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Eine kleine Turn-Fläche in Sontheim mit viel Raum für Bewegung

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Die Turn-Talentschule der TG Böckingen von Leiterin Annett Wiedemann ist seit Jahrzehnten Zuhause für motivierte Kinder und Freude an kunstvollen Bewegungen.

von Dominik Knobloch
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Annett Wiedemann kommt mit ihrer direkten Art gut an bei den Turn-Kindern. Foto: Mario Berger
Annett Wiedemann kommt mit ihrer direkten Art gut an bei den Turn-Kindern. Foto: Mario Berger  Foto: Berger, Mario

Die kräftige Frauen-Stimme hallt unüberhörbar an Barren, Reck und Balken vorbei. Selbst die vielen, gelben Schaumstoffschnitzel in der tiefen Sprunggrube und der dicke, gefederte Boden haben keine Chance, die klaren, kurzen Anweisungen zu verschlucken. „Es ist halt eine Turnhalle. Ich habe hier 15, 20 Kinder in einer Trainingseinheit zu betreuen – da kann ich nicht flüstern. Der Ton hat ja nichts damit zu tun, dass er unverschämt ist. Das Kind wird immer in seiner Persönlichkeit gewahrt, es ist lediglich eine Ansage“, sagt Annett Wiedemann. Und hier, im Sontheimer Leistungszentrum, der Turn-Talentschule der TG Böckingen, kommen die Ansagen der drahtigen 49-Jährigen an. Täglich. Seit nunmehr über 25 Jahren, ehe sie von Görlitz nach Heilbronn kam.

„Wir geben jedem die Möglichkeit, zu turnen. Ich bin offen für Athleten, die sich mit Talent in den Kaderbereich turnen möchten. Aber auch weniger talentierte Kinder, die einfach nur Bock auf Bewegung haben sind willkommen. Es gibt auch Kinder, die kommen nur zum Trainieren und gehen nie auf Wettkämpfe. Wir bieten alle die Fläche an und das ist mir auch wichtig. Kinder sind eigentlich immer für Bewegung zu haben und motiviert.“

Sorgenvoller Blick auf den Rückgang der Turnangebote im Unterland

Mit Sorge beobachtet Wiedemann den Rückgang der Turnangebote im Unterland: „Das ist im Rundumkreis ganz schwach. Und wir wollen ja nicht Kinderturnen mit langen Schlangen, sondern Kinderturnen im Bewegungszirkel. Die Kids sollen nicht stehen, sondern sich überall ausprobieren.“ Blickt die ehemalige Leistungsturnerin auf die gesamte Gesellschaft,   

85 Turnerinnen und Turner im Alter von drei bis 17 Jahren sind aktuell unter Annett Wiedemanns Leitung aktiv. „Wir fördern die Kinder auf allen Ebenen und ganzheitlich. Körperlich, geistige und dann auch noch in der Persönlichkeit. Sport macht selbstbewusster“, versichert die gelernte Erzieherin, die in der Halle nicht nur als Turntrainerin gefragt ist: „In der Erziehung kann man schon auch mal die ein oder anderen Eltern unterstützen.“ Und ein bisschen sind sie ja auch wie Wiedemanns eigene Kinder: „Ich habe die Kinder hier oft bis zu zehn Jahren in der Turnschule. Den typischen Trainerwechsel wie in anderen Vereinen haben wir hier nicht – natürlich kennst du die dann inn- und auswendig und baust eine tiefe Bindung auf.“

Leistungssportler trainiert im Minimalumfang 15 bis 17 Stunden die Woche

Gerade erst war Annett Wiedemann während ihres Urlaubs in Berlin. Und dort selbstredend mit ihren drei ehemaligen Turnschützlingen Milan Hosseini, Mika Wagner und Daniel Wörz, die sie auf dem Weg an den Olympiastützpunkt in der Hauptstadt begleitet hat, zum Essen verabredet. „Natürlich haben wir auch sonst regelmäßigen Austausch über Whatsapp“, sagt sie zu ihrem erfolgreichen Trio, dessen zweites Zuhause Jahre lang ihre Turnschule war. „Ein Leistungssportler trainiert im Minimalumfang 15 bis 17 Stunden die Woche. Und das ist viel neben der Schule außerhalb eines Internats. Die Kleinen trainieren drei, vier Mal die Woche eine bis eineinhalb Stunden.“

Viel Zeit, für den Annett Wiedemann gerne noch mehr angemessenen Raum hätte: „Ich könnte mir natürlich eine größere Turnhalle vorstellen. Für das, was wir hier mit diesem geringen Volumen an Geräten alles runterreißen, ist es einfach zu wenig. Wir haben keine Bodenfläche, kein Trampolin. Davon spreche ich seit über 15 Jahren.“

 

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Im eigenen Bereich viel bewegen

Ihre Leidenschaft raubt Wiedemann  dieses für sie leidige, noch immer ungelöste Dauerthema dennoch nicht. Auch außerhalb der Halle kann sie sich der Liebe für kindliche Bewegung nie entziehen, ist in ihrer Kita am Neckarbogen ebenfalls als Spezialistin für diesen Bereich engagiert. „Manchmal rette ich irgendwelche Kinder auf Spielplätzen und lade sie in meine Turnschule ein“, sagt Wiedemann und ihr stahlblauen Augen funkeln. Allerdings ist der Blick hin zu einer träger werdenden Gesellschaft abgeklärter geworden: „Früher, als man noch ganz viel Enthusiasmus hatte, da hat man sich noch überlegt, wie man alle in ein Boot holen könnte. Heute weiß ich, dass man das nicht hinbekommt. Ich kann nur in meinen Bereichen – in der Turnhalle, der Kita und privat – viel bewegen. Mehr kann ich nicht machen.“

Es ist bei weitem genug. Auf der kleinen, feinen Fläche, die Annett Wiedemann betraut ist ganz viel Raum für Bewegung.

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