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Wo Ernten erlaubt ist und wo es Mundraub bleibt

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Gelbe Bänder signalisieren, welche Bäume von den Besitzern zum Abernten freigegeben werden. Auch dabei gilt es Regeln zu beachten.

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Gelbe und weiße Bänder signalisieren in der Region, welche Bäume abgeerntet werden dürfen.  Foto: Tscherwitschke
Gelbe und weiße Bänder signalisieren in der Region, welche Bäume abgeerntet werden dürfen. Foto: Tscherwitschke  Foto: Tscherwitschke, Yvonne

Viele Bäume hängen über und über voller Früchte. Doch niemand ist da, der sie abernten will. Das gilt besonders in Jahren, in denen es nur wenig Geld für Mostobst gibt. Dem gegenüber stehen Menschen, die gerne einige Eimer Obst für Kuchen und Kompott oder für Saft hätten. Einfach so einen Baum schütteln, der am Straßenrand steht? Das ist gefährlich, da man nie weiß, wem er gehört. Und es ist Mundraub.

Problemlösung

Um das Dilemma zu lösen, haben sich verschiedne Kommunen schon was einfallen lassen. Mit Beginn der Apfelernte startet im Hohenlohekreis das Ernteprojekt „Gelbes Band“. Zum Auftakt trafen sich Wolfgang Eißen, zu dem Zeitpunkt Noch-Dezernent für ländlichen Raum im Landratsamt Hohenlohekreis, Kupferzells Bürgermeister Christoph Spieles, Landwirt Rudolf Deitigsmann, Fachwart Rolf Bauer vom Obst- und Gartenbauverein Kocher-Jagst und Monika Göltenboth vom Landwirtschaftsamt auf der Streuobstwiese von Rudolf Deitigsmann in Kupferzell, um dort Bäume für die freie Ernte zu markieren.

Markierung gibt Obst für Allgemeinheit frei

 Die Idee der Aktion ist, dass Obstwiesenbesitzer, die ihre Bäume nicht selbst abernten können, einen solchen Baum mit einem gelben Band markieren. Diese sind dann für die Allgemeinheit freigegeben und dürfen in haushaltsüblichen Mengen für den Eigenbedarf kostenlos abgeerntet werden.

Das „Gelbe Band“ bringt Anbieter und Abnehmer unkompliziert zusammen und trägt dazu bei, dass heimische Zwetschgen, Äpfel, Birnen und Quitten nicht verderben. „Von Seiten des Landratsamtes sind wir sehr froh, dass alle Kommunen bei diesem Ernteprojekt mitmachen“, freut sich Wolfgang Eißen. 

Landwirt bedauert, dass sich das "Streuobstgeschäft" nicht lohnt

Obst von Streuobstwiesen ist  gesund und trägt durch kurze Wege zum Verbraucher zum Klimaschutz bei. „Eine sinnvolle Verwertung des Obstes ist gut für unsere Streuobstbestände“, weiß Monika Göltenboth, Ansprechpartnerin für Streuobst beim Landwirtschaftsamt des Hohenlohekreises. „Wertschätzung ist die beste Garantie für den Erhalt unserer Streuobstbestände, welche wir dringend benötigen, um die Biodiversität in unserer Kulturlandschaft zu bewahren und zu fördern.“

Auch Rolf Bauer ist dies ein großes Anliegen. Der Fachwart des Obst- und Gartenbauvereins Kocher-Jagst pflegt ehrenamtlich zahlreiche Streuobstbäume der Gemeinde Kupferzell. Auch einige dieser Bäume werden eine Markierung mit dem „Gelben Band“ erhalten. 

Landwirt Rudolf Deitigsmann bedauert indes, dass sich das „Streuobstgeschäft“ nicht lohnt. „Mostobst muss besser bezahlt werden“, findet er. „Die Vergütung beim Abliefern deckt kaum die Unkosten, von einem vernünftigen Stundenlohn ganz zu schweigen.“ Deshalb verwertet die Familie Deitigsmann die Äpfel selbst als Tafelobst, für Most oder gibt die Äpfel als Saftlohnware im Lagerhaus ab.

Trotzdem findet ein gelbes Band den Weg an einen der Deitigsmannschen Apfelbäume – sehr zur Freude der Mitarbeiter des Landwirtschaftsamtes in Kupferzell, denn die Streuobstwiese liegt direkt gegenüber und beschert nun gesunde Pausenäpfel.
Beim Abernten sind drei Regeln zu beachten: Erstens: Es dürfen keine Äste abgebrochen oder Bäume beschädigt werden. Zweitens: Die Grundstücke dürfen nicht verschmutzt und müssen so wieder verlassen werden, wie sie angetroffen wurden. Drittens: Das Abernten auf den fremden Grundstücken geschieht auf eigene Gefahr.

In Eppingen ist die Markierung weiß

Nicht gelb, dafür weiß sind die Bänder in Eppingen. In Eppingen sind alle auf öffentlichem Grund stehenden Nutzgehölze zu Abernten  freigegeben, versichert Abteilungsleiter Tiefbau und Grünplanug im Eppinger Rathaus, Frank Edlinger. Nur seien bei weitem nicht alle Bäume gekennzeichnet. Die Fachwerkstadt nutzt ein weißes Band mit dem schwarzen Aufdruck „Ernten erwünscht  – Streuobstaktion Eppingen“.

Ins Leben gerufen wurde die Aktion 2019 und erfreut sich laut Edlinger immer noch guten Zuspruchs. jedenfalls was die kommunalen Bäume angeht. Die Idee, dass auch Privatleute ihre Bäume zur Verfügung stellen, wird dagegen kaum genutzt. In diesem Jahr seien keine Bändchen von Bürgern abgeholt worden, teilt die Stadt mit. 2019 und 2020 hatte die Stadt die Bändchen, die für den Einmalgebrauch zu wertig sind, nach der Ernte noch abgenommen, in diesem Jahr sind sie einfach drangeblieben.

Zu finden sind die markierten Bäume unter anderem an der Rappenauer Straße auf dem Grünstreifen zwischen der L 1110 und dem künftigen temporären Parkplatz der Gartenschau.
Es gebe immer wieder Anfragen, wo Bäume zum kostenlosen Abernten stehen, berichtet der Abteilungsleiter Grünplanung. Selbst für ein Exemplar, das auf dem künftigen Gartenschaugelände steht, habe es schon Bürgeranfragen gegeben.

Froh um Abnehmer 

Die Stadt ist laut Edlinger froh, wenn es für das kommunale Obst dankbare Abnehmer gibt. „Am schönsten ist es natürlich, wenn die Sachen verzehrt werden, aber selbst wenn die Äpfel am Ende nur als Pferdefutter dienen, ist es besser, als wenn sie ungenutzt verfaulen.“
Die Gemeinde Sulzfeld hat in diesem Jahr die Aktion „Gelbes Band: Hier darf geerntet werden“ ins Leben gerufen. Mitarbeiter des Bauhofs haben die Bänder entlang einiger Wanderwege an Nutzgehölzen befestigt, teilt Bürgermeisterin Sarina Pfründer mit. Auch ein Dutzend Bürger hätten im Bürgerbüro die kostenlosen Bänder abgeholt, um damit ihre privaten Obstbäume in für den Fruchtgenuss freizugeben.
Auch in der Stadt Bad Rappenau gibt es den Usus, kommunale Nutzgehölze für den privaten Bedarf kostenlos abernten zu lasen. Die Kurstadt arbeitet jedoch nicht mit Bändchen, sondern besprüht ihre Gehölze mit dem Stadtlogo.

 

 

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