Ganz nah dran am Kreuz der Autobahnen
Fünf Häuser stehen am Stöcklensberg, einen Steinwurf entfernt vom bedeutendsten Verkehrsknotenpunkt in der Region, dem Weinsberger Kreuz. Wie ist es, dort zu wohnen? Helga Pollmächer und Hermann Stier erzählen von ihrem Zuhause mit Weinberg, Lkw und Lärmschutzwand.

Umgeben von Obstbäumen, Weinstöcken und Wiesen stehen fünf Häuser an einem Weinsberger Hang. Gleichzeitig brausen nur einen Steinwurf entfernt Tausende Autos und Laster vorbei. Für die Bewohner des Stöcklensbergs gehören die Idylle einerseits und das Weinsberger Kreuz als bedeutendster Verkehrsknotenpunkt der Region andererseits zum Alltag.
Im Gespräch erzählen das Ehepaar Christa und Hermann Stier und Helga Pollmächer von ihren Erlebnissen in vielen Jahrzehnten an einem Wohnort der besonderen Art. Helga Pollmächer ist zwischen dem Gespräch und der Veröffentlichung des Artikels gestorben, im Mai 1937 wurde sie im Haus ihrer Eltern geboren.
Als es noch keine der beiden Autobahnen gab
"Als meine Eltern das Haus hier gebaut haben, gab es nur ein einziges weiteres Haus", sagt Helga Pollmächer. "Das ist schon 1930 gebaut worden." Weitere Häuser seien 1945 entstanden, erinnert sie sich. "Damals sind Leute aus dem zerstörten Weinsberg in ihre Stückle gezogen und haben dort nach und nach Häuser gebaut."
In der Straße hätten einige Pfleger und Schwestern vom Weissenhof gewohnt, erzählt die 83-Jährige - die Königliche Heilanstalt einen Steinwurf vom Stöcklensberg entfernt besteht seit 1903. "Weggegangen bin ich nur kurz, zwei Jahre, ansonsten war ich immer hier. Auch meine beiden Söhne sind hier aufgewachsen", erzählt sie. Für Kinder sei es immer schön gewesen. "Es gab viele Wiesen, bis nach Grantschen und Gellmersbach. Man ist überall hingelaufen oder mit dem Fahrrad gefahren. Eine schöne Zeit." Zum Einkaufen ging es eine halbe Stunde zu Fuß nach Weinsberg und wieder zurück. "Da sind die Arme immer länger geworden", erzählt sie schmunzelnd.
Von einer Autobahn war damals noch keine Spur. "Es hatte überhaupt noch kaum jemand ein Auto damals. Höchstens der Pfarrer und der Bürgermeister." Ende der 1950er Jahre ging es los. "So große Baumaschinen hatte ich bis dahin noch nie gesehen", erinnert sich Helga Pollmächer. Mit ihrem älteren Sohn sei sie oft zum Zuschauen bei der Baustelle gewesen. Zunächst sei wenig los gewesen, dann wurde es immer mehr - so richtig gestört hat Helga Pollmächer der viele Verkehr auf den nahen Autobahnen aber nicht. "Nur im Winter, wenn viel Schnell fiel, dann wusste ich immer genau, wann es drei Uhr morgens ist. Nämlich dann, wenn die Streufahrzeuge so ein schrilles Geräusch gemacht haben."
Verkehr nimmt zu, Lärm ab

Ein Haus weiter wohnt Hermann Stier mit Ehefrau Christa. Sie sind Ende der 1970er Jahre an den Stöcklensberg gezogen, wie der Chirurg erzählt - bis zum Ruhestand hat er Patienten in seiner Praxis in Weinsberg behandelt. "Meine Schwiegereltern haben das Haus Mitte der 1970er Jahre gekauft, als sie von der Heilbronner Innenstadt hierher ziehen wollten." Obwohl der Verkehr seit den Grenzöffnungen im Osten Anfang der 1990er Jahre zugenommen hat, sei es in der Anfangszeit deutlich lauter gewesen. "Damals gab es die Lärmschutzwände am Weinsberger Kreuz noch nicht", erinnert sich Hermann Stier. "Den meisten Krach haben die langen Lkw-Kolonnen der amerikanischen Armee in den 1980ern gemacht."
Inzwischen habe er sich an einen gewissen Lärmpegel gewöhnt. "Das ist schon in Ordnung", sagt der Arzt - auch wenn er bedauere, in warmen Sommernächten nicht bei offenem Fenster schlafen zu können. "Dem gegenüber stehen aber reichlich Platz und Natur. Als unser Sohn noch in der Schule war, sind seine Freunde oft zu uns gekommen. Die Jungs haben dann auf der Straße gekickt." Und die nahen Autobahnen hätten auch ihr Gutes. "Man kann sich in ein paar Minuten in alle Himmelsrichtungen aufmachen. Das hat nicht jeder."