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Heilbronner Tätowierer sprechen über den Trend der Tier-Tattoos

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Löwe, Schlange und Wolf gehören weltweit zu den beliebtesten Tattoos überhaupt. Immer häufiger werden in Deutschland auch Porträts von Haustieren als Andenken gestochen.

von Milva-Katharina Klöppel
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Eine der letzten Tätowierungen, die Steven Neumann im August vor dem erneuten Lockdown im November stechen durfte, war eine Eule. Foto: Mario Berger
Eine der letzten Tätowierungen, die Steven Neumann im August vor dem erneuten Lockdown im November stechen durfte, war eine Eule. Foto: Mario Berger  Foto: Mario Berger

Lilou war eine ganz besondere Katze. "Seit ihrer Geburt hatte sie eine leichte Behinderung", sagt Carina Bickel und erinnert sich an die intensiven Stunden mit dem Kätzchen, das stets etwas wackelig auf den Beinen war. Als der kleine Stubentiger nach nur zwei Jahren verstarb, stand für die Weinsbergerin fest: "Lilou verewige ich mit einem Tattoo." Seit Oktober 2019 befindet sich nun ein Porträt von Lilou auf dem rechten Oberschenkel der 31-Jährigen – mit Blättern und Blüten verziert, bewusst in schwarz-weiß gehalten.

Tätowierungen mit tierischen Motiven sind seit vielen Jahren in. Genauer gesagt seit rund 5350 Jahren. Mit Hilfe von Infrarotkameras wurden im British Museum in London auf dem rechten Oberarm einer männlichen Mumie ein Stier- und ein Schaf-Tattoo entdeckt. Bei einer Frauen-Mumie fanden sich ähnliche Verzierungen. Damit halten die beiden den Tattoo-Rekord. Das Mähnenschaf mit seinen markanten Hörnern und den großen Stier halten Forscher übrigens für Symbole der Stärke und Männlichkeit.

"Beides spielt bei Motiven wie dem Tiger oder aber der Schlange auch heute noch eine große Rolle", sagt Maik Frey, Pressesprecher des Vereins Deutsche Organisierte Tätowierer (DOT). Statistisch betrachtet zählen Tierbilder bis heute zu den beliebtesten Motiven – in allen Altersstufen, bei allen Geschlechtern sowie Gesellschaftsgruppen. "Im Ranking auf Platz eins sind nach wie vor der Löwe und der Tiger", erklärt Frey, der seit 33 Jahren tätowiert. Dicht gefolgt vom Wolf. Die kulturellen Bedeutungen dieser Raubtiere sind fast unerschöpflich, sie vereint aber die Aggressivität sowie die daraus resultierende Macht. Allerdings spielt auch eine Rolle, wie das Tier dargestellt wird: Ein auf dem Mond heulender Wolf symbolisiert die Einsamkeit und Unabhängigkeit. Mystisch wird der Werwolf mit gefletschten Zähnen und roten Augen.

Seit der coronabedingten Schließung ihres Ladens verbringt Tätowiererin Lisa Bürg viel Zeit mit dem Zeichnen neuer Motive. Foto: Mario Berger
Seit der coronabedingten Schließung ihres Ladens verbringt Tätowiererin Lisa Bürg viel Zeit mit dem Zeichnen neuer Motive. Foto: Mario Berger  Foto: Mario Berger

Motive im Wandel der Zeit

"In den 80er Jahren waren nicht nur in England Bulldoggen gefragte Motive", erinnert sich Frey. Allerdings nicht wie heute aus Verbundenheit zum geliebten Haustier, sondern als politisches Statement. "Mit Stachelhalsband versehen drückten die Besitzer der Tattoos ihre Zugehörigkeit zur Hooligan-Szene aus", erklärt der 65-Jährige, der in Esslingen das Studio "Wilde 13" betreibt. Anfang der 90er Jahre seien die Tätowierungen immer realistischer geworden. Durch das Internet habe man zusätzlich die Möglichkeit bekommen, von Kollegen aus anderen Ländern zu lernen.

Frey ist der Überzeugung, dass Menschen mit einem tierischen Tattoo nicht viel falsch machen können. "Damit kann man ein Leben lang rumlaufen", so der DOT-Sprecher. Allerdings gäbe es auch bei den tierischen Motiven Trends: "Der Delphin ist fast ausgestorben", sagt Frey lachend. In den 90er Jahren sei er als kitschige Urlaubserinnerung sehr beliebt gewesen. Und gar nicht so einfach zu stechen. "Das blöde Grinsen der Delphine hinzubekommen, war gar nicht so leicht", erinnert Frey sich.

Kontakt zu den Tätowierern

Steven Neumann: Website, Instagram @joho.steve

Lisa Bürg: Facebook-Seite, Instagram@lisabuerg.taetowierungen

Seit zwei Jahren stehen gerade bei jungen Frauen Füchse, Rehe aber auch Hasen und Eulen hoch im Kurs. Das kann Lisa Bürg bestätigen. Die 31-Jährige betreibt seit November 2018 ein Tattoo-Studio in Heilbronn. "Aktuell werden tierische Motive wie ein Fisch im Anzug oder die Katze mit Hut nachgefragt", stellt Lisa Bürg fest. Das reale Haustier werde so verfremdet, abstrahiert. Sie selbst habe acht Bilder auf der Haut, die animalisch seien.

Am sichtbarsten ist die etwa vier Zentimeter große Motte auf dem linken Handrücken, die ein Tätowierer in Dublin, Irland gestochen hat. Mit der eher unbeliebteren Art unter den Schmetterlingen liegt Bürg ebenfalls im Trend: "Insekten, krabbelige Käfer und Spinnen werden immer häufiger gewünscht." Während des coronabedingten Lockdowns trainiert Bürg das Zeichnen von Schlangen, die als archaische Wesen für Scharfsinnigkeit stehen.

Die Nachfrage ist hoch

Das ungewöhnlichste Tier, das Steven Neumann jemals stechen durfte, war ein Axolotl, ein mexikanischer Schwanzlurch. "Ein Känguruh, eine Ameisenstraße – es gibt fast nichts, was ich nicht schon tätowiert habe", sagt der 33-Jährige, der seit 2016 menschliche Körper kunstvoll verziert. Neumann ist selbstständiger Tätowierer und ein Teil des Heilbronner "Lausbub Tattoo Kollektivs", das bekannt für seine Watercolor-Tattoos ist. Heute liebt der Heilbronner es, mit geometrischen Formen zu spielen und auch mal auf Farbe zu verzichten.

Nur zwei Jahre durfte Kätzchen Lilou alt werden. Als Andenken an schöne Stunden mit dem besonderen Stubentiger ließ sich die 31-jährige Carina Bickel sein Porträt aufs Bein
tätowieren. Foto: privat
Nur zwei Jahre durfte Kätzchen Lilou alt werden. Als Andenken an schöne Stunden mit dem besonderen Stubentiger ließ sich die 31-jährige Carina Bickel sein Porträt aufs Bein tätowieren. Foto: privat  Foto: Alternativer Fotograf

Die Nachfrage nach Tätowierungen von Haustieren sei hoch. "Porträts von Menschen lehne ich ab", erklärt Neumann. Tiere würden ihm besser liegen. Dabei sei es auch da wichtig, den Charakter und das Äußere des Hundes oder der Katze genau zu treffen. "Jeder kennt sein Tier ganz genau", so Neumann, der selbst einen kleinen Mischling besitzt. "Auf die Augen und die Partie rund um die Schnauze kommt es an." In der Regel lässt sich der gelernte Zahntechniker vor dem Termin Fotos des Tiers zuschicken, anhand denen er eine Skizze anfertigt. Bevor dann die Nadel angesetzt wird, gibt es ein ausführliches Beratungsgespräch.

Nicht nur verstorbene Tiere durfte Steven Neumann unter der Haut ihrer Besitzer verewigen. Valentin Follmann entschied sich für ein Tattoo mit Hündin Lotta. "Meine Familie hatte immer schon Hunde, doch Lotta ist mir besonders ans Herz gewachsen", so der Neckarsulmer. Vor zwei Jahren stand die heute achtjährige Mischlingshündin dann Model für den Weltraumhund auf Follmanns linkem Oberarm. Da das Tattoo die besondere Stellung von Lotta innerhalb des kleinen Rudels ausdrückt, werden wohl keine weiteren Hundebilder folgen. Dafür entschied sich der 31-Jährige vor ein paar Monaten noch für ein weiteres tierisches Tattoo: ein Erdmännchen auf der Wade.

 
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