Handel im Wandel
Corona war nur der Beschleuniger: Handelsunternehmen müssen sich mit einem veränderten Kundenverhalten auseinandersetzen.

Als in den ersten Wochen die dringende Empfehlung, ja fast schon der Befehl erging, nicht mehr bar, sondern mit Karte zu zahlen, war offensichtlich: In Deutschland gehen die Uhren im Handel immer noch anders. In Schweden, Dänemark oder Estland ist Zahlen mit Karte Alltag, in Frankreich setzen die Kunden seit Jahrzehnten Schecks ein, in China ist Wechat der Standard und in den USA zücken sie die Kreditkarte. Nur der deutschsprachige Raum - vor allem Deutschland, Österreich und die Schweiz – hält überwiegend an der Barzahlung fest.
Deutsche zahlen weiter gerne bar
Das hat sich seit Corona zwar ein wenig verändert, aber ein massiver Trend ist nicht daraus geworden. So sehr die möglichen Zahlmethoden ausgebaut, mit Funkchips in Geldkarten und Apps im Smartphone noch mehr erleichtert werden – grundsätzlich zahlen viele weiterhin gerne bar, insbesondere kleine Beträge.
Immerhin: Nach einer Umfrage der Postbank von Anfang Juli zahlen inzwischen 56 Prozent der Kunden bargeldlos, vor einem Jahr waren es noch 47 Prozent. 39 Prozent derjenigen, die per Smartphone bezahlen, und 47 Prozent der Kartennutzer gaben an, sie wollten damit auch erreichen, dass sie angesichts der Pandemie weniger mit Scheinen und Münzen hantieren.
Das Leid der einen führt zum Boom der anderen
Doch dafür müssen die Kunden erst einmal in den Laden kommen. Während die sogenannten systemrelevanten Händler, von Apotheken über Drogerien bis zu Lebensmittelegschäften, gute Geschäfte machten, waren andere teilweise monatelang geschlossen. Das führte dazu, dass die Deutschen den Onlinehandel noch stärker für sich entdeckt haben.
Reine Internethändler wie Amazon, Otto, Zalando, Aboutyou oder Mytoys boomen – zumal die analoge Konkurrenz verrammelt war. Hinzu kommen die Onlinekanäle der stationären Handelsriesen.
Klare Worte des Intersport-Chefs

Entsprechend zürnte Intersport-Vorstand Alexander von Preen im April im Stimme-Interview: „Alles, was einigermaßen modisch angehaucht ist, wird in der nächsten Saison sicher nicht zum Ursprungspreis verkauft werden können.“ Der Onlinehandel macht bei Intersport immer noch nur einen geringen Umsatzanteil aus. Durch Corona verdoppelte er sich aber von 50 auf 100 Millionen Euro, die über das Portal intersport.de erzielt wurden.
Handelsketten aus dem Lebensmittel- und Drogeriebereich bieten aber schon seit den ersten Schließungen vor einem Jahr Sortimente wie Kleidung, Sportartikel oder Spielwaren an. Für von Preen eine klare Ungleichbehandlung. Mindestens, so fordert er, müssten auch jene Unternehmen, die noch geöffnet haben, auf den Verkauf dieser Waren verzichten.
Selbst ist der Kunde
Unterdessen experimentieren die Händler weiter. Bei Edeka Ueltzhöfer wurden inzwischen in allen sechs Filialen Kassenautomaten eingeführt, an denen die Kunden bei Barzahlung das Geld in Schlitze eingeben und das Wechselgeld ausgespuckt bekommen. Etwa früher hatte bereits der Möbel-Discounter Poco diese Systeme im Einsatz.
Auch Selbstscannen ist immer häufiger anzutreffen. Erst war es bei Ikea möglich, nun ist auch Ueltzhöfer aufgesprungen. Während aber beim schwedischen Möbelhaus die Nutzung schon recht gut ist, scheinen im Lebensmittelhandel viele noch davor zurückschrecken und reihen sich lieber an der üblichen Kassenschlange ein.

Pilotprojekt auf dem Bildungscampus
Die Schwarz-Gruppe geht unterdessen zusammen mit der DHBW Heilbronn schon den nächsten Schritt: seit einigen Monaten testet sie die Pilot-Shops mit dem Titel „Shopbox“ und „Collectbox“. Bei Shopbox müssen sich die Kunden registrieren, betreten den Laden, nehmen aus den Regalen, was sie benötigen, und checken aus.
Bei Collectbox geht die Bestellung online ein, wird automatisch zusammengestellt und kann anschließend an der Station abgeholt werden. Noch sind die beiden Angebote aber nur am Pilotstandort, dem Bildungscampus Heilbronn, für die dortigen Studenten und Mitarbeiter zugänglich.