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Olympische Momente: Auch als Trainerin fordert sie Härte

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1992 gewann Gunda Niemann-Stirnemann das erste gesamtdeutsche Gold bei den Olympischen Winterspielen in Frankreich. Heute ist sie für den sportlichen Nachwuchs im Eisschnellauf verantwortlich.

Mit der Deutschlandfahne dreht Olympiasiegerin Gunda Niemann-Stirnemann aus Erfurt in der Eisarena von Nagano im Februar 1998 eine Ehrenrunde.
Fotos: dpa
Mit der Deutschlandfahne dreht Olympiasiegerin Gunda Niemann-Stirnemann aus Erfurt in der Eisarena von Nagano im Februar 1998 eine Ehrenrunde. Fotos: dpa  Foto: Andreas_Altwein

Die Journalistentraube hat sich an der Abfahrtspiste von Albertville versammelt. Dort erwarten die Experten bei den Spielen 1992 von Markus Wasmeier das erste Olympiagold für das wiedervereinigte Deutschland. Doch der Bayer wird Vierter. Fast gleichzeitig triumphiert eine Eisschnellläuferin aus Thüringen: Gunda Niemann. "Nach dem Rennen stand nur ein kleiner Haufen Journalisten da", erzählt sie.

Ihr selbst wird erst später die historische Bedeutung ihrer Goldmedaille bewusst, es ist auch für die damals 25-Jährige die erste bei Olympia.

Olympische Medaille aus Glas

Drei Jahrzehnte später beim Fototermin auf dem Domplatz in Erfurt zieht sie die Plakette aus der Jackentasche und verrät eine kleine Geschichte um das Goldstück. Die Medaille war zum ersten Mal aus Glas - das Symbol für Schnee und Eis - und mit Gold umrandet. "Sie war auf einmal durch die vielen Hände der Fans abhandengekommen, aber dann tauchte sie zum Glück noch auf. Als ich sie zurückbekam", erinnert sich Niemann-Stirnemann, "war ein Stück Glas abgesplittert." Die Organisatoren wollten die Medaille austauschen, doch sie wollte das Original unbedingt behalten.

Es blieb nicht ihre einzige Medaille bei den Spielen in Frankreich. Erst gab es Silber über 1500 Meter, dann jenes Gold über 3000 Meter - und ihren zweiten Olympiasieg über 5000 Meter. Damals verwies sie eine 19-Jährige auf Rang drei: Claudia Pechstein.

Die Zeit der großen Duelle auf den langen Strecken begann. 1994 in Lillehammer wurde Niemann über 5000 Meter knapp hinter Pechstein Zweite. 1998 in Nagano gelang der Erfurterin, die mittlerweile Niemann-Stirnemann hieß, erneut der Gold-Coup auf ihrer Lieblingsstrecke über 3000 Meter, diesmal vor Pechstein. Über 5000 Meter tauschten sie die Plätze eins und zwei.

Dauerrivalität zwischen zwei Großen

Goldige Zeiten: Über 3000 Meter schlägt Gunda Niemann-Stirnemann in Japan 1998 ihre sportliche Dauerrivalin Claudia Pechstein und Anni Friesinger.
Goldige Zeiten: Über 3000 Meter schlägt Gunda Niemann-Stirnemann in Japan 1998 ihre sportliche Dauerrivalin Claudia Pechstein und Anni Friesinger.  Foto: Ralf Hirschberger

Auf dem Eis pflegten die Ausnahmeathletinnen eine Dauerrivalität, die kurzzeitig in eine Eiszeit mündete. Was kaum einer weiß: "Wir konnten auch super zusammen feiern", sagt Niemann-Stirnemann, "abends saßen wir im Hotelfoyer und haben an der Bar richtig Gas gegeben."

Die dreimalige Olympiasiegerin, die sich seit 1999 auch Jahrhundert-Eisschnellläuferin nennen darf, denkt gern an diese Zeit zurück, selbst wenn die Karriere in ihrem Leben heute keine große Rolle mehr spielt. Dabei geht sie jeden Tag in die Eislaufhalle, die ihren Namen trägt. "Das gehört zu mir und macht mir schon ein wohliges Gefühl", betont die 55-Jährige.

Expertin beim ZDF

Niemann-Stirnemann, die zwölf Jahre als Expertin für das ZDF tätig war, arbeitet am Stützpunkt in Erfurt und kümmert sich um den Nachwuchs. Assistenz des Bundestrainers heißt ihre Stelle. Trainerin aus Leidenschaft ist sie, man merkt es in jedem Satz, wenn sie über ihre Arbeit spricht. "Du bist für die Jugendlichen auch Vertrauensperson, lebst mit ihnen, gehst zusammen durch dick und dünn", erklärt sie. "Gunda gnadenlos", wie sie früher genannt wurde, sei sie nun nicht mehr. "Ich war nur mir gegenüber gnadenlos", meint Niemann-Stirnemann, die erst mit 17 mit dem Eislaufen begann und für ihren alles andere als ästhetischen Laufstil lange belächelt wurde. Dass sie es war, die die Revolution des Klappschlittschuhs in Deutschland 1997 angeschoben hat, wird oft vergessen.

Handyverbot

Pünktlichkeit ist der Trainerin so wichtig wie Zielstrebigkeit, dazu gehöre auch eine gewisse Härte. Dass im Training Handyverbot gilt, ist fast selbstverständlich. Doch es gibt auch die lockere Seite. Mit der Trainingsgruppe geht Niemann-Stirnemann auf den Rummel, lässt sich von ihren Athleten, die sie mit "Gunda" und "Sie" ansprechen, selbst für das schwindelerregendste Fahrgeschäft überreden.

Täglich steht sie auf dem Eis, mit der Stoppuhr dreht sie ihre Runden. Nach einer schweren Knie-Operation ist Schlittschuhlaufen für sie aber nicht mehr das, was es mal war. "Man weiß ja auch, wie schön tief man gelaufen ist." Auf dem Rennrad hält sie mit den 14- und 15-Jährigen allerdings immer noch gut mit.

Dass das deutsche Eisschnelllaufen kränkelt, weiß auch Niemann-Stirnemann. "Wir befinden uns in einem Neuaufbau und wussten, dass es für Olympia schwer wird. In jeder Sportart hast du mal ein Tief", sagt sie. Das letzte Edelmetall gab es bei Olympia 2010 in Vancouver. Bezeichnend ist zudem, dass es Claudia Pechstein mit 49 Jahren zu ihren achten Spielen geschafft hat - weil sie keine Jüngere verdrängt hat. "Das spricht in erster Linie für Claudia", sagt Niemann-Stirnemann.

Sportlich sei die Berlinerin etwas "ganz Besonderes". In der OlympiaVorbereitung habe sie Pechstein in der Erfurter Halle häufiger gesehen und sagt: "Wie hart Claudia trainiert, da kann man nur den Hut ziehen." Wenn das jemand einschätzen kann, dann sie, die sich selbst bis zur völligen Erschöpfung gequält hat. 17 Jahre Weltspitze, in denen sie 19 WM-Titel und genauso viele Gesamtweltcupsiege sammelt, sind der Lohn. Mittlerweile genießt sie ruhigere Runden mit Border Collie Keya und entspannte Abende mit Freundinnen. Auch das Leben nach dem Sport ist schön.

 
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