Kirchardter Bildhauer hofft auf Rettung des Rathaus-Wandbildes
Kunsthandwerkermeister Raimund Pisot hatte das Steinrelief im Jahr 1967 fertiggestellt. In wenigen Jahren steht das Gebäude vor dem Abriss. Wird das Kunstwerk in diesem Zuge mit entsorgt? Stimme.de traf den 83-jährigen Meister vor seinem Werk.

Raimund Pisot blickt auf das Wandbild, das die Fassade des Kirchardter Rathauses ziert. Der 83-Jährige ist der Vater des aus Naturstein gefertigten Reliefs. 1967 wurde die städtische Verwaltungsimmobilie eingeweiht und mit ihr das etwa vier Meter breite und drei Meter hohe Relief. Der Bildhauer-Meister hatte zuvor monatelang an den sechs Platten gearbeitet, die seitdem jeden Rathausbesucher begrüßen.
Das Material, so erinnert sich der Kirchardter, stammt aus einem Muschelkalk-Steinbruch in der Gegend um Tauberbischofsheim. "Gut zu bearbeiten und wetterfest" sei der Stein, daher habe er ihn ausgewählt. Zuvor hatte der Bildhauer den Entwurf dem Gemeinderat und dem damaligen Bürgermeister Heinz Maag vorgelegt. Dann ging es im Winter 1966/67 mit dem Pressluft-Meißel ans Werk.
Was die geheimnisvollen Symbole aussagen
15 Motive, verteilt auf fünf große und eine mittelgroße Platte, sind auf diese Weise entstanden. Rechts oben thront das Gemeindewappen, eine Eichel. Es folgen, im Uhrzeigersinn: Industrie, Bau und Handwerk, dargestellt durch Zahnrad, Senkblei und das deutsche Handwerkerzeichen. Sodann Glaube und Bildung, dargestellt durch ein Kreuz, ein Gänsekiel, Bücher und eine Eule. Staat und Gerechtigkeit sind durch einen Adler und eine Waage symbolisiert. Das Vereinswesen wird durch die Harfe (Gesangvereine), die Staude (Obst- und Gartenbauverein) sowie die Zielscheibe (Schützenverein) repräsentiert. Land- und Forstwirtschaft prangen in Form von Ähren und Bäumen am Rathaus.
Kurz nach Fertigstellung des Wandbildes sei er häufig auf die Motive angesprochen worden, erzählt der Meister, der seit 2004 im Ruhestand lebt. Heute stelle kaum mehr jemand eine Frage dazu. Pisot hofft, dass sein Kunsthandwerks-Erzeugnis aus dem Jahr 1967 trotz des Umzugs und späteren Abrisses des Rathauses gerettet werden kann. Technisch müsse es möglich sein, denn die sechs Platten mit den Motiven seien mit je vier Dübeln an der Fassade befestigt. "Dahinter gibt es Hohlräume, erinnert sich der Kunsthandwerker.
Wann das Rathaus der Abrissbirne zum Opfer fallen wird
Ab dem kommenden Jahr werden die ehemaligen Räumlichkeiten der Kirchardter Zentrale der Raiffeisenbank Kraichgau zum neuen Rathaus umgebaut. Mit einem Umzug vom bisherigen Rathaus in die das ehemalige Bankgebäude rechnet Kirchardts Bürgermeister Gerd Kreiter im Lauf des Jahres 2022. Wenn dann noch ein neuer Platz für den Bauhof, der mit im Rathaus untergebracht ist, gefunden worden sei, seien die Tage des alten Rathauses gezählt. "Die Abrissbirne kommt so der so, es nur die Frage wann." Man habe schon darüber nachgedacht, die gestalteten Muschelkalkplatten an den neuen Standort umzuziehen. Ein letztes Wort sei darüber aber noch nicht gesprochen, so der Bürgermeister.
Wo sich die Verwaltung ds Orts früher befand
Das Rathaus-Wandbild ist nicht er einzige Auftrag, den der Kirchardter Bildhauer an öffentlichen Gebäuden ausgeführt hat. So habe er an der Katholischen Kirche in Grombach die Figuren von Josef und Maria gefertigt und angebracht, erinnert sich der 83-Jährige.
Das alte Rathaus wurde um 1570 an der Ecke Heilbronner Straße/Hauptstraße errichtet. Im Jahr 1810 war es "in einem bedenklichen baulichen Zustand", wie die Chronik der Gemeinde Kirchardt berichtet. Das Haus wurde abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Dieser wurde 1813 bezugsfertig. Das Gebäude diente fast 160 Jahre seinem Zweck, war nach dem Zweiten Weltkrieg für eine moderne Verwaltung jedoch zu eng geworden und 1967 abgerissen. Im selben Jahr wurde das heutige Rathaus laut Chronik "im modernen Glasbeton-Stil" eingeweiht.