Mit dem spöttischen Zaunkönig bis zum Krautheimer Kuharsch
Wegen Corona fiel die Jagsttal-Wiesenwanderung am vergangenen Wochenende aus. Unser Autor will aber trotzdem etwas vom Frühling in Hohenlohe haben und hat sich auf eigene Faust auf den Weg gemacht.

Bitte beachten Sie: Die Jagsttal-Wiesenwanderung 2020 ist aus aktuellem Anlass leider abgesagt." Dieser traurige Hinweis steht seit Wochen auf der Website jagsttalwiesenwanderung.de. Vergangenes Wochenende wäre es soweit gewesen.
Ich möchte aber auch in Corona-Zeiten nicht auf den schönen Frühling im mittleren Jagsttal verzichten und so fasse ich den Entschluss, in diesem Jahr einfach alleine eine Etappe der Jagsttal-Wiesenwanderung zu laufen.
Das Vogelgezwitscher übertönt die Alltagsgeräusche
Ich entscheide mich für die Etappe von Krautheim nach Klepsau. Es ist um 11 Uhr für Mitte Mai schon schwülwarm, als ich das Auto nahe der Burg in Krautheim abstelle. Ich laufe durch den Bogen des pittoresken Torhauses und entdecke nach wenigen Metern auf einem Wegweiserschild ein Schmetterlingssymbol, das Zeichen der Jagsttal-Wiesenwanderung! Ich bin auf der richtigen Spur.
Das geschäftige Treiben in den Gewerbegebieten im Krautheimer Tal vernehme ich nur wenige Minuten lang, bevor das Vogelgezwitscher die akustische Kulisse dominiert. Das charakteristische "Zilpzalp" des Weidenlaubsängers ertönt im Geäst.
Auch Amsel, Buchfink und Kohlmeise mischen beim singenden Wettstreit im schattigen Wald unterhalb der Burg kräftig mit. Der Gesang des Zaunkönigs wirkt ein bisschen spöttisch. Der kleine Sänger denkt vielleicht: Warum schleppt sich dieser Zweibeiner bloß mit so viel Gepäck ab?
Trotz schwerem Gepäck auf Entdeckungstour
Auch ich fange kurz an zu fluchen: "Warum hast du das schwere Teleobjektiv zusätzlich zu den Wasserflaschen und Proviant mitgeschleppt?" Ich komme aufgrund des drückenden Gewichts und der fehlenden Fitness in Corona-Zeiten (Schwimmbad zu, Fitnesscenter geschlossen...) deshalb langsamer voran als gedacht.
Aber ich nehme mir auch bewusst Zeit, um die Schönheit der Natur am Wegesrand zu entdecken. Und zwischen Krautheim und Klepsau gibt es viel zu entdecken.
Experten geben Tipps, was es in der Hohenloher Natur zu bestaunen gibt

Vor meiner Wanderung habe ich mir Tipps von zwei Experten eingeholt: Ekkehard Faust aus Öhringen und Michael Buß vom Landschaftserhaltungsverband des Hohenlohekreises.
Ekkehard Faust und seine Mitstreiter von den Naturfreunden Öhringen-Hohenlohe haben 2019 mit dem Natura Trail bei Krautheim einen Wanderweg hinzugefügt, der ebenfalls noch auf meiner To-do-Liste steht. "Im Jagsttal bei Krautheim kann man mit Glück den schönen Eisvogel für einen Moment erspähen oder schillernde Prachtlibellen am Flussufer beobachten. Außerdem blühen auf den Kalkmagerrasen seltene Orchideen wie Bocks-Riemenzunge oder Hummelragwurz und an sonnigen Hängen zeigt sich mit dem Schmetterlingshaft ein räuberisches Fluginsekt der besonderen Art", schwärmt mir der Naturfreund vor.
Faszinierende Tiere und Insekten lassen sich auf der Wanderung blicken

Meine Freude ist groß, als ich im Laufe der Wanderung einen Eisvogel, eine Wasseramsel und mehrere Prachtlibellen mit ihrem exotisch anmutenden "Metallkörper" beobachten kann. Ein weiteres Highlight ist auch ein rot leuchtender Bienenkäfer, der sich auf einer Margerite niedergelassen hat.
Auch Michael Buß kann sich immer wieder für die Natur und die Geologie im mittleren Jagsttal begeistern. "Steigen Sie hinauf zum Oberen Heiligenberg bei Klepsau und genießen Sie den bombastischen Ausblick. Von hier oben bekommt man einen Eindruck davon, wie das rheinische Flusssystem um das Wasser des älteren Donausystems kämpft", empfiehlt mir Buß.
So sei vor Jahrmillionen der Knick zum Neckar nach Westen entstanden. "Der Heiligenberg ist ein trockenwarmer Standort mit wärmeliebenden Elementen der Flora und Fauna, der seinesgleichen im Hohenlohekreis sucht", ergänzt er.
Verweilen und dem Plätschern lauschen
Ganz nach oben schaffe ich es vom idyllischen Horrenbach leider nicht - die schwere Kameraausrüstung entpuppt sich mit der Zeit doch als unangenehmer Bremsklotz. Trotz der eigenmächtig verkürzten Etappe der Jagsttal-Wiesenwanderung habe ich in zweieinhalb Stunden viel gesehen. Auf dem Rückweg verweile ich noch am sogenannten Kuharsch und lausche entspannt dem Wasserrauschen.
Das Jagsttal bei Krautheim ist eine Fundgrube für heimische Orchideen. "Das hat sich herumgesprochen und an den Wochenenden sind seit Mai daher auch auswärtige Autokennzeichen zu sehen", weiß Michael Buß.
So blüht auf den Wiesen, am Wegesrand und auf den Jagsttalhängen unter anderem das Helmknabenkraut. "Das Helmknabenkraut ist eine noch weit verbreitete Orchidee an eher mageren und trockenen Standorten", sagt der Landschaftsexperte. Besonders erfreulich in den Augen von Michael Buß ist die positive Bestandsentwicklung der Bocks-Riemenzungen.