Sebastian Fitzek, warum faszinieren uns Verbrechen?
Er ist einer der bekanntesten Thrillerautoren Deutschlands. Sebastian Fitzeks Bücher wie „Die Therapie“ oder „Das Paket“ wurden allesamt zu Bestsellern. Im Interview erzählt der 49-Jährige, woher er seine Ideen nimmt und was ihn bei seinen Recherchen schockiert hat.
Zur Person
Am 13. Oktober 1971 wird der Autor Sebastian Fitzek in Berlin geboren. Sein Vater ist Schuldirektor, seine Mutter Deutschlehrerin. Er studiert Jura bis zum ersten Staatsexamen, promoviert im Urheberrecht und arbeitet dann als Chefredakteur und Programmdirektor für verschiedene Radiostationen Deutschlands. Seit 2006 schreibt Fitzek Psycho-Thriller, die allesamt zu Bestsellern wurden. Zuletzt erschien im Oktober „Der Heimweg“ (Droemer Verlag, 22,99 Euro). Fitzek lebt in Berlin und hat drei Kinder.
Herr Fitzek, mit Blick auf die Corona-Pandemie. Ist die aktuelle Lage grusliger als alles, was Sie bislang geschrieben haben?
Sebastian Fitzek: Ich fürchte aufregender auf jeden Fall. Es ist ein Thriller, in dem wir selber stecken. Das will man ja eigentlich vermeiden. Deswegen lesen wir ja, dass wir der Realität ein wenig entfliehen können, aber trotzdem Nervenkitzel bekommen. Wir stecken im Moment alle in einer Situation, in der unser Leben von einer Sekunde auf die andere nicht mehr so ist wie zuvor. Es ist auf jeden Fall eine Erfahrung, von der ich mir gewünscht hätte, sie wäre Fiktion geblieben.
Schicksalsschläge erleben auch die Protagonisten in Ihren Büchern. Woher nehmen Sie die Ideen?
Fitzek: Es sind alltägliche Situationen, auf die ich einen etwas anderen Blickwinkel habe. Nehmen wir zum Beispiel das Buch „Das Paket“. Da hat ein Postbote an meiner Tür geklingelt und mich gebeten, ein Paket für meinen Nachbarn anzunehmen. Ich kannte den Nachbarn aber nicht, und sofort hatte ich die Vorstellung eines bösen Pakets oder eines bösen Nachbarn im Kopf.
Und nach der Idee? Wissen Sie, wenn Sie anfangen zu schreiben schon, wie das Buch enden wird?
Fitzek: Ich meine, es zu wissen, aber nach 80 Seiten bekommen die Protagonisten ein Eigenleben. Sie verändern die Handlung, und ich werde nur noch zum Beobachter. Und so kann auch das Ende anders werden, als ich ursprünglich dachte.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit den echten Ermittlern ab, also mit Polizei, der Staatsanwaltschaft oder Gerichtsmedizinern?
Fitzek: Ich habe zwar sehr enge Kontakte und viele Recherchequellen, tatsächlich interessiert mich aber mehr, wie jemand auf einen Schicksalsschlag, auf ein Gewaltverbrechen reagiert, der nicht darauf trainiert ist. Ich schreibe keine Ermittler-Krimis, wo Polizisten im Mittelpunkt stehen, bei mir trifft es eher den Otto Normalverbraucher in seinem gewöhnlichen Alltag.
Gab es bei Ihrer Recherche schon Erlebnisse, die auch bei Ihnen Spuren hinterlassen haben?
Fitzek: Eindeutig. Bei meinem aktuellen Buch „Der Heimweg“ musste ich viel über häusliche Gewalt recherchieren. Ich war schockiert, wie hoch die Fallzahl ist und dass man auch im näheren Umfeld, wenn man sich umhört, sehr schnell auf Opfer stößt. Es ist bestürzend, dass das ein Massendelikt ist.
Warum sind die Menschen von Verbrechen fasziniert?
Fitzek: Der Mensch ist erst einmal vom Leben fasziniert. Das Verbrechen als Ausnahme stellt das Leben infrage. Wir alle haben wohl schon mal einen Schicksalsschlag erleiden müssen. Danach fängt man an, seine Prioritäten neu zu ordnen. Man sieht die Farben heller und das Leben einfach anders. Das ist auch, wonach ein Thriller-Leser sucht: dass, wenn er das Buch zusammenklappt, sich hinterfragt, was eigentlich wichtig im Leben ist.
Gibt es Verbrechen, an die Sie sich nicht heran trauen würden?
Fitzek: Nicht unbedingt, denn es ist alles eine Frage der Recherche. Wenn ich auf einem Gebiet keine oder nur wenig Ahnung hätte, würde ich mich von Fachleuten beraten lassen. Ich stelle sicher, dass ich Experten habe, die das Buch am Ende noch einmal gegenlesen. Ich traue mich an jedes Thema, brauche aber einen persönlichen Zugang dazu.
Wie bei vielen Autoren: Ihr erstes Buch „Die Therapie“ wurde von Verlagen 13 Mal abgelehnt. Heute ist jedes Ihrer Bücher ein Bestseller. Haben Sie einen Tipp für den Nachwuchs?
Fitzek: Es klingt banal, aber wichtig ist, einfach zu schreiben und es zu Ende zu bringen. Dass man einen groben Klotz hat, mit Anfang, Mittelteil und Schluss. Dann ist elementar, sich Hilfe zu holen, die Überarbeitungsphase ist noch wichtiger als der Entwurf. Man kann auch Fachbücher lesen und Seminare besuchen. Ich würde aber raten, alles zunächst einmal ohne große Schere im Kopf aufzuschreiben, so, wie es aus dem Herzen heraus kommt.
Als Experte in der Thriller-Welt: Wissen Sie bei Krimis schon nach fünf Minuten, wer der Mörder ist?
Fitzek: Nein, nicht, wenn er gut gemacht ist. Und das heißt nicht, dass er kompliziert sein muss. Gut ist, wenn ein Buch, ein Film oder eine Serie mich so in Beschlag nehmen, dass ich mir keine Gedanken darüber mache und mich treiben lasse.

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