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Eine kurze Erfolgsgeschichte: Die Trabrennen in Kirchardt

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Einst hatte Kirchardt eine Trabrennbahn, die Rennen lockten Tausende an. Es war eine Sensation in der Region. Nach ein paar Jahren war schon Schluss mit dem Betrieb. Heute erinnert kaum noch etwas an die alten Zeiten.

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Eine staubtrockene Kampfbahn wie auf diesem Foto im Jahr 1980 fanden die Reiter in Kirchardt nicht immer vor, gerade im Frühjahr sah das anders aus. Im März 1976 fielen die Rennen nach starkem Regen sprichwörtlich ins Wasser. Foto: Klaus Krüger
Eine staubtrockene Kampfbahn wie auf diesem Foto im Jahr 1980 fanden die Reiter in Kirchardt nicht immer vor, gerade im Frühjahr sah das anders aus. Im März 1976 fielen die Rennen nach starkem Regen sprichwörtlich ins Wasser. Foto: Klaus Krüger  Foto: Krüger, Klaus

Eine der letzten Spuren führt nach Mallorca, nach Llucmajor im Inneren der Baleareninsel. In dem Städtchen einige Kilometer entfernt vom Flughafen in Palma hat Manfred Wandres vor langer Zeit eine neue Heimat gefunden. Seit bald 30 Jahren lebt und arbeitet der 70-Jährige, der in Steinsfurt aufgewachsen ist, nun schon auf Mallorca.

Trotz der großen Entfernung weiß er, was im Kraichgau vor sich geht. "Ich habe Ihren Anruf bereits erwartet", beginnt er daher das Gespräch, als ihn die Stimme eines Abends zu Hause erreicht. Manfred Wandres hat gewusst, dass die Suche nach Zeitzeugen aus dem inneren Zirkel der Trabrenntage in Kirchardt bei ihm enden wird: "Ich bin der einzige, der noch übrig ist."

Wandres sitzt auf Mallorca fest

Die Gefährten von damals leben alle nicht mehr. Viele sind schon seit Jahren tot, mit seiner Schwester Elisabeth ist vor zwei Monaten eine der letzten noch bekannten Figuren aus den glorreichen Zeiten des Reit- und Trabrennvereins Kirchardt gestorben. "Ich konnte sie bisher nicht einmal beerdigen", sagt Manfred Wandres. Er sitzt fest auf Mallorca, kann wegen der Pandemie nicht so leicht ausreisen.

Sobald sich aber die Gelegenheit ergibt, will er in die alte Heimat kommen, seiner Schwester Elisabeth die letzte Ehre erweisen. Es wird ein trauriger Besuch werden, die Erinnerungen an schöne, längst vergangene Zeiten werden wieder in ihm aufleben, die verrückten Abenteuer von früher an seinem geistigen Auge vorbeifliegen.

Der alten Zeiten wegen wird Manfred Wandres - wie so oft bei seinen Besuchen in Deutschland - auch wieder einen kleinen Abstecher nach Kirchardt machen. Am Ortseingang beim Kreisverkehr aus Richtung Heilbronn kommend, wird er wie immer den Fuß vom Gas nehmen. "Dann schaue ich wieder wehmütig runter", sagt er. An der Ecke steht inzwischen ein Betonwerk, auf der Wiese darunter lag sie einst: die Trabrennbahn. Die einzige weit und breit. Wild. Schön.

Mitte der 1970er-Jahre kamen die Zuschauer zu Tausenden

Das Gelände hatte früher der Firma Mogler gehört, das Heilbronner Unternehmen stellte es dem im August 1974 gegründeten Reitverein - der bald in Reit- und Trabverein Kirchardt umbenannt wurde - unentgeltlich zur Verfügung. Eine Heimat für Springreiter und Traber: in der Mitte die Springreiter, außen auf der 700 Meter langen, selbst angelegten Kampfbahn die Traber. 1975 folgten erste Rennen, die Zuschauer kamen zu Tausenden nach Kirchardt.

Der Überlieferung nach kamen bis zu 5000 und mehr Zuschauer zu Trabrennen in Kirchardt. Die waren in der Region etwas einmaliges, die nächsten Rennbahnen dieser Art standen in Baden-Baden oder Saarbrücken. Foto: Krüger
Der Überlieferung nach kamen bis zu 5000 und mehr Zuschauer zu Trabrennen in Kirchardt. Die waren in der Region etwas einmaliges, die nächsten Rennbahnen dieser Art standen in Baden-Baden oder Saarbrücken. Foto: Krüger  Foto: Krüger, Klaus

"Der ganze Platz war voll, das war ein riesiger Magnet, das gab es hier in der Region nirgendwo zu der Zeit", sagt Claus Kobia. Der Sohn des früheren Reitvereins-Vorsitzenden Georg Kobia war zu der Zeit ein Teenager und erinnert sich, wie "ich zu den Rennen anfangs mit meinem Moped rausgefahren bin". Trabrennen geritten sei er aber nie. "Ich habe nur Wettscheine entgegengenommen", sagt er.

Kleiner Bretterverschlag als Wettbüro

Alte Aufnahmen zeigen, dass sich vor dem "Wett-Büro", einem kleinen Bretterverschlag, lange Menschenschlangen bildeten. Für 2,50 Mark konnten Besucher seit 1976 auf Sieger, Platzierung oder Einlauf wetten. "Vier Mark Eintritt, zehn spannende Pferderennen und als Belohnung noch einen guten Gewinn mit nach Hause nehmen, das ist eine runde Sache für ein sportliches Sonntagsvergnügen", schrieb die Heilbronner Stimme.

Wetten stand hoch im Kurs: Mit 2,50 Mark Einsatz konnte man durchaus genug gewinnen, um mit der Familie Essen zu gehen.Foto: Krüger
Wetten stand hoch im Kurs: Mit 2,50 Mark Einsatz konnte man durchaus genug gewinnen, um mit der Familie Essen zu gehen.Foto: Krüger  Foto: Krüger, Klaus

Auf Manfred Wandres zu setzen, lohnte sich bald nicht mehr: Er zählte schnell zu den Favoriten, die Rennen in Kirchardt waren der Start für eine erfolgreiche Karriere als Trabrennfahrer, die vor zwei Jahren mit einem letzten Rennen auf Mallorca ihren Abschluss fand. Wandres hatte alles erlebt, war in einer bewegten Laufbahn auf allen großen, bekannten Bahnen in Deutschland und im angrenzenden Ausland am Start gewesen. Titel und ein Stall voller Pferde inklusive. "Eigentlich ein absolutes Unding, so ganz ohne Vorbelastung", sagt Manfred Wandres.

Übers Zocken auf die Rennbahn gekommen

Er komme aus keiner Reiterfamilie, die Eltern hatten eine kleine Brauerei in Steinsfurt, die sie 1974 aufgaben. Der Vater sah immer gerne Galopprennen, "mein Bruder und ich haben gezockt, sind hin und wieder nach Baden-Baden gefahren, um zu Wetten". Dabei entstand die Idee, es selber zu probieren. In Kirchardt fand er in Walter Brehm, Georg Kobia und anderen Gleichgesinnte, die das Abenteuer zusammen wagten.

Es wurde eine, wenn auch kurze, Erfolgsgeschichte. Bereits über den Rennen im März 1977 hingen dunkle Wolken, die Firma Mogler wollte auf dem Gelände der Trabrennbahn erweitern, verschob ihre Pläne aber noch. "Es geht wieder aufwärts mit dem Pferdesport in Kirchardt", hieß es am 30. August in der Stimme. Ein paar Rennen folgten noch. Doch Anfang der Achtziger war Schluss.

In Kirchardt startete Manfred Wandres aus Steinsfurt eine erfolgreiche Galopper-Karriere. Foto: privat
In Kirchardt startete Manfred Wandres aus Steinsfurt eine erfolgreiche Galopper-Karriere. Foto: privat  Foto: privat

Wann genau, weiß auch Wandres nicht, die Jahre verschwimmen. Der Reitverein spaltete sich bereits 1976 ab, ging eigene Wege. Mit ihren Rennen verschwanden auch die Traber von der Bildfläche. Der Verein indes erlosch erst vor zehn Jahren, zu Lebzeiten seines früheren Vorsitzenden Georg Kobia. Das restliche Geld wurde dem Kindergarten gespendet. Es ist die letzte Spur des Vereins.

 
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