Neun Blickwinkel der Sportredaktion
Ein bewegtes Jahr geht zu Ende: Die Redakteure haben ihre Lieblingsfotos ausgesucht und ganz persönliche Anekdoten aus dem Jahr 2021 aufgeschrieben.
Zwei Zeitzonen
Von Stefanie Wahl
Mit dem Sandmännchen schlafengehen? Diese Zeiten sind nun wirklich vorbei. Denkste! Olympische Spiele in Tokio machen es möglich. Aber nur, wenn alles optimal läuft. Kein Scherz! Einmal haut es hin, am Schlusstag. Ende gut, alles gut - oder so ähnlich. In zwei Zeitzonen zu leben, ist anstrengend. Gehörig. In Deutschland am Schreibtisch sitzen, aber von den olympischen Wettkämpfen in Japan berichten, klappt rein technisch brilliant. Die Olympia-Akkreditierung ist der Schlüssel ins Reich der tausend Zahlen, internationalen Bilder und Stimmen. Anders agieren die wenigen Kollegen vor Ort - dank Corona - auch nicht.
Zwei Bildschirme erleichtern die Entscheidung, welche Sportart gerade spannend ist. Beide. Der Rest? Organisiert. Die regionalen Asse schicken professionell-zuverlässig ihre WhatsApp-Sprachnachrichten. Wo also liegt das Problem? Wie so oft, im Alltag. Das Kind hat Hunger, obwohl der Text noch nicht fertig ist, der Postbote braucht mitten im Finale eine Unterschrift - und um Mitternacht klingelt der Wecker, weil der nächste Olympia-Tag losgeht. Fazit nach mehr als zwei Wochen Tokio ohne Flug nach Tokio: viel zu wenig bewegt, viel zu ungesund gegessen, viel zu wenig geschlafen. Halt! Am Finaltag fliegt der Sandmann mit dem Helikopter und mir davon. 13 Stunden später sind die Spiele in Japan Vergangenheit. Wie schön sie doch waren.
Harte Landung
Von Stephan Sonntag

Am letzten Urlaubstag in Sölden musste ich es probieren - zwar mangelhaft ausgerüstet ohne Protektoren, mit einem Touren-Mountainbike, schlichtem Fahrradhelm und praktisch null Erfahrung - wagte ich mich auf den 16 Kilometer langen Downhill-Trail vom Giggijoch herunter.
Lange ging alles gut, doch kurz vorm Ende erwischte es mich: Auf einem eher flachen Abschnitt (siehe Kreuz) verriss es mir den Lenker und ich schlug hart auf die Piste. Mit Prellungen und blutigem Knie kam ich glimpflich davon. Und ich will 2022 unbedingt wieder!
Aus, Aus, das Jahr ist aus
Von Andreas Öhlschläger

Ein Jahr zum Vergessen, wieder eines. Corona-Krise hier, Pandemie-Normalität dort - Spaß an irgendwas? Fehlanzeige. Man könnte nun angelehnt an Herbert Zimmermanns legendäre Radioreportage vom WM-Endspiel der Fußballer 1954 rufen: Aus, aus, aus, aus! Das Jahr ist aus. Aber was brächte es?
2022 wird nicht besser werden als 2021 und 2020. Ein Jahr zum Vergessen, noch eines. Also: Weg mit den Erinnerungen, weg mit irgendwelchen freudigen Erwartungen. Herbei ihr grauen Nebelschleier des Vergessens und Verdrängens.
Nach oben schauen
Von Dominik Knobloch

Bei den Weinsberger Oberliga-Handballern ging der Blick in dieser Saison schon früh nach oben. Nach 22 Minuten des zweiten Spieltags starrten alle an die Decke der Weibertreuhalle. Weil die Verglasung des Dachs dem Starkregen nicht mehr richtig Stand hielt, Wasser aufs Spielfeld tropfte und die Schiedsrichter unterbrechen mussten.
Der Hallenmeister des TSV bekam das Problem gerade so in den Griff, Weinsberg den ersten Sieg in trockene Tücher. Nach acht weiteren Erfolgen schaut der TSV nun als Tabellenführer nach oben.
Grußbotschaften
Von Florian Huber

Christian Eriksen erleidet am zweiten Turniertag auf dem Feld des Parken-Stadions einen Herzstillstand. Die Fußball-EM? Völlig unwichtig. Am Ofelia-Platz in Kopenhagen hinterlassen Fans Genesungswünsche. Der 29-Jährige liegt im Hospital in Hörweite, als die Dänen fünf Tage später gegen Belgien verlieren.
So laut, so intensiv hat sich für mich noch nie ein Fußballspiel angehört und angefühlt. Emotional überfrachtet verlieren die Dänen mit 1:2. Sie erreichen trotzdem das Halbfinale und werden zu Europas Sommer-Lieblingen.
Re-Start mit Pokalfinale
Von Martin Peter
Manchmal sind es eben die einfachen Dinge, die das Leben zu einem Fest machen. Im Sommer "21 brauchte es nicht viel, um die Menschen glücklich zu machen. So war es ein Gefühl von zurückgewonnener Freiheit, als auch auf unterster Ebene wieder der Fußball nach der zweiten abgebrochenen Saison in Folge und einem langen Lockdown an Fahrt aufnahm. Dass nach den Irrungen und Wirrungen der Vormonate nicht alles normal ist, spürten die Beobachter schnell: Gleich zu Saisonbeginn, die Vorbereitung hatte kaum begonnen, wurde es bereits ernst. Im Kreis Sinsheim wartete der Pokal auf die Kicker. Und zwar nicht wie üblich die ersten beiden Runden, sondern sofort Viertelfinale, Halbfinale und Finale.
Lauter Highlights zum Re-Start für die, die mit am meisten gelitten hatten: die Amateure. Und mit ihnen die Fans. Die Plätze waren wieder voller Leute, als wäre nichts gewesen. Corona: war gestern. Jetzt war Sommer, Fußball, draußen sein, Freiheit. So war das Pokalfinale Ende Juli nicht nur das erste Highlight seit Ewigkeiten, sondern ein Abschluss der alten Saison. Am besten: überhaupt alles Alten. Und dass mit dem VfB Eppingen II und dem TSV Ittlingen die beiden Finalisten von vor 50 Jahren aufeinandertrafen, passte. Jedoch war es am Ende nur für Sieger Eppingen ein Fest. Inzwischen ist der Sommer nur noch eine Erinnerung. Und Beweis, dass auch einfache Dinge glücklich machen.
Bronze für ewigen Fünften
Von Alexander Bertok

Am 24. April 2021 war es endlich soweit. Eduard Popp, der ewige Fünfte gewann seine erste Medaille auf einer internationalen Meisterschaft. Es war die EM in Warschau bei der sich der 130-Kilo-Mann im griechisch-römischen Stil Bronze um den Hals hängen durfte.
Das Jubelfoto zeigt den Schwergewichtler im emotionalen Ausnahmezustand. In den Jahren zur war das Eigengewächs der Red Devils Heilbronn dreimal WM-Fünfter (2014, 2018 und 2019) sowie je einmal Olympia- (2016) und EM-Fünfter (2016) geworden.
Blutiges Team(s)building
Von Lars Müller-Appenzeller
Wenn es beim Blutspenden klingelt, ist das ein gutes Zeichen: Beutel voll, Feierabend. Das Klingeln am 3. Dezember war anders, der Anfang eines intensiven Freitagabends: Am Handy ist ein Kollege, der mitteilt, dass wegen der Rechtsunsicherheit um die neue Coronaverordnung der Amateurhandball den Spielbetrieb sofort einstellt. Wenig später folgt der Amateurfußball. Mit anderen Worten: Auf drei Seiten steht ziemlich viel Blödsinn, geht es um Vorschauen auf Spiele, die nicht wie geplant stattfinden. Der Spätdienst muss zudem einen Text zum Auswärtsspiel der Heilbronner Falken fabrizieren, die Fußball-Bundesliga sowie den Davis-Cup im Auge behalten. Klarer Fall: Dem Mann muss geholfen werden - gleich nach dem Ende der Blutspende.
Und so klinkt sich die halbe Sportredaktion zu Hause aus dem Feierabend ein. Unaufgefordert. Pflichtbewusst. Seite für Seite wird neu gebaut, Text für Text umgeschrieben und auf www.stimme.de gestellt, die Lage kommentiert. Permanenter Austausch über Teams. Ein Rädchen greift ins andere. Es ist perfektes mobiles Arbeiten. Unter Zeitdruck. Alles wird rechtzeitig fertig, es ist ein Hochgefühl entstanden. Blutspender kennen das. Doch dieser Aderlass fühlt sich anders an, dieser Freitagabend bleibt in Erinnerung. Als blutiges Team(s)building - Wiederholung allerdings ausdrücklich unerwünscht.
Paparazzi gibt es überall
Von Marc Schmerbeck
Die Welt ist klein. Irgendwo im Nirgendwo. Auf einer kleinen Insel im Indischen Ozean. Der Blick richtet sich auf das türkisblaue Meer, eine leichte Brise weht, der Kaffee - übrigens ein guter - steht auf dem Tisch der Strandbar. Eine kurze, gemütliche Auszeit. Doch dann schleicht sich jemand um die nächste Palme. Mit dem Handy in der Hand. Die Kamera auf den Tisch gerichtet. Aufnahmebereit. Aber warum sollte jemand diese Szene unbedingt fotografieren wollen. Mit mir als Hauptmotiv? So interessant und außergewöhnlich war das alles nicht. Idyllisch ja. Ruhig ja. Aber mehr auch nicht. Also Augen auf. Den vermeintlichen Paparazzo fokussiert und festgestellt: Es ist Ralf Bantel, der Vorsitzenden des Fußballbezirks Hohenlohe. Mit seiner Frau nahm er sich zufällig zur gleichen Zeit am gleichen Ort eine Auszeit.
Und da auch er nicht sofort an den Zufall glauben wollte, tarnte er sich zunächst eben als fotografierender Tourist, was uns beiden schließlich ein lautes, herzliches Lachen entlockte. Es folgte ein kurzer Austausch, der dann doch noch bei der geplanten Strukturreform des Württembergischen Fußballverbandes landete. Aber nur ganz kurz. Schließlich soll der Insel-Besuch eine Auszeit sein. Bei den nächsten kurzen Begegnungen werden (Hohenloher) Fußball und ähnliche Themen ausgeklammert. Und so bleiben zwei Erkenntnisse: Die Welt ist wirklich klein und Paparazzi gibt es überall.