Auch der zweite Blick lohnt sich bei einem Spaziergang durch Güglingen
Wein, Römer, Kunst: Schon das Willkommensschild am Ortseingang macht den Besucher auf die drei wichtigen Themen in Güglingen aufmerksam. Vor allem Kunst begegnet einem bei einem Spaziergang durch die Stadt auf Schritt und Tritt.

Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Wer zum Beispiel im Eine-Welt-Laden im Deutschen Hof einen Kaffee trinken möchte, tritt unweigerlich auf ein Kunstwerk. Das Pflaster vor der Eingangstür ziert ein vierblättriges Kleeblatt aus weißen Steinen mit einer dunklen Hand in der Mitte und einem Würfel.
"Das symbolisiert das Glück in der Hand", erklärt Roland Baumann, der zu jedem der mehr als 40 Kunstwerke in der Stadt eine Geschichte erzählen kann. Der heutige Stadtführer arbeitete vor seinem Ruhestand viele Jahre in der Stadtverwaltung. Das Kleeblatt, erklärt er, bildete früher den Eingang zu einem Lotto-Geschäft. Doch das ist ausgezogen, wie so viele Läden, die es einst im Deutschen Hof rund um die Herzogskelter gab.
Früher war im Deutschen Hof mehr los
"Früher war hier viel mehr los, es gab mehr Leben", erzählt Heidi Beck, die seit 19 Jahren Briefe in der Güglinger Innenstadt austrägt. Einen Edeka, einen Buchladen, einen Optiker und ein Elektrogeschäft habe es mal im Deutschen Hof gegeben. Jetzt stehen einige Gebäude leer oder beherbergen zumindest keine Einzelhändler mehr. In den ehemaligen Edeka-Markt ist zum Beispiel ein Personal-Management-Unternehmen gezogen.

Das heißt aber nicht, dass die Güglinger wenig Einkaufsmöglichkeiten hätten. Im Gegenteil: Es gibt einige Geschäfte, auch Gastronomie, Ärzte und Apotheken. Nur eben nicht mehr im Deutschen Hof. Supermärkte haben sich am Stadtrand angesiedelt. "Wir kommen immer zum Einkaufen nach Güglingen", erzählt Ingrid Müller aus Paffenhofen. Auch, um essen zu gehen oder einen Kaffee zu trinken, ist die Stadt ein beliebter Anlaufpunkt in der Umgebung. "Hier hat"s alles", bringt es Andrea Schwarz auf den Punkt. Sie wohnt im Stadtteil Eibensbach. Was allerdings zu wünschen übrig lasse, sei die Busverbindung. Man sei in Güglingen und seinen Stadtteilen weitgehend auf das Auto angewiesen. So ist es auch kein Wunder, dass die Autokolonne durch die Innenstadt kaum abreißt.
Eine bessere Busverbindung in die umliegenden Gemeinden wäre auch für das Personal von Markus und Diana Hoffmann praktisch. Sie betreiben die Herzogskelter mitten im Ort. Ansonsten sind die Gastronomen aber begeistert von Güglingen. "Es ist eine feierfreudige Stadt mit einem tollen Vereinsleben", sagt Markus Hoffmann. In die Herzogskelter, die ein Restaurant, einen Veranstaltungssaal und Hotelzimmer in sich vereint, kommen viele Firmengäste aus der ganzen Welt, erzählt Diana Hoffmann. Denn in Güglingen sind internationale Unternehmen wie Layher und Weber-Hydraulik ansässig. Aber auch durch den nahegelegenen Freizeitpark Tripsdrill kommen einige Übernachtungsgäste in die Stadt. Die Auslastung sei sehr gut. Zugleich kämen viele Einheimische ins Restaurant.
Nur einheimischen Wein auf den Tisch

Einheimisch ist auch der Wein, den die Hoffmanns anbieten. In der Herzogskelter und in anderen Restaurants der Stadt kommen nur Weine der Weingärtner Cleebronn-Güglingen auf den Tisch. Übrigens bezieht sich der Name der Kelter auf Herzog Christoph von Württemberg, der sie 1568 erbauen ließ. Sie diente bis 1976 zur Lagerung der Wein- und Fruchternte. In den Jahren 1979 bis 1981 wurde sie im Zuge der Stadterneuerung zu einem Bürgersaal mit Restaurant und Hotel umgebaut.
Das Thema Wein begegnet einem aber nicht nur in, sondern auch vor der Herzogskelter. Hier steht ein Brunnen, aus dem eine zweiköpfige Stele ragt, umgeben von Kugeln. Oder sind es Trauben? Letzteres liegt nahe, wenn man weiß, wozu die kleinen silbernen Röhrchen da sind, die rechts und links kaum sichtbar aus der Stele ragen. Aus dem Brunnen fließt nämlich nicht nur Wasser, sondern auf Bestellung im Rathaus auch Wein - auf der einen Seite rot und auf der anderen Seite weiß.
Kunstwerke anstelle von Türklinken

In Güglingen lohnt es sich aber nicht nur am Weinbrunnen genau hinzusehen. Sogar an Stellen, wo man es nicht vermuten würde, verbergen sich kleine Überraschungen. Wie etwa an der Türklinke zur Pizzeria Cisterna di vino. Wer die Tür öffnen will, greift in eine goldfarbene Hand. Nebenan, an einem ehemaligen Schmuckgeschäft findet man anstelle einer Türklinke eine filigran geschnitzte Holzfigur. An Hauswänden im Deutschen Hof lassen sich außerdem Abgüsse aus der Römerzeit entdecken.
Apropos Römer: An ihnen kommt man in Güglingen nicht vorbei. Zentral, neben der Mauritiuskirche, befindet sich das Römermuseum. Es beherbergt seit 2008 rund 1500 Exponate. Die Dauerausstellung präsentiert zahlreiche römische Hinterlassenschaften aus dem Zabergäu sowie dem Vicus von Güglingen.

Und da ist er wieder: der Name Heinz Rall. Ihn erwähnt Roland Baumann oft beim Rundgang durch die Stadt. Der Architekt Rall hat unter anderem initiiert, dass das Alte Rathaus zum Römermuseum umgebaut wurde. Aber nicht nur das. Ihm und dem früheren Bürgermeister Manfred Volk hat die Stadt einiges zu verdanken, sagt Baumann. Sie waren es, die die Stadtsanierung in den 1970er und 80er Jahren vorangebracht haben. Rall war außerdem für die Umgestaltung der Mauritiuskirche 1976/77 verantwortlich. Auch hier lohnt es sich, etwas genauer hinzusehen und vor allem einen Blick in die Kirche zu werfen. Ist ihr Äußeres eher schlicht, erwartet einen im Inneren eine Überraschung.
Überraschung im Inneren der Mauritiuskirche
Über die Autorin
Katharina Müller ist in der Regionalredaktion der Heilbronner Stimme für die Berichterstattung aus dem nördlichen Landkreis zuständig. Bei der Aktion "50 Wochen - 50 Orte" hat sie das Los für den Ortsspaziergang in Güglingen gezogen. Dahinter steckt die Idee, einen anderen Blick auf die Orte zu bekommen. Zuständig für Güglingen ist Redakteur Wolfgang Müller.
Die Wand des Gottesdienstraumes ist ein einziges Kunstwerk mit geometrischen Formen, gedeckten Farben und viel Symbolik. Schräg hinter dem Altar prangt etwa eine große weiße Fläche an der Wand. Baumann weiß, dass an dieser Stelle früher die Kanzel war. Die weiße Fläche dient heute als Leinwand, gleichzeitig ist sie Bestandteil des Wandbildes. Das "unbeschriebene Blatt" ist ein Symbol für die Zukunft, so Baumann.
Ein Hingucker ist auch das neue Güglinger Palmtuch, das an der Nordseite angebracht ist. Es soll an das Original erinnern, das bei einem verheerenden Kirchenbrand 1849 zerstört wurde. Das neue Palmtuch ist ein Kunstwerk aus 40 Abbildungen aus dem Alten und Neuen Testament. Stundenlang könnte man sich in der Kirche aufhalten und die Malereien interpretieren. Wer nicht so viel Zeit hat, muss in Güglingen vielleicht nicht nur öfter einen zweiten Blick riskieren, sondern auch einen zweiten Besuch.