Ein (fast) entspanntes Luftabenteuer im Heißluftballon
Wenn selbst Hummeln fliegen, was soll im größten Heißluftballon Deutschlands schon passieren? Eine Menge, wie die Ballonfahrt über Stuttgart zeigt.

Höher, größer, weiter. Superlative ziehen einfach immer. Und so sind die 18 Plätze im Korb fast zu wenig für all die Journalisten, die bei der Jungfernfahrt des größten in Deutschland gebauten Heißluftballons dabei sein wollen. Sogar eine Live-Schaltung in die Landesschau plant das SWR-Fernsehen.
Dabei sieht er gar nicht so groß aus, der Ballon. Eigentlich sogar ziemlich winzig, bedenkt man, wo es gleich hingehen soll: hinauf nämlich, in den grenzenlosen Abendhimmel über Stuttgart. Ein winziger Punkt wird er dort sein. Getragen von nichts als heißer Luft in einer Hülle, halb so dünn wie ein Blatt Papier. Nicht sehr vertrauenserweckend. Zumindest, wenn man schon beim Gedanken ans Fliegen ein flaues Gefühl im Magen bekommt. Aber heute wird ja gefahren!
Ein Rabe werde uns jedenfalls nicht vom Himmel holen, beruhigt Ballonbauer René Krämer. Seit 1985 ist seine Firma Theo Schroeder Fire Balloons im Geschäft. 40 bis 50 Ballone pro Jahr haben bislang allen spitzen Vogelschnäbeln widerstanden. "Selbst wenn ein Loch entstünde, fällt der Ballon deshalb nicht vom Himmel. Weil wegen des Ripstop-Gewebes das Loch nicht größer wird." Und die entweichende Luft, Herr Ingenieur? "Die strömt einfach aus. Der Ballon ist fast drucklos. Das heißt, er platzt nicht. Ein Loch kann man also durch heizen ausgleichen." Na dann ... Glück ab, gut Land, wie es unter Ballonfahrern heißt. Ab geht die Post.
Wir heben ab
Na ja, die Schneckenpost. Sanft erhebt sich der leichte Riese vom Wiesengrün des Flugplatzes Pattonville in Kornwestheim. Wäre nicht das laute Fauchen des Brenners, könnte man glatt lyrisch werden, wie er so ganz und gar unmerklich entschwebt - ohne Fahrtwind und Druck auf den Ohren und ohne in den nicht vorhandenen Sitz gepresst zu werden.
Aber apropos Fauchen: Was, wenn der Brenner verstummt? "Dann könnte dieser Ballon mit einem der übrigen drei betrieben werden", beruhigt Krämer. "Selbst wenn alle vier Brenner ausfallen würden, fällt der Ballon mit nicht mehr als 6,5 Metern pro Sekunde. Das ist etwa die Geschwindigkeit, mit der jeder Fallschirmspringer aufsetzt", spricht der Experte und rät, den Flug nun einfach zu genießen. "Denn das Schöne am Ballonfahren ist das Unspektakuläre."
Während also hinten im Korb hektisch telefoniert und viel fotografiert wird, Interviews geführt, Moderationen geübt, verkürzt und wieder verlängert werden - sprich: viel los ist - wird die Welt unter uns kleiner und stiller, und die Geschäftigkeit der Menschen verschwimmt zu einem gleichförmigen Rauschen. Wir fahren über einen Spielzeugteppich dahin, mit grauen Sträßchen, auf denen Matchbox-Autos herumsausen und Züge wie flinke Raupen umherkrabbeln. Nur die hellen Kinderstimmen, die hört man auch in 600 Metern Höhe.
Voll ins Schwarze
Sehr viel höher gehen wir nicht. "Wir wollen ja was von Stuttgart sehen", sagt Ballon-Pilot Hans-Joachim Häuser. Der 62-Jährige hat sein Hobby zum Beruf gemacht und ist als Chef von Skytours Ballooning aus Köln mit 35 Mitarbeitern in halb Deutschland und weltweit unterwegs - mit eigenen Ballons oder bei Auftragsfahrten wie heute für Landal Greenparks, die den "Big Bollon" als Werbemittel in Auftrag gegeben haben. Häuser selbst fliegt am liebsten im Winter in Lappland. Und nächstes Jahr geht es in die Mongolei.
Das große Abenteuer gibt es aber überall, wo der Wind weht. Dabei spürt man ihn im Ballon gar nicht - weil man mit ihm fährt. Uns trägt er über Stuttgarts Innenstadt: Rosensteinpark, Hauptbahnhof, Schlossplatz, Landtag - und den Villenbesitzern in Degerloch spicken wir frech von oben auf die Terrasse und in die Gärten. Aber alle winken und freuen sich über den Ballon, der immer tiefer und tiefer über die Hausdächer dahinsegelt. Nur: Wo ist die Wiese?
Will Häuser ernsthaft auf diesem gefühlt nur Handtuch großen Flecken Erde landen? Er will! Aber das Ende kommt schneller näher als der Boden. So bricht der Versuch mit einem wütenden Brüllen des Brenners ab, und eine Tanne kratzt am Korb. OH MEIN GOTT! Diesen ganz und gar nicht unspektakulären Teil des Ballonfahrens hat Krämer vorhin nicht erwähnt. Dann findet Häuser eine zweite Lücke zwischen all den Straßen und Häusern. Diesmal trifft er ins Schwarze. Mein lieber Scholli!
In Deutschland fährt man Ballon, das ist gute Tradition hierzulande. In vielen Ländern der Welt sagt man aber fliegen dazu ("Fly Hotair Balloon"). Und in den USA reitet man ihn ("Ride"). Wer es selbst probieren möchte: 60 bis 90 minütige Ballonfahrten (mit Auf- und Abbau mehrere Stunden) werden auf diversen Internetportalen für um die 200 Euro pro Person angeboten.





