"Der direkte Kontakt zählt"
Manfred Litz, Beirats-Vorsitzender der Schwaigerner Städtepartnerschaften, über den tieferen Sinn dieser Beziehungen.

Offenheit hat mit der bewussten Wahrnehmung von Unterschieden zu tun", sagt Manfred Litz. Um Offenheit und Unterschiede geht es auch bei Städtepartnerschaften. Sie wollen Kontakte jenseits von Nationalitäten knüpfen und gegenseitiges Verständnis fördern.
Der 66-jährige Manfred Litz ist Vorsitzender des Beirats der Schwaigerner Städtepartnerschaften. Die Leintalstadt pflegt partnerschaftliche Bande mit Pöndorf (Österreich), La Teste (Frankreich) und Nottwil (Schweiz). Welchen tieferen Sinn diese Verbindungen für ihn haben, erläutert er im Gespräch mit der Heilbronner Stimme.
Herr Litz, man kann heutzutage überall auf der Welt hinreisen. Wozu braucht man überhaupt noch Städtepartner?
Manfred Litz: Ja, es stellt sich heute oft die Frage, ob die Städtepartnerschaften nicht längst überflüssig geworden sind und im Zeitalter der Globalisierung nicht etwas zu muffig und altbacken sind? Ich denke, das Gegenteil ist der Fall. Angesichts der nationalen Egoismen, die man nun auch in Europa beobachten kann, mit sozialer Ab- und Ausgrenzung, bekommen diese Plattformen eine völlig neue Bedeutung. In Zeiten von Facebook bieten Städtepartnerschaften eine Form von Face-Look.
Was heißt das?
Litz: Der direkte Kontakt zählt und ist entscheidend. Ich habe festgestellt, dass man beginnt, die eigene Kommune unter neuen Gesichtspunkten wahrzunehmen. Wer für andere Kulturen hier etwas vorbereitet, der schult auch den Blick für kulturelle Besonderheiten. Der Begriff Heimat liest sich in diesem Kontext neu. Wenn wir für unsere Gäste ein Programm zusammenstellen, spürt man diese Bodenständigkeit, in der man verwurzelt ist, völlig neu und hat dabei auch den Blick nach außen. Dies wird sehr geschätzt.
Sie sind maßgeblich beteiligt bei den Schwaigerner Städtepartnerschaften. Warum ist es eine Bereicherung, zu den Städtepartnern zu reisen?
Litz: Meine Motivation kommt aus der Erkenntnis heraus, dass dazu eine historische Notwendigkeit bestand. Der Elysee-Vertrag von 1963, der 2019 erneut bekräftigt wurde, geht auf die beiden Visionäre Konrad Adenauer und Charles de Gaulle zurück. Adenauer hat damals gesagt, "Wir müssen Freunde sein". Diese Vision machte das Undenkbare denkbar.
Zur Person
Manfred Litz ist in Stuttgart geboren und in Leonberg aufgewachsen und zur Schule gegangen. Er hat Deutsch und Biologie studiert. Der 66-Jährige war von 1978 bis 2018 als Lehrer an der Leintalschule in Schwaigern, die letzten fünf Jahre bis zum Übergang in den Ruhestand dort Schulleiter. Litz war zwischenzeitlich für zwei Jahre beurlaubt, lebte in Leipzig und schrieb Schulbücher. Manfred Litz ist Vorsitzender des Beirats der Schwaigerner Städtepartnerschaften. Er ist verheiratet und lebt mit seiner Frau in Schwaigern.
Wie meinen Sie das?
Litz: Es gab zuvor eine lange deutsch-französische Erbfeindschaft, die viel Leid verursacht hatte. Daraus ist ein Motor einer beispielhaften europäischen Entwicklung geworden. Ich weiß nicht, an welcher Stelle der Weltgeschichte es vergleichbares gegeben hat. Institutionalisiert wurde das damals auch mit der Gründung des deutsch-französischen Jugendwerks, und das war segensreich, weil dadurch auch Jugendliche in diese Beziehungskiste eingebunden wurden. Dies wirkt heute noch nach.
Inwiefern?
Litz: Weil ich in meiner schulischen Tätigkeit immer wieder Schüleraustausche organisiert und durchgeführt habe. Es ist erstaunlich, mit welcher Begeisterung auch die jungen Schüler diese Möglichkeit des Austauschs wahrnehmen.
Haben Sie den Eindruck, dass die Menschen in den jeweiligen Ländern offener geworden sind als früher?
Litz: In Frankreich fällt mir auf, dass dort alles aufgesogen wird, was man hier in Schwaigern erleben kann. Dass hier Kontakte, die sich intensivieren, als sehr wohltuend wahrgenommen werden, das schafft Verbindung. Das ist für die Menschen ein großes Highlight.
Haben die Begegnungen mit den Menschen in den Partnerstädten für mehr Toleranz gesorgt?
Litz: Ich denke, Menschen, die sich auf eine Städtepartnerschaft einlassen, sind offen und neugierig. Ich finde es spannend, mit welcher Neugierde Schwaigerner Bürger an das Thema Austernzucht, die in La Teste betrieben wird, herangehen und welche Arbeit dahintersteckt. Auf der anderen Seite können sich die Bürger aus La Teste kaum vorstellen, wie der Weinbau bei uns funktioniert und dass man von Januar bis zum Herbst viele Arbeitsschritte vor sich hat. Offenheit hat immer wieder mit der bewussten Wahrnehmung von Unterschieden zu tun.
Sie haben bis hierher viel über Frankreich gesprochen. Wie sieht es denn mit Pöndorf und Nottwil aus?
Litz: Die Partnerschaft mit Pöndorf ist 1988 entstanden, weil ein dortiger Ortsteil Schwaigern heißt. Aus einem Ausflug des Jahrgangs 1936 mit dem früheren Bürgermeister Haug ist eine intensive Verbindung geworden. Hier sieht man, wie eine zunächst private Initiative nach und nach reift und an Breite gewinnt.
Und Nottwil?
Litz: Der Anlauf dieser Partnerschaft reicht über 40 Jahre zurück. Ein Gastarbeiter aus der Schweiz suchte damals hier Kontakte. Daraus sind intensive Verbindungen auf Ebene des Schwaigerner Musikvereins und der Feldmusik Brassband in Nottwil entstanden. Diese Verbindungen sind dann auf eine offizielle Basis gestellt worden. Wenn wir ein Programm zusammenstellen, ist für uns übrigens wichtig, dass Veranstaltungen auch in den Stadtteilen stattfinden, weil das ein Wir-Gefühl schafft.
Wie werden Sie denn in den Partnerstädten, besonders in La Teste, aufgenommen?
Litz: Herzlich und offen.
Vermissen Sie etwas, wenn Sie wieder zurück in Schwaigern sind?
Litz: Ich würde eher sagen, es schafft ein Gefühl von Euphorie, von dem man lange zehrt. Ich nehme eine Fülle von wunderschönen Momenten mit, an die ich mich gerne zurückerinnere. Das trifft auf jede Begegnung zu, ob in Pöndorf, Nottwil oder La Teste. Der Moment des Abschieds ist der Beginn einer wunderbaren Erinnerung. Auch das ist der Stoff, der die Motivation schafft, in diesen Bereichen dabei zu sein.
Welche kulturellen oder gesellschaftlichen Hürden stehen dabei im Weg?
Litz: Corona. Und zwar massiv. 2019 war die Big Band aus La Teste in der Stadtkirche und auf dem Frizplatz zusammen mit der Musikschule als Kombo aktiv. Das kam so gut an, dass wir geplant haben, einen 2021 Konzertauftritt um Christi Himmelfahrt herum auch in La Teste zu machen. Dies steht aber leider in den Sternen.
Hat Sie dieser langjährige internationale Austausch verändert?
Litz: Ich denke schon. 2004 hat mir sicherlich noch das Handwerkszeug gefehlt. Da war ich auf viel Unterstützung angewiesen. In der Folge wird man aber sicherer, routinierter.
Und in Bezug auf die Offenheit?
Litz: Ich bin weiter neugierig, möchte wissen, wie etwas woanders funktioniert. Und je öfter ich dort bin, habe ich das Gefühl, ich komme wieder an. Denn ich hatte das Glück, neben den offiziellen Begegnungen zusätzlich noch den Schüleraustausch zu haben. Das war wie ein Déjà-vu.

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