Stimme+
Ski nordisch
Lesezeichen setzen Merken

Im Urlaub joggen mit der Olympiasiegerin Claudia Nystad

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Winterserie Olympische Momente. Die ehemalige Weltklasse-Langläuferin wohnt inzwischen in Österreich, ist Mutter, Bauzeichnerin und bringt Hotelgästen ihren Sport näher.

Von Michaela Widder
Claudia Nystad aus Oberwiesenthal ist mit dem norwegischen Langlauftrainer Trond Nystad verheiratet, sie haben zwei Töchter, leben in Ramsau am Dachstein.
Claudia Nystad aus Oberwiesenthal ist mit dem norwegischen Langlauftrainer Trond Nystad verheiratet, sie haben zwei Töchter, leben in Ramsau am Dachstein.  Foto: Hendrik Schmidt

Die Anzeige für ihre neue Ferienwohnung wirkt etwas frivol. "Hier dürft ihr landen. Unter mir schlafen faktisch", schreibt Claudia Nystad auf ihrer Facebook-Seite. Wenn auch: "Zwei Etagen unter mir, aber unter mir. Immerhin." Wer die ehemalige Langläuferin kennt, weiß ihren Humor zu nehmen. Wer darüber nicht schmunzeln kann, will sie auch nicht als Gast begrüßen.

Als eine Boulevardzeitung die Annonce aufgriff, hatte Nystad die ersten Buchungen sicher. Seit Mitte Dezember, als die Corona-Regeln im österreichischen Ramsau wieder Übernachtungen zuließen, ist Nystad Vermieterin eines Apartments im UG ihres Hauses. Sie lockt ihr Gäste gar mit einer Trainingseinheit. "Gern gehe ich mit euch eine Runde joggen." Jedoch deutet sie an, dass dies nicht für jedermann ein Vergnügen werden könnte: "Aber nicht rumheulen danach."

Erste Erfolge unter dem Mädchennamen Künzel

Sieben Jahre nach dem Karriereende und der Geburt ihrer Töchter 2015 und 2017 ist Claudia Nystad noch immer gut in Form. Früher lief sie einen Halbmarathon in 1:20 Stunden, was nicht viele deutsche Läuferinnen schaffen. Aber Weltklasse, das war die Oberwiesenthalerin lange auf Langlaufski.

Als Nystad noch im Weltcupzirkus mitmischte, kämpften deutsche Athletinnen noch um den Sieg, zumindest in den Staffeln. Vor 20 Jahren feierte sie - unter ihre Mädchennamen Künzel - ihr erstes Olympiagold. "An der Startlinie haben wir uns etwas wie im Alpencup gefühlt", erinnert sich Nystad an die Spiele in Salt Lake City 2002. Die russischen und ukrainischen Staffeln fehlten, weil sie des Dopings überführt worden waren. Die Gunst der Stunde nutzten die Deutschen und feierten mit dem Sieg den größten Erfolg.

Erste Goldmedaille für einen guten Zweck versteigert

Noch heute hat diese erste Goldmedaille einen besonderen Platz, allerdings nicht in Nystads Haus. Ihre Plakette ersteigerte für 22 000 Euro das russische Olympische Museum in Smolensk. "Darauf bin ich immer noch stolz. Das Geld ging an die Stiftung Hänsel und Gretel für missbrauchte Kinder. Ein Herzensprojekt", erzählt sie und sagt auch, warum sie das Goldstück weggab: "Die Medaille ist mir nicht so wichtig. Es sind doch die Emotionen, die dahinterstecken und dir mir keiner nehmen kann." Von denen konnte Nystad in all den Jahren nie genug bekommen. "Der Sport hat so eine große Amplitude, die kriegst du nicht im normalen Leben."

Sensations-Gold 2010 im Teamsprint

Die Langläuferin aus dem Erzgebirge holte fünf WM-Medaillen. 2006 in Turin gewann sie im Sprint sogar eine olympische Einzelmedaille. Die Sensation gelang ihr an der Seite von Evi Sachenbacher-Stehle 2010 mit Gold im Teamsprint - und das, obwohl sie in Vancouver ausgelaugt war. "Es fiel mir mental schwer." Der Zwist mit dem damaligen Bundestrainer Jochen Behle zehrte an ihr. Es war keine Herzensentscheidung, sondern eine aus Vernunft, dass sie nach Olympia zurücktrat. Zwar studierte Nystad in Leipzig Wirtschaftsinformatik.

Doch ein Leben ohne Leistungssport genügte ihr nicht. Da war eine gewisse Langweile. Nach drei Jahren, mit 35, wagte Nystad ein Comeback. Dass es hätte schiefgehen können, war ihr bewusst. Doch mit ihrer Lust auf Schinderei kam sie erfolgreich zurück, schaffte es nochmal zu Olympia und holte mit der Staffel 2014 in Sotschi Bronze. "Ich habe die Zeit sehr bewusst erlebt und hatte auch viele Gönner." Ohne harte Arbeit ging es nicht. "Was wir geschrubbt haben, da hat keiner vor dem anderen aufgehört". Wie es heute ist, bewertet Nystad nicht, weil ihr die Einblicke fehlen. "Unsere Jungs", erklärt sie und meint die goldene Generation um Tobias Angerer, "waren im Training animalisch unterwegs".

Nystad lebt seit 2008 in Ramsau

Bei den Spielen in Vancouver 2010 fühlt sich Claudia Nystad ausgelaugt vom Zwist mit Ex-Bundestrainer Jochen Behle, dennoch holt sie an der Seite von Evi Sachenbacher-Stehle völlig überraschend die Goldmedaille im Teamsprint.
Fotos: dpa
Bei den Spielen in Vancouver 2010 fühlt sich Claudia Nystad ausgelaugt vom Zwist mit Ex-Bundestrainer Jochen Behle, dennoch holt sie an der Seite von Evi Sachenbacher-Stehle völlig überraschend die Goldmedaille im Teamsprint. Fotos: dpa  Foto: Martin Schutt

Der endgültige Abschied im März 2015 fiel ihr leichter, auch, weil sie schwanger war. Im September kam Tochter Linn auf die Welt, 2017 die kleine Anni. Seit 2008 lebt sie mit ihrem norwegischen Mann Trond in Ramsau am Dachstein in einem Holzhaus, idyllisch und mit viel Schnee vor der Haustür. Ihre Kinder, die sie von der Terrasse aus auf dem Skihang beobachten kann und Trond lieben dieses ländliche Leben. "Nur 25 Prozent der Familie fehlt die Stadt", sagt sie und lacht. Die Familie ist sportlich, die große Tochter hat aber eine klare Vorstellung: "Mama", hat sie letztens gemeint, "was ich nie machen will, ist ein Wettkampf."

Die Nystads machen keinen Druck. Ihr Mann ist immer noch Langlauftrainer, hat mal die Norweger und Österreicher trainiert. Auch bei den deutschen Biathleten ist er als Techniktrainer gefragt. Zudem betreibt er mit Ex-Kombinierer Felix Gottwald in Zell am See ein Fitnessstudio für Ältere. "Wenn ich Oma bin, würde ich dorthin gehen."

Ausbildung zur Langlauf-Skilehrerin

Vieles würde zu Nystad passen - aber nicht das Leben als Hausfrau. Vier Jahre, in denen sie sich zu Hause nur um ihre beiden Kinder kümmerte, empfand sie mitunter als ziemlich anstrengend. "Manchmal war ich fix und fertig", erzählt sie. Mit der Kinderbetreuung vor Ort, die um 13 Uhr endet, ist es ohnehin nicht einfach, sich beruflich zu verwirklichen. Aber eine wie Nystad findet einen Weg, in dem Fall mit Hilfe einer liebevollen Zieh-Oma.

Weil sie beruflich mit ihrem Studienabschluss auf dem Land keinen Job fand, machte sie noch eine Ausbildung als Bauzeichnerin. Eine künstlerische Ader hat sie schon immer. Die Malerei war während ihrer Karriere ein großes Hobby, sie lud sogar zu Ausstellungen.

Inzwischen absolviert die 43-Jährige eine Ausbildung zur Langlauf-Skilehrerin und gibt bereits Kurse in einem Hotel. Den Halbtagsjob im Büro hat sie dafür geschmissen. Fitnesscoach ist Claudia Nystad auch, zudem C-Trainerin. Bald will sie als Personalcoach arbeiten - mit und ohne Ski.

 
Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben