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Leingarten
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Kleinstadt mit Historie und kleinen Meisterwerken

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Leingarten hat eine gute Infrastruktur, eine reizvolle Umgebung und manch historisch Interessantes zu bieten. Der Besuch im Museum Altes Rathaus lohnt sich.

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Bastian Schütz betreibt in dritter Generation die Metzgerei Schütz & Wolff.
Bastian Schütz betreibt in dritter Generation die Metzgerei Schütz & Wolff.  Foto: Friedrich, Sabine

"Leingarten ist ein schönes Städtle", sagt Monika Kremser. Den Terminus hat sie bereits intus. Dass die Kommune mit ihren rund 12.000 Einwohnern am Jahresbeginn zur Stadt geadelt worden ist, mache sich nicht bemerkbar, meint die Angestellte von Raumausstattung Günther Schurmann. "Die Ortsschilder haben sich geändert - sonst nichts", stellt Metzgermeister Bastian Schütz keinen Unterschied fest.

Schon ohne Stadt im Namenszug ist er mit dem zufrieden gewesen, was er vorfindet: eine gute Grundversorgung, vor allem im Lebensmittelbereich, ein tolles Neubaugebiet, die Eichbottseen, an denen sich schön spazieren gehen und Rad fahren lässt. Stadtbahnanschluss und Ärztehäuser listet der 32-Jährige, der auch das gastronomische Angebot lobt er.

Viele Geschäfte, aber manches fehlt

"Fürs Lebensumfeld und das Freizeitangebot ist alles da", geht die Einschätzung von Barbara Knopf in die gleiche Richtung. Viel Grün und viel Kultur hebt die Mitinhaberin von Diem - Wohnen und Leben zudem hervor.

Entlang der Ortsdurchfahrt erstaunt, wie viele Fachgeschäfte, zum Teil alteingesessene, es noch gibt - dazu kommen Discounter und Vollsortimenter außerhalb des Stadtkerns. Blumengeschäft, Optiker, Apotheken, Bäcker, Elektronik-Fachmarkt? "Das Angebot wird gerade immer etwas trauriger", beobachtet allerdings Barbara Knopf, auch mit Blick auf den Leerstand im ehemaligen Edeka.

Sie vermisst eine Buchhandlung, ein Schuh- und Bekleidungsgeschäft. "Mittlerweile sind wird der einzige Metzger", sagt Bastian Schütz, der in diesem Jahr den Handwerksbetrieb von seinem Vater übernommen hat. Selbst nach 55 Jahren steht der 70-jährige Wolfgang Schütz noch in der Wurstküche. Auch äußerlich fällt die Metzgerei Schütz & Wolff auf, befindet sie sich doch in einem der wenigen alten (Fachwerk-)Häuser.

Historischer Ortsrundgang in Planung

Liegt heute mitten in einem Wohngebiet: der jüdische Friedhof in Schluchtern.
Liegt heute mitten in einem Wohngebiet: der jüdische Friedhof in Schluchtern.  Foto: Friedrich, Sabine

Wie gut, dass Historisches mehr ins Blickfeld gerückt wird. Die Lokale Agenda 21 konzipiert zum 50. Geburtstag von Leingarten in diesem Jahr - viele geplante Festveranstaltungen hat die Corona-Krise zunichte gemacht - einen Historischen Ortsrundgang. Ein vergessener Winkel, der Brunnen in der Kirchbrunnengasse, einst die Hauptwasserquelle für Schluchtern, wird eine Station sein, weiß Michael Scheurer.

Der Vorsitzende des Heimatvereins zeigt eine andere, bedeutsame Stätte: den jüdischen Friedhof. Heute liegt er versteckt in einem Wohngebiet, 1882 ist das der Ortsrand gewesen. Ein typischer Standort, gelten doch im Judentum Friedhöfe als unrein.

Heimatvereinsvorsitzender Michael Scheurer im Museum Altes Rathaus vor dem Blasebalg von 1733.
Heimatvereinsvorsitzender Michael Scheurer im Museum Altes Rathaus vor dem Blasebalg von 1733.  Foto: Friedrich, Sabine

Der Weg wird auch zum Kulturgebäude führen. Dort sind Kleindenkmale aufgereiht: Einer der zehn Grenzsteine ist von besonderem Interesse. Der Sandstein von 1863 ist der gemeinsame Grenzstein von Großgartach und Schluchtern. Deutlich erkennbar das K und das W für Königreich Württemberg, zu dem Großgartach gehört hat. Darüber der Rost des Dorfheiligen Laurentius.

Zu diesem Symbol gesellt sich auf der anderen Hälfte des Stadtwappens das Schwert, das für den Heiligen Pankratius für die Schluchterner Seite steht. Der eine Teil württembergisch, der andere badisch, fast 150 Jahre eine Enklave: Rivalität liegt da auf der Hand.

Topf der Großgartacher Kultur

Der Sandstein von 1863 markierte die Grenze zwischen Großgartach und Schluchtern.
Der Sandstein von 1863 markierte die Grenze zwischen Großgartach und Schluchtern.  Foto: Friedrich, Sabine

Ganz beachtlich die Vielfalt im Museum "Altes Rathaus". Archäologie, Wasserversorgung in früheren Jahrhunderten, Ein- und Auswanderung im 19./20. Jahrhundert sowie altes Handwerk bilden Ortsgeschichte ab. Michael Scheurer, einer der beiden Museumsleiter, zeigt den Star der Dauerausstellung: einen Topf der Großgartacher Kultur.

"Mit dieser Art von Bandkeramik sind wir international festgehalten", sagt der 72-Jährige voller Stolz über diese archäologische Kultur in der ersten Hälfte des 5. Jahrtausends vor Christus. Immer wieder Doktoranden aus den USA zieht der Blasebalg von 1733 aus der Schmiede von Johann Jacob Link an - ein Vorfahre von Präsident Dwight D. Eisenhower. Der Heimatverein ist in Sachen Museum sehr rührig, organisiert er doch pro Jahr etwa zehn Wechselausstellungen.

Bildhauerei am Heuchelberg

Leingarten ist fast schon eine kleine Galerie. Mehrere Verkehrskreisel bieten den Sockel für steinerne Bildhauerei. Hier und da sind weitere Skulpturen anzutreffen. Ein großer Trumpf der Stadt am Leinbach ist ihre landschaftliche Schönheit mit dem Heuchelberg, an den sich die Weinberge schmiegen.

Eine tolle Aktion zu einem halben Jahrhundert Leingarten: 50 gespendete Bänke werden platziert, hier die des Männerchors am Fuße des beliebten Ausflugsziels, des Heuchelbergs.
Fotos: Sabine Friedrich
Eine tolle Aktion zu einem halben Jahrhundert Leingarten: 50 gespendete Bänke werden platziert, hier die des Männerchors am Fuße des beliebten Ausflugsziels, des Heuchelbergs. Fotos: Sabine Friedrich  Foto: Friedrich, Sabine

Nicht von ungefähr hat Graf Eberhard im Bart 1483 auf dem Höhenzug einen Turm errichten lassen. Am Endpunkt des Württembergischen Landgrabens bietet die Heuchelberger Warte ein grandioses Panorama. Das zieht Wanderer, Radfahrer und Ausflügler in Scharen in diesen Teil des Naturparks Stromberg-Heuchelberg. Hier hat Inge Wieland ihren wunderschönen Arbeitsplatz, wie sie sagt.

Seit 29 Jahren betreibt sie mit ihrem Mann Jürgen Wirtshaus und Biergarten, die sie zu einer bekannten Adresse der Eventgastronomie gemacht haben. "Hier wird die Liebe gefeiert", sagt Sohn Maximilian zur beliebten Location für Hochzeiten und Familienfeste. Qualität, Regionalität und Ambiente, darauf komme es an.

 

Über die Autorin
Sabine Friedrich schreibt für die Ostausgabe und hat bei der Aktion "50 Wochen - 50 Orte" das Los für Leingarten gezogen. Hintergrund ist die Idee, einen anderen Blick auf den Ort zu werfen. Zuständig für Leingarten ist Claudia Kostner.

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