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Technik, die begeistert: So werden die deutsche Asse in Peking unterstützt

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Bob-Simulator, Fahrlinienanalyse im Rodeln, Ablaufen der olympischen Loipen mit 3D-Brille: Technisch ist (fast) nichts mehr unmöglich.

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Machen gemeinsame Sache: IAT-Fachgruppenleiter Sören Müller (links) mit Skisprungbundestrainer Stefan Horngacher bei der Sprungauswertung.
Foto: IAT
Machen gemeinsame Sache: IAT-Fachgruppenleiter Sören Müller (links) mit Skisprungbundestrainer Stefan Horngacher bei der Sprungauswertung. Foto: IAT  Foto: IAT

Technik, die begeistert: Julian von Schleinitz hat schon früher gerne getüftelt, mit Georg Hackl und Felix Loch über die Technik rund ums Rodeln gefachsimpelt, wie der ehemalige Juniorenweltmeister erzählt: "Wir hatten immer viele Ideen, aber damals nicht die Mittel." Die Zeiten haben sich geändert: Wenn die 149 deutsche Athletinnen und Athleten vom 4. Februar an bei den Olympischen Spielen in Peking um Medaillen kämpfen, steckt da so viel technische Unterstützung hinter wie noch nie.

Das Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) in Leipzig macht seit Jahrzehnten die besten deutschen Sportler noch besser. Zum Beispiel die Biathleten mit Analysen der Trefferleistung am Schießstand und der Schrittstruktur auf der Loipe. Oder hilft den Skispringern mittels Einlegesohlen, die über 16 Drucksensoren verfügen, auf der Suche nach dem perfekten Absprung. Ja, die Mittel sind entscheidend, vordergründig das Geld. Aber auch das Know-how, neue technische Möglichkeiten: Ein weltweit einmaliger High-Tech-Simulator macht es möglich, dass die deutschen Bob-Asse in München selbst die neue Bahn von Peking hinunterfahren können.

Bei BMW wurde Auto gegen Bob getauscht

"Wenn der Bob in der Simulation gegen die Bande fährt, wirkt die gleiche Kraft wie in der Realität", sagt Julian von Schleinitz, der mittlerweile 30 Jahre alt ist und von Beruf Data Scientist bei der BMW Group. Der Automobilhersteller ist seit Jahren Technologiepartner des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland (BSD) und hat in seinem Simulator Auto gegen Bob getauscht. Im November wurde eifrig trainiert. Von Schleinitz, Projektleiter BMW-BSD-Technologietransfer, sagt stolz: "Wir haben die Bahn sehr gut getroffen."

Francesco Friedrich nickt und meint über die perfekte Illusion: "Es sieht wirklich so aus, als ob ich mit meinem Bob da runterfahren würde. Dank des Simulators kennt man sich gleich aus. Das hat uns einen Vorteil verschafft." Weil der Goldkandidat im Zweier und Vierer als auch seine Kollegen bei den begrenzten realen Testfahrten einen Schritt weiter waren als die Konkurrenz - Vorsprung durch Technik.

Georg Hackls Rodelakademie

Profitieren vom kleinen Technologiewunder, das neben der chinesischen Olympiabahn auch den Eiskanal am Königssee simulieren kann, auch die Skeletoni und Rodler? Nein, einen Skeleton-Schlitten oder Rodel auf den Simulator zu bringen sei deutlich schwieriger, "aber möglich", sagt Julian von Schleinitz. Wobei BMW seit 2016 mit den Rodlern ein anderes Projekt vorantreibt. "BMW-Rodelakademie" hat Georg Hackl, Trainer für Fahr- und Schlittentechnik der deutschen Rodler, das Projekt getauft. So hat Weltcup-Gesamtsieger Johannes Ludwig bei Testfahrten viel Messtechnik in seinen Schlitten verbaut, ebenso die Doppelsitzer Tobias Wendl/Tobias Arlt und Felix Loch - da ist es wieder vereint, das Technik-Trio Hack-Loch-von Schleinitz.

"Wir haben so beim Weltcup in Peking unterschiedliche Fahrlinien analysiert und verglichen, wie sie sich auf die Laufzeit auswirken", sagt Julian von Schleinitz. Der berichtet von "sehr umfangreichen Auswertungen" und davon, dass das System mittlerweile so leistungsfähig sei, dass neue Schienenvarianten simuliert und virtuell getestet werden können, ehe sie gebaut werden. Johannes Ludwig erklärt: "Wir bekommen so die Bahn schneller in den Griff." Das alles garantiert keine Medaillen, macht sie aber wahrscheinlicher.

Lucas Bögl ist nicht unbedingt ein Fan

Vorsprung durch Technik: "Dank des Simulators kennt man sich gleich aus. Das hat uns einen Vorteil verschafft", sagt Bobpilot und Gold-Favorit Francesco Friedrich. Bei den Testfahrten in Peking fingen die deutschen Asse nicht bei null an.
Foto: BMW AG
Vorsprung durch Technik: "Dank des Simulators kennt man sich gleich aus. Das hat uns einen Vorteil verschafft", sagt Bobpilot und Gold-Favorit Francesco Friedrich. Bei den Testfahrten in Peking fingen die deutschen Asse nicht bei null an. Foto: BMW AG  Foto: privat

Ähnlich verhält es sich mit den Profilen der olympischen Loipen, die Langläufer, Kombinierer und Biathleten dank des IAT auf ihrem Simulator mit 3D-Brille ablaufen können. Doch nicht alle begeistert die Technik gleichermaßen. "Andere machen das mehr, ich nicht so", gesteht Langläufer Lucas Bögl. "Denn vor Ort ist es dann doch oft anders, je nach Eis oder Neuschnee auf der Strecke."

Das IAT begleitet Training und Wettkampf, seine Arbeit ist grundlegend - übrigens finanziert vom Bund (2021 waren es 9,3 Millionen Euro). Es arbeitet begleitend mit Partnern wie Audi - wo Abfahrer und Skispringer den Windkanal nutzen - und Schwesterinstituten wie das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) in Berlin - wo viel Künstliche Intelligenz im Spiel sei, wie IAT-Direktor Ulf Tippelt erklärt.

Steigerung pro Olympiazyklus um zwei Prozent

Die Weltstandsanalysen seiner Abteilungen sind interessant: Im Langlauf gebe es die Tendenz, dass Klassisch-Rennen mit Skatingskiern gelaufen und komplett durchgeschoben werden - also müssen Oberkörper und Arme mehr trainiert werden. Im Biathlon benötige man eine Trefferleistung von mindestens 95 Prozent für eine Podiumsplatzierung, die Durchschnittsgeschwindigkeit steigere sich pro Olympiazyklus um zwei Prozent. Kann das IAT auch vorhersagen, wie der Medaillenspiegel in Peking aussehen wird?

Ulf Tippelt zögert. Aufgrund der Pandemie seien die Vorleistungen bei den Weltmeisterschaften nur bedingt vergleichbar. "Aber wir erwarten ganz starke Norweger wie Niederländer - und Team D an dritter Stelle. Wir gehen davon aus, dass die USA und Kanada wieder stärker sein werden als 2018 in Pyeongchang." Das sei keine Prognose, aber ein Fingerzeig, so Tippelt, der anmerkt: Gerade Norwegen und Großbritannien "legen einen anderen Wert auf die wissenschaftliche Absicherung der Leistungen vor Ort". Die deutschen Peking-Akkreditierungen seien eher auf Trainer, Techniker und Betreuer verteilt als auf die Wissenschaftler. Ulf Tippelt und sein Team werden also wie Julian von Schleinitz die Spiele von zu Hause aus unterstützen - technisch ist das ja kein Problem.

 
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