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Kupferzell
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Wie die Alte Molkerei in Kupferzell vor dem Verfall gerettet wurde

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Birgit Theobold hat in jahrelanger Arbeit die heruntergekommene Alte Molkerei saniert und dafür aus den Händen des Ministerpräsidenten eine hohe Auszeichnung erhalten.

von Christian Nick
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Nach der Sanierung arbeiten im Gebäude insgesamt fünf Architekten.
Nach der Sanierung arbeiten im Gebäude insgesamt fünf Architekten.  Foto: Nick, Christian

Die Treppenstufen orgeln den knarzigen Sound vergangener Zeiten, als Birgit Theobold durch ihr Reich führt. Es ist eines mit Historie. Anderthalb Jahrhunderte. Mindestens. Wahrscheinlich aber sogar Mittelalter: Denn so alt - glaubt die Architektin - sind die ältesten Mauern im Kellerbereich. Eine wissenschaftliche Analyse steht zwar noch aus, der Betrachter glaubt es aber ohne Zweifel.

Klar ist: Das denkmalgeschützte alte Gebäude an der Kirchgasse, das Theobold mit ihren Mitstreitern in jahrelanger Klein- und Feinarbeit vor dem Verfall gerettet, restauriert und saniert hat, wurde in der heutigen Struktur um 1880 errichtet - auf einem Vorgängerbau.

Nägel mit Köpfen gemacht

Einst residierte darin eine Molkerei samt Weinwirtschaft und Laden: Die heutige Haller Hofgutmolkerei hat ihre Ursprünge unter anderem in diesem Gebäude. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Haus dann zu Wohnzwecken umgebaut - und stand danach ganze 15 Jahre leer.

Bis eines Tages Birgit Theobold um die Ecke schlich. Die Architektin war damals gerade auf der Suche nach neuen Büroräumen für sich und ihre vier Mitarbeiter - und sah diesen Zettel: "Zum Verkauf".

Kleinod mit großem Innenleben: In dem Gebäude, dessen Fundament wohl noch aus dem Mittelalter stammt, befinden sich nun Architekturbüro und Privatwohnung.
Kleinod mit großem Innenleben: In dem Gebäude, dessen Fundament wohl noch aus dem Mittelalter stammt, befinden sich nun Architekturbüro und Privatwohnung.  Foto: Nick, Christian

Also wurde nicht lange gefackelt - und im wahrsten Sinne Nägel mit Köpfen gemacht. 2014 erwarb Theobold das runtergekommene Gebäude. "Ein Rettungskauf." Rettung schien auch notwendig: Das Dach war löchrig, Fenster und Mauerwerk marode, die Treppen verfallen.

Theobold sanierte mit ihrem Lebensgefährten und Fachfirmen das historische Gemäuer. 500 Stunden Eigenleistung. Alleine für sie. Vier Jahre lang. Immer in enger Abstimmung mit dem Landes-Denkmalamt. Denn die Erneuerung geschützter Objekte ist eine Gratwanderung - vor der so Mancher zurückschreckt: "Die Leute befürchten oft, dass das Amt dann so viel mitschwätzt", sagt die 54-Jährige.

Zeitreise mit Überraschungseffekten

Basis der Jahrhunderte: Im Keller finden sich diese historischen Fenster. Eine Mörtel-Analyse soll bald bestätigen: Die Ursprünge des Hauses reichen weit zurück.
Basis der Jahrhunderte: Im Keller finden sich diese historischen Fenster. Eine Mörtel-Analyse soll bald bestätigen: Die Ursprünge des Hauses reichen weit zurück.  Foto: Nick, Christian

Auch ein weitverbreiteter Irrtum: Bei einer denkmalgerechten Sanierung wird ein Haus aus dem 19. Jahrhundert nicht per se auch wieder zwanghaft auf den Ursprungszustand getrimmt. Sondern: "Das Ziel ist die Wiederherstellung des letzten authentischen Zustands", berichtet Theobold. Und sie muss es wissen: Denn die Architektin hat sich seit Jahren auf Kirchengebäude und historische Objekte spezialisiert.

Expertise sieht man der Alten Molkerei, die nun im wiederbelebten Antlitz der 1930er-Jahre glänzt, auch an - und viel Passion. Die Sanierung? Eine Zeitreise mit vielen Überraschungseffekten. Etwa wenn unter mehreren Farbschichten plötzlich Wandmalereien aus den 20er-Jahren sichtbar werden - oder aber jene Hohenloher Zeitung von 1947, die seinerzeit irgendwann als Grundlage unter die Tapete geklebt worden war.

Auf den knarzenden Holzdielen stehen jetzt Schreibtische und Regale mit Dutzenden Aktenordnern. Und wo früher die Milchbauern ihre unten in der Molkerei erworbenen Erlöse manchmal direkt wieder in Hohenloher Wein umsetzten, residiert nun das Architekturbüro. Ein Stockwerk darüber liegt die Privatwohnung Theobolds.

"Ich werde für immer hier bleiben"

Macherin: Birgit Theobold hat sich 2014 in das Häuslein verliebt, hunderte Stunden Arbeit und viel Geld investiert. Fördermittel gab's von Land und Gemeinde.
Macherin: Birgit Theobold hat sich 2014 in das Häuslein verliebt, hunderte Stunden Arbeit und viel Geld investiert. Fördermittel gab's von Land und Gemeinde.  Foto: Nick, Christian

Die Symbiose aus Alt und Modern, der Theobold Leben eingehaucht hat, ist gelungen. Moderne Heizungs- und Wasserrohre mäandern durch die Mauern; bevor man die zeitgenössische Toilette benutzt, öffnet man eine alte Holztür. "Abort" steht auf dem historischen Blechschild.

Die Erfolgsgeschichte der Alten Molkerei erzählte man sich auch schon in Stuttgart: Ende vergangenen Jahres waren Theobold und ihre Handwerker dort ins Alte Schloss eingeladen: Ministerpräsident Winfried Kretschmann persönlich überreichte dort die Anerkennung für den zweiten Platz beim "Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege", eine Urkunde von der Gemeinde hat"s auch schon gegeben - und für nur einen Tag nach dem Gespräch mit der HZ hat sich dann bereits die nächste Jury-Delegation angekündigt. Apropos ankündigen: "Ich liebe den Charme dieses Hauses", sagt Birgit Theobold. Und annonciert: "Ich werde für immer hier wohnen bleiben." Denn die Alte Molkerei ist für sie längst eine "Lebensaufgabe" geworden. Und so sind auch die nächsten Pläne schon gemacht: "Der Eingangsbereich wird jetzt dann bald erneuert."

 
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