein extrem wichtig, in der nächsten Saison nach Möglichkeit Juniorenveranstaltungen steigen zu lassen. Was die Mitglieder betrifft, zählt der MCC zu den Gewinnern. Statt Schwund gab es Wachstum. "Ich glaube aber nicht, dass das mit Corona zu tun hat. Diese erfreuliche Tendenz haben wir schon seit den vergangenen drei Jahren", so Peter Mayer.
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Eishockey: HEC hat keine Möglichkeit, neue Kinder zu gewinnen
Wenn Michael Rumrich aus seinem Büro auf die Eisfläche schaut, wird er traurig: "Wenn nicht gerade die Falken trainieren, steht die Halle 18 Stunden am Tag leer. Es ist eine Katastrophe", sagt der Geschäftsführer des Heilbronner EC. Morgens wären normalerweise Schulklassen auf dem Eis, später der Publikumslauf, nachmittags die Jugendmannschaften des HEC.
"Unsere Kinder haben von den Trainern Pläne fürs Heimtraining bekommen, aber das ersetzt natürlich nicht das Eistraining. Für viele wird es ein verlorenes Jahr werden, das sich nicht mehr aufholen lässt", sagt Rumrich. Der 55-Jährige hat zwar keine Sorge, dass der HEC viele Nachwuchsspieler verlieren könnte, da ja auch praktisch alle anderen Sportarten ruhen. "Wir haben aber auch keine Möglichkeit, neue Kinder für die Sportart zu gewinnen." Denn der sonst im Dezember und im März stattfindende "Kids Day" wird wohl ausfallen müssen. "Wir kämpfen jeden Tag, damit der Verein überlebt."
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Fußball: Hoffenheimer U17 und U19 zählen zum Spitzensport
Die Spieler der U 17- und U 19-Mannschaft der Akademie des Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim zählen per Definition zum Spitzensport. Daher kann hier ohne Beschränkungen hinsichtlich Kontakt oder Gruppengröße trainiert werden. Das gilt aber lediglich für den Trainingsbetrieb auf dem Platz. Alle weiteren Einschränkungen gelten in vollem Umfang: keine Nutzung von Umkleiden, Duschen, keine Eltern oder Zuschauer auf dem Gelände, keine Gruppen im Bustransfer. "Wir sind froh, dass wir in Abstimmung mit den zuständigen Behörden eine Regelung finden konnten, durch die unsere Mannschaften trainieren dürfen", sagt Marcus Mann, Leiter der TSG-Akademie. "Der Infektionsschutz steht selbstverständlich an erster Stelle, aber auch für die Gesundheit und die Zukunft der Spieler ist es wichtig, dass die Jungs im Training bleiben und ihrem zukünftigen Wunschberuf nachgehen können."
Die Mannschaften von der U16 bis zur U12 trainieren zwei- bis dreimal wöchentlich auf dem Platz und haben zudem eine bis zwei gemeinsame digitale Trainingseinheiten. Das Training auf dem Platz läuft als Kleingruppentraining in Schichten ab, wobei eine Gruppe aus zwei oder mehreren Spielern in jeweils eigenem Feld mit deutlichem Abstand zueinander besteht. Alle werden von einem Trainer außerhalb der Gruppe angeleitet. Sämtliche Übungsformen sind kontaktfrei.
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Schwimmen: Manche sind öfter als sonst im Aquatoll
"Es gibt ein Trainingsangebot für den Nachwuchs in einem Teilbereich", berichtet Christian Hirschmann, Trainer der Neckarsulmer Sport-Union. Möglich ist dies, da Neckarsulm als Olympiastützpunkt-Außenstelle auch den Status eines Landesstützpunkts inne hat. "Alle Sportler und Sportlerinnen der Landes- und Landesstützpunktkader dürfen trainieren. Es ist eine kleine, überschaubare Gruppe. Für alle anderen Jugendsportler findet kein Training statt." Natürlich gibt es aber auch für die Talente, die keinen Zugang zum Aquatoll-Sportbad haben, Übungsprogramme für das Landtraining daheim.
"Als Stützpunkt ist es ja auch gerade in so einer Phase unsere Aufgabe, ein Training anzubieten", macht Hirschmann deutlich. "Es gibt vereinzelt Kader-Sportler, die statt ein- oder zweimal jetzt drei-, viermal pro Woche nach Neckarsulm kommen, da es zu Hause keine Trainingsmöglichkeit mehr gibt. Wir haben vom Deutschen Schwimm-Verband wie auch vom Landes-Schwimmverband offiziell die Aufforderung erhalten, dieses anzubieten." Das Einzugsgebiet des Stützpunktes Neckarsulm erstreckt sich über den Landkreis Heilbronn hinaus bis nach Backnang und Schwäbisch Hall.
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Gewichtheben: Erster Lockdown hat fast alle vertrieben
Viel hat nicht gefehlt und der TSV Heinsheim hätte seine Jugendabteilung bereits nach dem ersten Lockdown dicht machen können. "Wir hatten massive Probleme, viele Jugendliche haben einfach nicht weitergemacht", sagt der technische Leiter Ralf Fein. Waren es zuvor noch 23 Kinder und Jugendliche, sind nach dem Lockdown noch drei junge Athleten übrig geblieben, eine davon war Natalie Fein, Tochter von Fein und Abteilungsleiterin Martina Dosquet. Das Problem war: Die jungen Heber mussten nach der langen Pause nahezu wieder bei null anfangen, sagt Dosquet. Die Technik bleibe zwar erhalten, aber die Muskulatur baut doch ab. "Und dann wieder mit zehn oder zwanzig Kilo anzufangen ist doch frustrierend." Nur die wenigsten hätten den Willen und Biss, sich da durchzukämpfen.
Die Heinsheimer waren gezwungen, die Nachwuchsabteilung fast von vorne aufzubauen, brachten es bald auf 14 Athleten. "Tendenz steigend", meint Dosquet. Dann kam der abermalige Lockdown. Ein Rückschlag. Nur Natalie Fein darf trainieren, als Landes-Kaderathletin ist es der 13-Jährigen erlaubt. Der Rest pausiert. Den Kindern Hanteln mit nach Hause zu geben, kam nicht infrage. Die Gefahr, falsch zu trainieren, ist zu groß. "Da muss jemand auf die Technik schauen", sagt Martina Dosquet.
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Golf: Auch Konditionstraininig in der Halle geht nicht
Turniere stehen keine mehr auf dem Plan, die Saison ist beendet - das wäre auch ohne Corona so. Golftraining im Winter heißt daher primär Techniktraining. Das gilt jedoch nur für Kinder und Jugendliche mit Kaderstatus. Wer seinen Schwung umstellt oder an Details feilt, hat nun Zeit dafür. "Das Training läuft aber nicht mehr in Kleingruppen", sagt Gerald Schleucher, Geschäftsführer des Golfclubs Heilbronn-Hohenlohe, "sondern in Einzelstunden."
Für alle anderen ist Pause angesagt, weil auch das Konditionstraining in der Halle in diesem Jahr nicht angeboten werden kann. Eigenengagement hingegen ist immer möglich. "Golf über Online-Module ist problematisch", sagt Gerald Schleucher. Wer hat schon einen solch großen Wintergarten, um ein paar Bälle zu schlagen?
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Tennis: In der Halle darf gespielt werden, aber nur zu zweit
Die Lage der Tennisclubs ist vertrackt. Denn grundsätzlich ist Tennis erlaubt, aufgrund der Witterungsverhältnisse aber nur noch in der Halle möglich. "Wir haben eine Drei-Feld-Halle, dürfen aber lediglich auf einem Platz spielen", sagt Zeljko Alviz, einer von drei Trainern beim TC Oberstenfeld. Es kann also nur Einzeltraining gegeben werden, was die Hallenbelegung reichlich kompliziert macht - der TCO hat etwa 330 Mitglieder, 115 davon sind Kinder und Jugendliche.
"Ambitionierte Kinder trainieren normalerweise dreimal die Woche, jetzt leider nur einmal", sagt Alviz, der aber schon mal auf eine Trainerstunde und somit auch Geld verzichtet, "damit Kinder mal wieder zu zweit gegeneinander spielen können". Sie seien froh, Sport machen zu können. Und so habe Tennis im ersten Lockdown profitiert, als das Spielen auf den Plätzen wieder erlaubt war, Fußball als auch Handball aber noch verboten waren. "Wir haben neue Kinder bekommen, die einen sportlichen Ausgleich suchen", freut sich Zeljko Alviz.
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Leichtathletik: Hürden und Hantelstangen zu Hause
Die Saison ist zwar beendet, doch der Trainingsbetrieb läuft bei der Neckarsulmer Sport-Union weiter. "Diesmal war der Lockdown angekündigt, daher hatten wir in den letzten Einheiten noch Zeit, den Jugendlichen Übungen für daheim zu zeigen", sagt Trainerin Kristina Frädrich, die zugleich den Regionalstützpunkt in Neckarsulm leitet. Darüber hinaus haben die Coaches Trainingsutensilien wie klappbare Hürden, Medizinbälle, Zugschlitten oder Hantelstangen verteilt. Diese haben die Mamas und Papas flugs im Kofferraum des Autos verstaut, damit sich der Nachwuchs auch zu Hause bewegt. Zwei Mal die Woche bieten die Neckarsulmer zudem online ein Workout mit Stabilitätsübungen oder Treppensprüngen an.
Sonntags werden die Trainingspläne für knapp 70 Athletinnen und Athleten in verschiedenen Gruppen versendet. "Das ist ein Riesenaufwand, dass alle etwas haben", sagt Kristina Frädrich. Doch: Kreativ sein lohnt sich. Um auch die jüngeren Kinder nicht zu verlieren, erhalten diese jetzt Online-Videos für eine Challenge - mit der Aufforderung, die Eingebnisse einzuschicken. Die Besten werden geehrt. Und doch bringt die aktuelle Situation auch Probleme mit sich. Da Kaderathleten trainieren dürfen, ist manches Geschwisterkind traurig, weil es seinem Hobby nicht in gewohntem Umfang nachgehen darf. Ein weiteres Problem: "Das Gemeinschaftsgefühl geht komplett verloren", sagt Kristina Frädrich.
Am Fuße des Heuchelberges sind in diesen Tagen immer wieder Leichtathleten des SV Leingarten zu beobachten, wie sie alleine oder zu zweit ihre Runden drehen. Auf Wegen. Im Stadion. "Zu zweit dürfen sie auf die Anlage", erklärt Abteilungsleiter Manfred Ballier, der die etwa 25 Kinder und Jugendlichen ab 12, 13 Jahren trainiert. Sonntagabends werden die (Außer-)Hausaufgaben verschickt, der Trainingsplan für draußen und drin. "Nee, Angst habe ich überhaupt nicht, dass wir Kinder verlieren könnten", sagt Ballier. "Nach dem ersten Lockdown war der Andrang im Training noch größer. Alle waren heiß darauf, sich wieder zu treffen, sind nach dem Training noch zusammengestanden." Einer fleißigen Mehrkämpferin hatte Ballier damals einen Speer und eine Kugel nach Hause geliefert. Die Athletin habe im Garten trainiert, sich gefilmt und die Videos ihrem Trainer geschickt. "So konnte ich sie korrigieren", sagt Manfred Ballier. Not macht erfinderisch.