Stimme+
Region
Lesezeichen setzen Merken

Klimawandel begegnen bedeutet, Nutzpflanzen fit für die Zukunft zu machen

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Auch Feigen zählen zwischenzeitlich zum Forschungsgegenstand der Experten bei der Versuchsanstalt für Wein- und Obstanbau in Weinsberg.

   | 
Lesezeit  3 Min

Nutzpflanzen mit einem hohen Wärmeanspruch gehören zu den Gewinnern der Klimaverschiebung, ist Dr. Franz Ruess, Abteilungsleiter an der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) in Weinsberg, überzeugt. Dazu zählen Süßkirschen, Wein- und Tafeltrauben, Birnen, Pfirsiche und Nektarinen, Walnuss, Edelkastanie sowie Minikiwis. „Es gibt keine obstbaulich oder weinbaulich genutzte Art, die deswegen verschwindet“, stellt der Forscher klar. Stattdessen werde das Portfolio erweitert.

Verschiebungen

Ruess, der Experte bei der Versuchsanstalt, erklärt, wie dem Klimawandel begegnet werden kann. Foto: Archiv/Veigel
Ruess, der Experte bei der Versuchsanstalt, erklärt, wie dem Klimawandel begegnet werden kann. Foto: Archiv/Veigel  Foto: Veigel, Andreas

Veränderungen durch den Klimawandel gibt es laut Ruess vor allem innerhalb derselben Art. Es komme zu Verschiebungen hin zu hitzeverträglichen Sorten, beziehungsweise Sorten mit einem längeren Vegetationsanspruch geben. Als Beispiel nennt Ruess der langsame Abschied von der Birnensorte Alexander Lucas bei gleichzeitiger Etablierung der Sorte Xenia.
Durch den allmählichen Anstieg der Temperatur-Jahresmittelwerte werde sich die Erntesaison innerhalb einer Art wesentlich erweitern. Füt den Verbraucher kündigt Ruess an: „Es gibt früher und länger frisches Obst.“ So werde sich die Apfelernte von Mitte Juli bis Anfang November ausdehnen. Dieser Trend werde durch Kulturverfahren zusätzlich verstärkt.

Experiment

Als Reaktion auf die Veränderungen des Klimas experimentieren die Forscher mit allen bereits etablierten Arten sowie deren klimaresistenteren Sorten. Aber auch Feige zähle mittlerweile zum Forschungsgegenstand. „Man sollte aber „die Kirche im Dorf lassen“, rät Ruess. „Wir haben jetzt das Klima des Italiens der 70er und 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts und dort baut man auch heute noch keine Bananen an.“ Die klassischen Obstkulturen würden uns also erhalten bleiben, prognostiziert der LVWO-Abteilungsleiter. Ein Grund dafür, dass sich Nutzpflanzen aus südlicheren Breitengraden nicht schlagartig in Mitteleuropa ausbreiten, sei die Gefahr durch Spätfröste, die sich nicht geändert habe. 

Gentechnik hilft nur begrenzt

Ob Gentechnik hilft, Nutzpflanzen gegen Trockenheit und Hitze besser zu wappnen? Ruess ist da vorsichtig: „Die Gentechnik wird uns hier nur begrenzt weiterhelfen können, weil sie nur wenige Aspekte der Klimaverschiebung beheben kann.“ Die Klimaverschiebung sei auch nicht eindimensional, sondern mache sich in mehreren unterschiedlichen Faktoren bemerkbar, auf die die Landwirtschaft reagieren müsse. „Plötzlich tauchen ganz neue Schaderreger auf, an die man bei der Gentransformation der Ursprungspflanze gar nicht gedacht hat, beziehungsweise man kannte sie nicht einmal.“
Selektion In der klassischen Züchtung werde durch die Vielzahl der Nachkommen eine Selektion auch nach sich verändernden Kriterien ermöglicht. Eine Population von Nachkommen habe eine viel höhere genetische Variabilität, aus der die Evolution sich die passenden Genotypen für ein neues Klima aussuche. Als Beispiel nennt der Forscher die natürliche Waldverjüngung.

Welche Exoten gibt es hier?

In der Region sorgt der Klimawandel dafür, dass Nutzpflanzen, die sonst nicht hier gedeihen, eine Chance haben, sich zu etablieren. Einige der neuen Arten lieben Wärme und Trockenheit, wie in Zukunft häufiger zu erwarten. Andere mögen es weiterhin kühl, wie der erste Kandidat.

Aroniabeere

In Obersulm gedeihen Aroniabeeren. Foto: Archiv/Berger
In Obersulm gedeihen Aroniabeeren. Foto: Archiv/Berger  Foto: Berger, Mario

Der Klimawandel hin zu höheren Temperaturen ist nicht das, was die Aroniabeere mag. Das Superfood, das geschmacklich an Heidelbeeren erinnert, mag die Bedingungen des Klimas aus Nord - und Mitteleuropa. Auch rau und kalt darf es sein. Trockene Hitze dagegen ist ungünstig. Deshalb braucht der Strauch hier viel Pflege und eine solide Grundfeuchtigkeit. Ab März treiben die Blüten. Geerntet wird ab August bis Mitte September. Die Pflanzen sind extrem winterhart. Schon im Herbst 2017 haben Ulrich Dierolf, Nico Knapp und Wilhelm Kuntz 7000 Arioniasträucher in Willsbach gepflanzt. Aus Neugier, wie sie sagten, um etwas Neues auszuprobieren.

Mini-Kiwis

Mini-Kiwis gefällt das milde Weinbauklima, wie es auch Kochersteinsfeld herrscht. Foto: Archiv
Mini-Kiwis gefällt das milde Weinbauklima, wie es auch Kochersteinsfeld herrscht. Foto: Archiv  Foto: Archiv

Seit 2013 gibt es Mini-Kiwis auf dem Obsthof Ehrenfeld in Kochersteinsfeld. Ehrenfelds bauen auch Grünspargel und Obst wie Äpfel an und verkaufen die Produkte im eigenen Hofladen. Die Kiwi ist eine Vitaminbombe. Mini-Kiwis werden mit der Schale gegessen. Kiwis wurden anfangs als „Chinesische Stachelbeere“ bezeichnet. Noch heute kommt ein Großteil der Produktion aus China, aber auch aus Italien und Neuseeland kommt ein Großteil der Ernte. Kiwis mögen es warm, sind frostempfindlich. Der Anbau der großfruchtigen Kiwis gelingt in Weinbauregionen. Mit regenreichen Sommern kommen die Pflanzen gut zurecht.

Kichererbsen

Kichererbsen werden immer populärer. Foto: Kühl
Kichererbsen werden immer populärer. Foto: Kühl

Kichererbsen sind in der Region die absoluten Beginner. Im Heilbronner Land haben sich die Landwirtschaftsbetriebe Kerner in Erlenbach, Läpple in Ilsfeld und Rukwied in Eberstadt zur „Kichererbsenbande“ zusammengeschlossen.. Sie haben in dieser Saison die erste Ernte eingefahren. Die aus dem Mittleren Osten stammende Pflanze verträgt Wärme und kommt auch mit weniger Niederschlägen aus. Die Pflanze bildet nämlich eine tiefe Pfahlwurzel aus. Die sorgt dafür, dass die Pflanze auch auch tiefer liegende Wasserreserven im Boden erreicht. Aus Kichererbsen kann man zum Beispiel Falafel und Hummus herstellen.

Soja

Sojabohnen wachsen großflächig im Kraichgau. Foto: Kühl
Sojabohnen wachsen großflächig im Kraichgau. Foto: Kühl

Sojabohnen werden schon seit tausenden von Jahren in Asien angebaut. Gemessen daran ist die Zeitspanne, in der die Nutzpflanze auch hierzulande etabliert wird, gering. Eines der ersten Anbaugebiete im Südwesten ist der Kraichgau. Hier startete der Versuchsanbau 2012. 2018 wurden hier schon 1050 Hektar mit Soja kultiviert. Aktuell liegt die Anbaufläche für Soja im Kraichgau bei 1500 Hektar. Die ölhaltige Pflanze wird hierzulande vor allem für Mischfutter verwendet. In Bioqualität angeliefert, finden sich auch einzelne Abnehmer, die die Bohnen zur Herstellung von Tofuprodukten verwenden. Der Anbau der Nutzpflanze wird durch das Umwelt-Förderprogramm „Fakt“ unterstützt. 

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben