"Ein Besuch für Tagesgäste lohnt sich"
Kirchardts Bürgermeister Gerd Kreiter verrät, wo sich Kirchardts versteckte Reize befinden. Außerdem geht es um neue Einsichten, die die Pandemie ermöglicht, sowie um Tischtennis-Duelle mit seinen Söhnen.

Kirchardts Reize stecken im Verborgenen. Doch es gibt sie. Schließlich ist die Gemeinde eine der am stärksten wachsenden im Heilbronner Land. Bürgermeister Gerd Kreiter verrät im Stimme-Interview, wo der Schuh drückt und wo er sich am liebsten aufhält.
Kirchardt verfügt abgesehen von den Kirchen nur über lokal bedeutende Sehenswürdigkeiten, etwa eindrucksvolle Fachwerkhäuser und historische landwirtschaftliche Anlagen. Mit welchen Argumenten locken Sie Besucher in die Gemeinde?
Gerd Kreiter: Kirchardt ist kein Fremdenverkehrsort. Trotzdem lohnt sich für Tagesgäste ein Besuch in Kirchardt. Da ist zum Beispiel der Walderlebnispfad im Haftenwald oder der Bike-Park in Berwangen. Für Ausflügler haben wir mit dem Ratskeller in Bockschaft oder dem Eiscafé in Kirchardt attraktive Anlaufstellen. Unsere Bücherei ist ein Geheimtipp. Sie ist zwar klein, aber was die Ausleihzahlen angeht, kann Sie mit Büchereien größerer Städte locker mithalten. Auch unsere Hofläden haben sich einen guten Ruf über die Gemarkungsgrenzen hinaus erarbeitet.
Welches ist Ihr Lieblingsplatz in der Gemeinde?
Kreiter: Die Bank am Waldrand beim Grillplatz im Haftenwald. Von dort kann man insbesondere in den Abendstunden den Ausblick über die Gemarkung bis nach Berwangen genießen.
Kirchardt wächst und wächst, die 6000er-Marke haben Sie dieses Jahr überschritten. Was sind die Haupt-Wachstumsfaktoren?
Kreiter: Hauptwachstumsfaktor ist der vergleichsweise sehr hohe Geburtenüberschuss. In den vergangenen 20 Jahren sind in Kirchardt fast 600 Personen mehr geboren als gestorben. Landesweit gibt es im gleichen Zeitraum hingegen ein Geburtendefizit. Der Wanderungssaldo ist in Kirchardt im Landesvergleich deutlich unterdurchschnittlich. Trotzdem sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten etwa 120 Menschen mehr nach Kirchardt hin- als weggezogen.
Zur Person
Gerd Kreiter ist seit 2016 Bürgermeister der Kraichgau-Gemeinde Kirchardt. Nach dem Studium mit dem Abschluss als Diplom-Verwaltungswirt an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Ludwigsburg war Kreiter zunächst im Hauptamt der Stadt Bad Friedrichshall und danach 25 Jahre bei der Stadt Bad Rappenau beschäftigt. 15 Jahre davon war er als Stadtkämmerer tätig. Der 54-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von 19 und 20 Jahren.
Die Gemeinde investiert zwischen 2019 und 2021 knapp sechs Millionen Euro in Schule und Kitas. Der Umzug des Rathauses ist auch nicht für Nullouvert zu haben und steht unmittelbar danach an. Ist diese Schlagzahl dauerhaft zu halten?
Kreiter: Ein ganz klares Nein. Das wird nicht zu halten sein. Wir konnten die hohen Investitionen aufgrund von Reserven und einer guten wirtschaftlichen Entwicklung in Kombination mit Landeszuschüssen stemmen. Wir kommen nun in eine Phase, in der die Rücklagen aufgebraucht sein werden und die Gesamtwirtschaft einen großen Einbruch verkraften muss. Das wirkt sich unmittelbar auf die Gemeindefinanzen und damit auch auf unser Investitionsprogramm aus.
Wie stark trifft Kirchardt die Pandemie insgesamt, welche Bereiche des Gemeindelebens sind besonders betroffen?
Kreiter: Seit Beginn der Pandemie haben wir in Kirchardt landkreisweit die höchsten Infektionszahlen im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Wir mussten leider schon mehrfach ganze Schulklassen und Kindergartengruppen in Quarantäne schicken. Manche Familien sind sogar schon zweimal davon betroffen. Die Pandemie trifft alle mehr oder weniger stark. Das gesellschaftliche Leben ist inzwischen fast zum Erliegen gekommen. Damit kämpfen alle Vereine, Organisationen, Kirchen, aber auch Betriebe und Privatpersonen.
Gibt es Bauvorhaben oder andere Projekte, die wegen der finanziellen Folgen der Pandemie verschoben werden müssen?
Kreiter: Wir werden insgesamt unser Investitionsprogramm strecken. Der Umbau des Bürgerzentrums wird in Bauabschnitten verwirklicht und der Umzug ins neue Rathaus wird sich ins Jahr 2022 hinziehen. Auch andere Investitionen wie der Kanalumbau in der Ortsdurchfahrt Kirchardt oder der Neubau des Bauhofes werden leider noch etwas warten müssen. Im Rahmen der Haushaltsplanberatungen für das nächste Jahr werden wir im Gemeinderat die Einzelheiten besprechen und beschließen.
Die Pandemie ist in vielen Bereichen Neuland. Selten in der Nachkriegszeit hat ein Ereignis in der Bundesrepublik das Alltagsleben der Bürger so durcheinandergewirbelt. Was haben Sie ganz persönlich in der Krise neu erfahren?
Kreiter: Ich habe erfahren, dass Dinge, die sowohl privat als auch beruflich vor der Pandemie ganz wichtig und dringend waren, plötzlich in den Hintergrund gedrängt worden sind und nun einen ganz anderen Stellenwert bekommen haben. Es wurde das Bewusstsein gestärkt, dass unsere Gesundheit und unser Wohlstand keine Selbstverständlichkeit sind und dass wir mehr Respekt vor der Natur und der Umwelt haben sollten.
Mit welcher Freizeitbetätigung entspannen Sie sich am liebsten?
Kreiter: Mit Spaziergängen und Fahrradtouren mit meiner Frau oder jetzt in der kalten Jahreszeit mit Tischtennisduellen mit meinen Söhnen. Ab und zu auch mit etwas Hausmusik am Klavier.