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Ein neues Knie oder eine neue Hüfte bringen Lebensqualität zurück

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Mensch, beweg dich – das ist leichter gesagt als getan, wenn Bewegung Pein und Schmerz verursacht. Ein Ersatzteil kann die Lebensqualität zurückbringen: Endoprothesen für Knie oder Hüfte sind häufig die letzte, aber auch eine erfolgversprechende Option.

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Rund 450.000 künstliche Gelenke werden jedes Jahr in Deutschland eingesetzt - moderne Implantate können die Mobilität wieder herstellen. Foto: Monstar Studio/stock.adobe.com
Rund 450.000 künstliche Gelenke werden jedes Jahr in Deutschland eingesetzt - moderne Implantate können die Mobilität wieder herstellen. Foto: Monstar Studio/stock.adobe.com  Foto: Monstar Studio/stock.adobe.com

„Unter Arthrose versteht man die krankhafte Zerstörung eines Gelenks“, erklärt Clarius. Häufig wird auch von Gelenkverschleiß gesprochen – die schützende Knorpelschicht auf den Knochenenden hat sich abgenutzt und abgeschliffen. „Ein isolierter Knorpelschaden allein wäre eventuell reparabel“, sagt der Orthopäde, eine Arthrose sei es dagegen nicht.

Denn dann haben beide Knochenenden im Gelenk massive Knorpelschäden und reiben ungeschützt aufeinander. Es kommt zu einer Entzündung der Gelenkhaut, die die Gelenkkapsel auskleidet, auch die Bänder können in Mitleidenschaft gezogen werden.

Arthrose ist nicht nur eine Krankheit des Alters

Generell gilt Arthrose als Krankheit des Alters, aber auch Jüngere können betroffen sein. Ursache kann eine Stoffwechselkrankheit wie etwa Gicht sein, manchmal ist der Verschleiß auch auf angeborene Fehlstellungen oder Unfälle zurückzuführen. Dank besserer Medikamente erfreulicherweise zurückgegangen sei die Zahl der Patienten mit rheumatischer Grunderkrankung.

Tritt Arthrose in der Familie gehäuft auf, könne auch eine genetische Disposition zugrunde liegen. Sehr oft aber gehe es um Überlastung und Übergewicht: „Kraft pro Fläche ist gleich Druck“, erklärt der Klinikchef.

Verlauf der Erkrankung ist nicht vorhersehbar

Wie sich eine Arthrose entwickelt, sei nicht vorhersehbar. „Da ist keine Prognose möglich, dafür habe ich schon zu viel gesehen in meinem Leben“, erzählt Clarius: Hüftgelenke, die binnen Tagen dahinschmelzen, ebenso wie marode Knie, auf denen der Betroffene noch jahrelang läuft.

Wer als Patient in die Vulpius-Klinik kommt, hat schon eine Vorgeschichte. Dafür sorgt der sogenannte Facharzt-Filter, denn Voraussetzung für einen Termin in der Sprechstunde der Spezialklinik ist eine Überweisung vom Orthopäden. Sie soll sicherstellen, dass konservative Behandlungsmöglichkeiten bereits ausgeschöpft wurden.

Der richtige Zeitpunkt für eine OP hängt auch vom Leidensdruck ab

Aber wann ist der richtige Zeitpunkt für ein neues Gelenk gekommen? „Wenn der Patient noch überlegt, dann hat er noch Zeit. Er muss Leidensdruck mitbringen. Und der klinische Befund und die röntgenologischen Veränderungen müssen damit im Einklang stehen“, betont Clarius. Manchmal sieht das Röntgenbild gar nicht so schlimm aus. Doch das Schmerzempfinden ist individuell, und mitunter spielen auch psychische Zustände eine Rolle.

„Für den Endoprothetiker ist die Indikationsstellung das Geheimnis“, weiß der Chefarzt. Immer stelle sich die Frage: „Profitiert der Patient von dem Eingriff?“ Wer schlimme Schmerzen, aber wenig Arthrose habe, dem nutze die OP eher wenig.

Je mehr Erfahrung das Team hat, desto geringer ist das Risiko

Bei mehr als der Hälfte der Menschen, die unter Arthrose leiden, ist das Knie, bei einem Viertel die Hüfte betroffen. Daraus resultiert eine Vielzahl von operativen Eingriffen bei diesen Gelenken. Die Endoprothetik kann deshalb auf viele Standards zurückgreifen. Je mehr Erfahrungen im OP-Team vorliegen, desto geringer sei das Risiko für Komplikationen, betont Clarius. Das betreffe die Operationstechnik ebenso wie das Material: „Wir sind große Freunde davon, dass man bewährte Implantate einsetzt.“

Die „bahnbrechende Neuerung“ der vergangenen zehn Jahre in der Endoprothetik habe sich außerhalb des Operationssaals vollzogen: die perfekte Vorbereitung des Patienten sowie die schnelle Mobilisation nach dem Eingriff. Wer morgens operiert wird, steht mittags schon wieder auf den Beinen – örtliche Betäubung macht es möglich. Es gibt keine Schläuche mehr und keine Infusionsnadeln. Inzwischen ist längst erwiesen: Bettruhe schadet nur und verzögert den Heilungsverlauf.

Extrem hohe Patientenzufriedenheit nach Gelenkersatz für die Hüfte 

Die Endoprothese der Hüfte sei „die erfolgreichste Operation in der Chirurgie“. Die Patientenzufriedenheit nach dem Eingriff liege mit 95 Prozent „extrem hoch“, sagt Clarius. Ersetzt wird das komplette Gelenk mit Pfanne und Schaft, um so das Drehzentrum in der Hüfte zu rekonstruieren. „Wir sind ganz nah am natürlichen Gelenk“, lobt der Orthopäde die modernen Prothesen. Der Eingriff erfolgt heute minimalinvasiv von vorn. Das schont Muskeln, Nerven und anderes Gewebe und reduziert auch den Blutverlust deutlich.

Professor Michael Clarius, Chefarzt der Bad Rappenauer Vulpius-Klinik, verantwortet mit seinem Team jeweils rund 1000 Knie- und Hüftgelenks-Operationen im Jahr. Foto: privat
Professor Michael Clarius, Chefarzt der Bad Rappenauer Vulpius-Klinik, verantwortet mit seinem Team jeweils rund 1000 Knie- und Hüftgelenks-Operationen im Jahr. Foto: privat  Foto: Fotostudio M42 ThomasFrank+Katja

Beim Kniegelenk gibt es mehrere Möglichkeiten. „Ganz häufig ist die Arthrose auf bestimmte Abschnitte beschränkt“, erklärt der Chefarzt. In den allermeisten Fällen liegt eine innenseitige Arthrose des Kniegelenkes vor, die in Form von zunehmenden O-Beinen sichtbar wird. Seltener ist die außenseitige Kniearthrose, die sich dann in X-Beinen zeigt. Sind die stabilisierenden Bänder intakt, kommt in solchen Fällen häufig eine Teilprothese, der sogenannte Schlitten, ins Spiel. Diese Operation ist sehr erfolgreich, „die Beweglichkeit und das Empfinden der Patienten im Anschluss sind sehr gut“.

Grundsätzlich sei diese Prothese in der Lage, normales Gehen zu ermöglichen – was bei größeren Ersatzteilen schwierig werden kann. Je nach Ausmaß der Zerstörung reicht die Bandbreite bei Vollprothesen von einer Art Überkronung der Knochen bis hin zum totalen Ersatz von Ober- oder Unterschenkelknochen.

Jede Operation birgt Risiken

Wie jede andere Operation auch birgt der Gelenkersatz eine Reihe von allgemeinen Risiken wie Thrombosen oder Lungenembolie. „Das Infektionsrisiko im orthopädischen Bereich liegt weltweit bei einem Prozent.“ Zur Risikogruppe zählen die „drei Klassiker“, so Clarius: Patienten mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 40 und darüber sowie Raucher und Diabetiker. „Wir raten vor einer geplanten Operation auch dazu, den Zahnstatus überprüfen zu lassen, um Infektionsquellen etwa durch Parodontose auszuschließen.“

Die Erwartungen, die die Patienten mit der OP verbinden, sind oft hoch gesteckt. „Wir müssen das in Einklang bringen: Was wollen Sie – und was ist möglich.“ Primäre Ziele seien immer die Schmerzreduktion und die Wiederherstellung der Mobilität, betont der Chefarzt, „aber nicht der Marathonlauf“. Deshalb gelte es, im Vorfeld umfassend zu beraten und aufzuklären: „Dafür nehmen wir uns unglaublich viel Zeit.“ Nicht zuletzt kommt es schließlich auch auf die Mitarbeit des Patienten an, sagt Clarius: „Motivation, Körpergefühl und Muskulatur kann ich nicht hinoperieren.“

Gelenkersatz hält häufig mehr als 15 Jahre

Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass ein Kunstgelenk nach 15 Jahren ausgewechselt werden muss. „Etablierte Verfahren funktionieren nach 15 Jahren noch bei 90 Prozent der Patienten“, stellt Professor Michael Clarius klar. „Bei einem Teilgelenk werden im Verlauf von 25 Jahren zehn Prozent der Betroffenen erneut operiert.“

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