Stimme+
Nordheim
Lesezeichen setzen Merken

Spaziergang durch Nordheim: Idylle am Katzentalbach

   | 
Lesezeit  4 Min
Erfolgreich kopiert!

In Nordheim ist der Blumensommer immer noch allgegenwärtig, eine Neuauflage steht möglicherweise bevor. Geblieben sind die Blumenpracht im Park und viele Grünflächen. Impressionen vom Spaziergang im Rahmen der Aktion 50 Wochen - 50 Orte.

   | 
Lesezeit  4 Min
Das Pfarrhaus wurde 1763 erbaut und ist inzwischen energetisch saniert.
Das Pfarrhaus wurde 1763 erbaut und ist inzwischen energetisch saniert.  Foto: Ochs, Tanja

Man kann ihn immer noch spüren. Der Blumensommer ist in Nordheim Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Vielleicht, so hört der Besucher immer wieder, werde es 2023 zum 1200-Jahr-Jubiläum der Gemeinde eine Neuauflage der legendären Sommerveranstaltung geben. Die kleine Landesgartenschau hatte 2003 stattgefunden und war anschließend sechs Mal wiederholt worden. Aber auch ohne ist der Park am Katzentalbach eine Oase. Blumenbeete überall: Rosen duften, Petunien ranken, Hortensien explodieren in ihrer ganzen Farbenpracht. Dazwischen weitläufige Rasenflächen, Stauden, Bäume. Und der plätschernde Bach. Genau die richtige Umgebung für einen Sommerspaziergang.

Das alte Gasthaus Sonne steht leer

Der Eingang zum Park ist geradezu unscheinbar, an der Lauffener Straße sind die Häuser älteren Jahrgangs. Wo sich früher Friseur, Zahnarzt und Gärtnerei in einem Haus drängten, herrscht jetzt vor allem Leerstand. Der Kinosaal oder das Café, in dem sich Nordheimer einst vergnügten, sind längst Erinnerung. An der Ecke eines Hauses hängt noch das Schild der Gastwirtschaft Sonne. Auch sie steht seit Jahren leer. "Das ist ein herber Verlust", sagt Ulrich Berger. Der 70-Jährige erinnert sich noch lebhaft an die Wirtin, die selbst in der Küche stand. Urgemütlich sei es gewesen. "Die Sonne fehlt", sagt der Ortshistoriker. Am Haus schlängelt sich der Bach vorbei, ein Weg führt entlang des bewachsenen Ufers in den Park hinein.

Die Ortsgeschichte ist seine Leidenschaft: Der ehrenamtliche Archivpfleger Ulrich Berger ist stellvertretender Vorsitzender im Nordheimer Heimatverein.
Die Ortsgeschichte ist seine Leidenschaft: Der ehrenamtliche Archivpfleger Ulrich Berger ist stellvertretender Vorsitzender im Nordheimer Heimatverein.  Foto: Ochs, Tanja

Zuerst sind es nur blumige Akzente, dann säumen immer mehr Beete den Weg. So viel Idylle ist pflegeintensiv. Stefan Kurz hockt mit seinen Kollegen aus dem Bauhof in einem wogenden Beet und rupft Unkraut. Doch das, sagt er gleich, sei die völlig falsche Bezeichnung. "Wildbegleitpflanzen" werden entfernt. "Es gibt kein unnützes Kraut." Den Grünpflegern ist ihr Park ein Anliegen: "Wir müssen die Qualität halten", sagt Stefan Kurz. "Der Blumensommer verpflichtet." Zwei seiner Mitarbeiter seien im ständigen Gießeinsatz, erzählt Klaus Plieninger, Vorarbeiter der Gärtner. Heiße Sommer seien eine Herausforderung: Mehr Schädlinge, mehr Krankheiten. Beim Sommerflor müsse man auf die Auswahl achten: "Man merkt die Klimaveränderung."

Beliebte Badestelle im Park

Stefan Kurz ist einer von vielen Grünpflegern, die sich um die Blütenpracht im Park kümmern.
Stefan Kurz ist einer von vielen Grünpflegern, die sich um die Blütenpracht im Park kümmern.  Foto: Ochs, Tanja

Es gibt aber auch Stammgäste, die interessieren sich herzlich wenig für die Blumen. Sie haben einen viel wichtigeren Grund für den Besuch im Park. Die Badestelle zieht bei Sonnenschein Familien an. Kein Wunder, lässt es sich doch im flachen Wasser herrlich planschen. Liam Jakob balanciert mit seinem Freund Simon über einen Baumstamm. "Natürlich ist das Wasser kalt", sagt der Sechsjährige. Aber es ist ihm egal. Silke Jakob ist mit den Kindern aus Leingarten extra nach Nordheim gekommen. Wegen des Badevergnügens und - "wegen des Eisladens", sagt sie lachend. Denn auch der gehört zum Nordheimer Park. An Elisabeta Culums Theke stehen Kinder und Erwachsene Schlange.

Der Verkaufstresen der Eisdiele grenzt direkt an die Straße, Abstandsmarkierungen sind smit bunter Straßenkreide davor aufgemalt. Noch bunter ist es hinter der Glasscheibe: Kräftig rot leuchtet beispielsweise das Eis der Drachenfrucht. Die exotische Sorte sei bei Kindern beliebt, erzählt Elisabeta Culum. "Aber die Klassiker gehen auch immer." Schoko, Vanille, Zitrone in der Waffel oder im Becher - "bei uns schmeckt alles", versichert die Wirtin.

Elisabeta Culum verkauft Eis in Nordheim. Ihre Theke steht direkt an der Straße.
Elisabeta Culum verkauft Eis in Nordheim. Ihre Theke steht direkt an der Straße.  Foto: Ochs, Tanja

Auf der anderen Seite grenzt das Rathaus an den Park. Das alte Gebäude, das einst herrschaftliches Sommerhaus der Familien Seybold und Marval war, hat vor Kurzem Zuwachs bekommen. Die Verwaltung hat das neue Rathaus stillschweigend bezogen. Corona hat der standesgemäßen Einweihung des sechs Millionen Euro teuren Anbaus einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im neuen Gebäude treffen ebenfalls Gegenwart und Vergangenheit aufeinander. Oben Bürgerbüro, unten das Archiv der Gemeinde. Dort hat Ulrich Berger die Ortsgeschichte sortiert. Vom Dachboden des alten Rathauses hat er die Akten geholt.

Noch sind nicht alle Kisten ausgepackt, aber die Güterbücher sind schon sauber aufgereiht. "Da geht einem das Herz auf", sagt der Lehrer im Ruhestand angesichts der historischen Schätze. Güterbücher aus dem 18. Jahrhundert, Ratsprotokolle und Ortschroniken aus Nordheim und Nordhausen zeigt er. Der Ortsteil wurde 1975 eingemeindet. Noch immer wachse man zusammen, sagt der Nordheimer Berger. Seit Ende 2017 die Ortsumfahrung eingeweiht wurde, ist es ruhig geworden im kleineren Ortsteil. Nordhausen warte noch auf die Innenentwicklung. Die Gemeinsamkeit im Namen verweist übrigens auf die Lage der Orte, die "nördlich des Lauffener Königshofs" liegen. Das ist nur ein Detail, das der Archivar in den vergangenen Jahren erforscht hat.

Woher Nordheim und Nordhausen den Namen haben

Während Corona haben Nordheimer Kinder Stöcke bunt beklebt und an einen Zaun gehängt.
Während Corona haben Nordheimer Kinder Stöcke bunt beklebt und an einen Zaun gehängt.  Foto: Ochs, Tanja

Eine Ortsmitte hat man in Nordheim längst. Nach dem Bau der Querspange ist der Platz zwischen Rathaus, Ortsbücherei und Bartholomäuskirche entstanden. Mittendrin der Glockenstupferbrunnen. Der Mann im Kahn hat seinen Namen vom Spitznamen der Nordheimer, die 1734 ihre Glocken vor französischen Soldaten versteckten. Dass es das freie Areal überhaupt gibt, verdankt Nordheim einem dramatischen Ereignis: dem Ortsbrand im Jahr 1810. Kurz nach Weihnachten waren die Kirche, 22 Wohnhäuser und 20 Scheunen abgebrannt. 16 weitere Gebäude wurden beschädigt.

Heute steht gegenüber der 1949 erbauten Kirche ein weiteres beeindruckendes Haus: "Das schönste Pfarrhaus im ganzen Landkreis", schwärmt Berger. Daneben im roten Fachwerk die Ortsbücherei, ein weiteres Schmuckstück, das mit Bodenstrahlern angeleuchtet werden kann. Die Hauptstraße hinunter wird allerdings wieder deutlich, womit Nordheim zu kämpfen hat. Statt Fußgängern rauschen Autos durch. Blumenladen und Lebensmittelgeschäft sind verschwunden.

Dasselbe gilt für das alte Lamm. Am Ende der Straße ist es einem Neubau für Praxen und Wohnungen gewichen, mit dem nicht alle Nordheimer glücklich sind. Es ist ruhig in der Ortsmitte. Trotzdem wollte Ulrich Berger niemals irgendwo anders hinziehen. "Mich bringt man kaum in den Urlaub", erzählt er. "Am liebsten bin ich daheim."

 

Über die Autorin

Tanja Ochs ist stellvertretende Chefredakteurin und Leiterin der Regionalredaktion. Sie hat im Rahmen der Aktion "50 Wochen - 50 Orte" das Los für den Ortsspaziergang in Nordheim gezogen. Zuständig für den Ort ist Redakteur Wolfgang Müller.

 
Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben