Leben in der ländlichen Idylle des Leintals
Die Corona-Krise ist in Massenbachhausen in aller Munde. Mit Supermärkten und wenigen kleinen Läden bietet die Gemeinde eine solide Grundversorgung. Ein Spaziergang zeigt: Den Ort am Buchtalwald zeichnet Selbstständigkeit und ein Zusammenhaltsgefühl aus.

Es wuselt und wimmelt im Unterholz des Buchtalwaldes. Die Roten Waldameisen sind an diesem warmen Vormittag im März nicht die Einzigen, die im Massenbachhausener Forst unterwegs sind: Elternteile mit Kindern und Pärchen spazieren durch den Tann. Seit das öffentliche Leben wegen der Corona-Krise eingeschränkt ist, sind mehr Erholungssuchende als sonst im Massenbachhausener Wald unterwegs, beobachtet Förster Jens Hey.
Er muss es wissen. Schließlich ist der 56-Jährige täglich draußen unterwegs - seit der Forstreform 2005 auch in den beiden Wald-Distrikten der Gemeinde Massenbachhausen. Der Buchteilwald und der Berwanger Wald sind zusammen 130 Hektar groß. Wie überall auch leiden die Bäume hier unter den Folgen des Eschentriebsterbens, der Trockenschäden und dem Borkenkäfer.
Der Buchtalwald hat so manches zu bieten: Hier befindet sich die Forsthütte, in der 2018 der Waldkindergarten eingerichtet wurde. Zurzeit ist er geschlossen, auch der angrenzende Spiel- und der Grillplatz sind verlassen. Der Trimm-Dich-Pfad entlang des Waldweges wird immer weniger in Anspruch genommen.
Die Brennholzversteigerung ist ein Höhepunkt im Ort

Der Massenbachhausener Wald hat finanziell keine Bedeutung mehr für die Gemeinde, doch "die Brennholzversteigerung bleibt ein wichtiger Termin im Ort", sagt Jens Hey. Zwischen 150 und 200 Festmeter seien zuletzt versteigert worden. "Der Massenbachhausener Wald weist viele alte Laubholzbestände auf. Wegen seiner FSC-Zertifizierung steht er unter besonderem Schutz - "das ist wie das Bioland-Siegel in der Landwirtschaft", erklärt Jens Hey. Ein Teil ist Flora-Fauna-Habitat-Gebiet und damit nach europäischem Recht geschützt.
Bewegung herrscht auch am Ortsausgang. Ruckartig stochern die Hühner der Bauernfamilie Schwarz im Boden. 980 sind es insgesamt. Sie leben mit einer Herde westafrikanischer Zwergziegen zusammen. "Die Glöckchen an ihren Halsbändern vertreiben Habichte", erklärt Bauersfrau Ute Schwarz. Trotz regem Scharren und Wühlen wächst auf dem Grundstück noch Gras. Die Schwarzens stellen die beiden mobilen Hühnerställe wöchentlich um, dadurch kann der Rasen aufatmen.

Die luxuriösen, bauwagenähnlichen Unterkünfte sind nicht gerade gewöhnlich und dürften die Blicke der Vorbeifahrenden auf sich lenken. Sie beziehen ihren Strom über Photovoltaikanlagen und funktionieren automatisch. "Nachts geht eine Klappe auf und die Hühner können ihre Eier in die mit Dinkelspalten ausgelegten Nester legen", erklärt Landwirt Bernd Schwarz. Bei Anbruch der Dunkelheit schließt der Stall seine Tür. Im Inneren, wo es 16 Stunden am Tag Licht gibt, sind die Hühner gut aufgehoben.
Familie Schwarz fühlt sich in Massenbachhausen wohl
Bis zu 85.000 Euro kostet ein solches Exemplar. "Die Investition rentiert sich mit der Zeit", bekräftigt Bernd Schwarz. Stammkunden und Auswärtige kaufen im Hofladen der Schwarzens ein, Kartoffeln, Zwiebeln, Tomaten, Erdbeeren, Grünspargel. Der Schwarzsche Hofladen ist mittlerweile der einzige in Massenbachhausen, nur vier der sechs Landwirte produzieren noch. Die Familie fühlt sich im Ort wohl. "Wir sind eine selbstständige Gemeinde mit eigener Wasserversorgung und produzieren nachhaltig", sagt Bernd Schwarz. Der gebürtige Massenbachhausener ist mit der Arbeit von Bürgermeister Nico Morast zufrieden. Wegen der aktuellen Lage bleibe abzuwarten, welche Projekte in der Gemeinde umgesetzt werden können.

Der Schuhladen Leopold ist Kundenmagnet
Die Corona-Pandemie beschäftigt den 3500-Einwohner-Ort in der ländlichen Idylle des Leintals. "Überlegen Sie mal, wie das jetzt mit einer Ausgangssperre wäre, wenn man Kinder hat, aber keinen Garten", sagt Therese Lehnert, die in ihrem Schrebergarten Unkraut jätet.
Im Schuhhaus Leopold können Kunden an diesem Vormittag nur noch nach Termin kommen. Normalerweise nimmt sich die Belegschaft des Familienbetriebs für Orthopädieschuhtechnik ausgiebig Zeit für die persönliche und individuelle Beratung. "Die Leute fühlen sich aufgehoben und sind dankbar, wenn man ihnen helfen kann", sagt Christiane Leopold. Zusammen mit Vater Karl Heinz hat sie die Geschäftsführung inne und ist für die Produktion verantwortlich. Karl Heinz Leopold gestaltet Schafte nach Maß, Frau Erika berät im Kinderschuhbereich.

Die Besonderheit des diplomierten WMS-Fachgeschäfts, das sich seit 1835 in der fünften Generation der Familie befindet: Hier werden die Schuhe sowohl verkauft als auch gefertigt und repariert. Die Kunden kommen von überall her in den Schuhladen, der sich wie in einem "Gesundheits-Eck" in der Heilbronner Straße zwischen Physiotherapie, Fußpflege und Allgemeinmedizinern befindet. Hier betreibt auch Dieter Braun die Rathaus-Apotheke. "Die Aufregung wegen des Corona-Virus hält sich hier im Rahmen", sagt er und lächelt freundlich. Für seine Kunden möchte er in diesen Zeiten Ruhe und Zuversicht ausstrahlen.
Grundsätzlich ist "das Zusammenhaltsgefühl in der Gemeinde sehr groß", sagt Braun. Bedauerlich sei aber, dass es weniger kleine, persönliche Läden gebe. Die Nahversorgung sei jedoch gesichert - wie vielerorts auch sind an diesem Tag die Regale für Toilettenpapier allerdings leer.
Über die Autorin
Linda Möllers ist Autorin in der Regionalredaktion und hat bei der Aktion "50 Wochen. 50 Orte" das Los für den Ortsspaziergang in Massenbachhausen gezogen. Dahinter steckt die Idee, einen anderen Blick auf die Orte zu bekommen. Zuständig für Massenbachhausen ist Redakteurin Claudia Kostner.
"Massenbachhausen ist familiär. Fremde werden gleich eingebunden. Kinder finden schnell Anschluss. Es gibt viele Vereine, Feste und Fasching. Wir haben Bäcker, Ärzte - die Grundversorgung ist gegeben", sagt Marianne Goldfuß im Salon SorgFriseure. Wegen der Ansteckungsgefahr kommen nur noch alle Stunde Kunden dran. Eine ältere Frau streckt ihren Kopf zur Tür hinein. "Mein Termin morgen klappt?" Ja, kann Brigitte Goldfuß nur raten. Noch am selben Abend müssen Friseure bundesweit schließen.