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Der Störzbach-Besen ist eine reine Frauenwirtschaft

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Im Böckinger Besen der Familie Störzbach führt ausschließlich das weibliche Geschlecht das Regiment. Männer kommen nur als Gäste vor. Das Lokal ist fast schon Kult im größten Heilbronner Stadtteil.

von Helmut Buchholz
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Die 80-jährige Hilde Störzbach in Aktion: Die bodenständige Küche des Besens besteht aus so manchem Geheimrezept der Familie.
Fotos: Mario Berger
Die 80-jährige Hilde Störzbach in Aktion: Die bodenständige Küche des Besens besteht aus so manchem Geheimrezept der Familie. Fotos: Mario Berger  Foto: Berger, Mario

In den größten deutschen Unternehmen sind Frauen in Führungspositionen immer noch recht selten, um nicht zu sagen Exotinnen. Doch während man sich in der Republik schon seit vielen Jahren den Kopf darüber zerbricht, wie man die Frauenquote erhöhen kann, gibt es in Böckingen einen Ort, wo ausschließlich das weibliche Geschlecht das Kommando hat. Der Besen der Familie Störzbach ist eine Hochburg des Matriarchats. In Küche und Service arbeiten ausschließlich Frauen.

Männer kommen nur als Gäste im traditionsreichen Lokal vor, das so eine Art gastronomisches Mekka im größten Heilbronner Stadtteil ist. Die Besentradition der Familie begann nach dem Zweiten Weltkrieg in Heilbronn. "Wir haben das Wohnzimmer freigeräumt und Wein ausgeschenkt, wir waren ja dort total ausgebombt", erinnert sich die 80-jährige Seniorwirtin Hilde Störzbach. Die Familie betrieb dann das legendäre Lokal "Schwarze Katz" in Heilbronn, bevor Hilde Störzbach, eine geborene Beutinger, gastronomisch auf die andere Seite des Neckars wechselte.

Von Stutenbissigkeit keine Spur

Vor rund zwölf Jahren übernahm die Tochter von Hilde Störzbach, Petra Nothwang, als Chefin den Besen in der Böckinger Heuchelbergstraße. Die 52-Jährige hatte die Idee mit der hundertprozentigen Frauenquote. Und das kam so: "Ich wollte schon immer mein eigenes Business betreiben. Als ich den Besen übernahm, hatte ich viele Freundinnen, die nach der Babypause wieder zurück in den Beruf wollten." Da kam Petra Nothwang der Gedanke, die Freundinnen bei sich anzustellen. "Das war schon eine emanzipatorische Sache." Einen zweiten Besen mit gleicher Philosophie kennt die Böckinger Wirtin nicht. "Das ist einzigartig."

Sie sind zwei echte Originale in Böckingen: Hilde Störzbach (stehend, links) und ihre Tochter Petra Nothwang sind Herz und Seele der Besenwirtschaft, in der die Frauenquote bei den Beschäftigten hundert Prozent beträgt.
Sie sind zwei echte Originale in Böckingen: Hilde Störzbach (stehend, links) und ihre Tochter Petra Nothwang sind Herz und Seele der Besenwirtschaft, in der die Frauenquote bei den Beschäftigten hundert Prozent beträgt.  Foto: Berger, Mario

Macht es nun einen Unterschied, in einem reinen Frauenbetrieb zu arbeiten? "Nein", antwortet Petra Nothwang. Die Störzbachs beweisen, dass die Stutenbissigkeit, die man Frauen untereinander gemeinhin nachsagt, ein Klischee ist. "Wir haben eine gute Stimmung im Team und passen gut zueinander. Wir haben eine gute Aura. Alle Positionen sind gut besetzt", versichert die Betriebschefin.

Der Besen ist ein klassenloser Schmelztiegel

Die Gäste goutieren das Konzept. Besser noch: Der Störzbach Besen ist fast schon Kult in Böckingen. Petra Nothwang: "Wir haben zu 98 Prozent Stammgäste." Mittlerweile komme auch jüngeres Publikum, weil Heilbronn immer mehr Studenten hat. Die Animositäten, die es zwischen Böckingern und Heilbronnern von jeher gibt, spielen in dem Lokal kaum eine Rolle. Hilde Störzbach betont: "Die Leute kommen von überall her zu uns." Es gebe auch viele Gäste, die alleine da seien: die Wirtschaft als Treffpunkt, ein klassenloser Schmelztiegel. "Viele haben sich in unserem Lokal kennengelernt, auch Paare, die dann später hier ihre Hochzeit gefeiert haben", berichtet die Juniorwirtin. Ihrer 80-jährigen Mutter sagen die Gäste Entertainertalent nach. Die Leute fordern sie auf "Hilde, erzähl' uns einen Witz", wenn sie mal wieder richtig lachen wollen.

Die generationenübergreifende Zusammenarbeit hat Riesenvorteile: "Meine Mutter und ich sind einfach gute Köchinnen", sagt Petra Nothwang selbstbewusst. In der bodenständigen Küche gibt es so manches Geheimrezept der Familie, das nicht verraten wird. Alle Soßen sind selbstgemacht, "Fertigprodukte gibt es bei uns nicht", hebt die 52-Jährige hervor. Besonders beliebt sind die Schälrippchen, die es nur mittwochs gibt, weil der Aufwand so groß ist.

Die Weine, die im Besen ausgeschenkt werden, kommen vom Heilbronner Weingut Kistenmacher & Hengerer. Hans Hengerer ist ein Großcousin von Petra Nothwang. Er bewirtschaftet auch die Weinberge der Störzbachs, die ihren Besen immer noch "als unser großes Wohnzimmer" sehen. "Zwischenmenschlichkeit wird bei uns großgeschrieben", sagen Mutter und Tochter unisono. Sie sind zwei echte Originale in Böckingen.

 

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