Die vielen Raritäten im Botanischen Obstgarten in Heilbronn
Artischocken, Geishirtle, Blutpflaume: Im Botanischen Obstgarten lockt eine Fülle ungewöhnlicher Pflanzen und Kulturgüter. Ein Rundgang mit einer Frau, die sich dort besonders gut auskennt.

An dem drei Meter hohen Sandstein-Bauwerk bleibt Helga Mühleck stehen und fragt schelmisch: "Wer hat schon ein Tempelchen in seinem Garten?" Die stellvertretende Grünflächenamtsleiterin führt im Botanischen Obstgarten zu einigen Schätzen des besonderen Kleinods, das sich am Fuße des Wartbergs zur beliebten Anlaufstelle entwickelt hat.
Hier, in der Südwestecke der rund zwei Hektar großen Anlage, steht ein kleiner Tempel mit ionischen Säulen, der antikes Flair verbreitet. Er stammt als Erbnachlass aus dem Privatgarten einer Heilbronner Bürgerin, ist vor rund 15 Jahren "Stein für Stein" in den Obstgarten umgesetzt worden. "Früher war es ein Statussymbol des Bildungsbürgertums", erklärt Mühleck. So, wie es heute Autos seien.
Helga Mühleck kennt die Anlage im Detail
Der Tempel ist eine von vielen Raritäten, die man beim Rundgang über das Areal bestaunen kann. Mühleck, Ideengeberin, Gartenplanerin und im Förderverein Garten und Baukultur aktive Betreuerin, kennt die Anlage im Detail. Sie hat damals die Ideen zusammengeführt, aus einer wenig ansehnlichen, vielfach ungenutzten Fläche mit Baustofflager, Schlosserei, einer Straße, einem aufgegebenem Acker auf dem Gelände der ehemaligen städtischen Baumschule ein neues Grünkonzept zu entwickeln.

Bis 1997 reichen die Anfänge zurück. Mit der Gründung des Fördervereins Garten und Baukultur im Jahr 2000 ging die Entwicklung zielgerichtet voran.
Mühleck zeigt auf weiß blühende Dichternarzissen, eine historische Sorte, und auf Engelstränennarzissen mit zwei bis drei Blüten je Stengel. Neben einer Gartenlaube aus Backstein blüht eine Blutpflaume. Der Backsteinbau mit Fenstern und Türen eines Wohnhauses entstand etwa um 1900. Ein Heilbronner Bürger schenkte es dem Obstgarten. Als Besonderheit empfindet Mühleck hier die Farbspiele der Ziegelsteine in verschiedenen Nuancen.

Vorbei geht es an einer Wildform des Apfels mit dem klingenden Namen Sargentii. Wildapfelsorten gibt es einige auf dem Gelände. "Die meisten", so Mühleck, "kommen aus Asien." In kräftigem Rot und Rosa blüht der Zierapfel Malus floribunda.
Die älteste der 17 historischen Gartenlauben im Obstgarten ist ein altes Weinberghäuschen von 1530 aus Schwäbisch Hall. Bäcker, Werkmeister und Viehhändler waren einst die Besitzer. Heute ist dort das Bienenzentrum, Imker Bodo Peter hat die Laube für Bienenvölker ausgebaut.
Hier lernen auch Schulklassen, wie Bienen ihre Waben füllen. Die Laube ist renovierungsbedürftig. Putz bröckelt, das Eichenholz ist fast 800 Jahre alt. Am gut 100 bis 120 Jahre alten Stuttgarter Geishirtle bleibt Helga Mühleck ebenfalls stehen, einem sehr früh fruchtenden Birnenbaum. Die Früchte ergeben "einen wunderbaren Schnaps", sagt sie lachend.

Rund 160 verschiedene Obst- und Wildgehölze stehen auf dem Gelände, dazu Ziergehölze und hunderte Blütenpflanzen in Beeten und Wiesen. Es gibt Granatäpfel aus Mittelmeerregionen oder Pastorenbirnen mit braunen Streifen auf grüner Frucht. Artischocken mit gezackten Blättern wachsen in einer Gartenparzelle. Mühleck verweist auf die Blauglockenblume, auf Orchideen, Dahlien, Holunder.
Begegnungsort und grüne Oase in einem
Auf dem Gelände steht auch die großfrüchtige Flaschenrose, die essbare Eberesche, der Perlen-Flieder oder die Purpur-Haselnuss. Gedüngt wird auch mal mit Pferdemist. Und neben der alten Obstlagerhalle fällt ein interessanter historischer Brunnen mit Schwengelpumpe ins Auge.
Für die Grün-Expertin ist der Obstgarten Begegnungsort, Stadtpark, grüne Oase und Lernort zugleich. Immer blühe hier im Sommerhalbjahr etwas anderes. Aber: Es gibt auch Werke der Zerstörung, wenn jemand zum Beispiel an Schnitzelementen einer Laube Kung Fu übe. "Wir erleben hier auch frustrierende Momente."