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Cleebronn
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Feuerwerk und Granaten aus Cleebronn

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Wilhelm Fischer gründete 1884 das erste große Industriegebiet im Zabergäu. Heute befindet sich auf dem Gelände das Baugebiet "Unter dem Schloss". Jahrzehntelang wurden hier Feuerwerkskörper, aber auch Munition hergestellt. Diese Tradition lebt in der Gemeinde aber weiter fort.

Von Birgit Riecker
Blick in die Werkstatt. Das Foto ist nicht datiert. Eine ehemalige Mitarbeiterin hat es unserer Zeitung zur Verfügung gestellt.
Repros/Archivfoto: Birgit Riecker
Blick in die Werkstatt. Das Foto ist nicht datiert. Eine ehemalige Mitarbeiterin hat es unserer Zeitung zur Verfügung gestellt. Repros/Archivfoto: Birgit Riecker  Foto: Scan: Birgit Riecker

Das neue Cleebronner Baugebiet "Unter dem Schloss" - der Spatenstich war 2010 - steht auf einer Industriebrache. In der Schlossklinge hatte Wilhelm Fischer 1884 seine Feuerwerksfabrik, den ersten großen Industriebetrieb im Zabergäu, gegründet, und damit den Grundstein für die bis heute anhaltende Feuerwerkstradition in der Gemeinde gelegt.

"Unbürokratisch und auch ein wenig sorglos", so Chronist K.W. Beisel, "trocknete man über Nacht die Schießbaumwolle in den gemeindeeigenen Backhäusern, und Mitarbeiter fertigten Feuerwerkskörper in Wilhelm Fischers Gaststätte in Anwesenheit rauchender und trinkender Gäste."

Keine Elektrizität, kein fließendes Wasser

Die Arbeitsbedingungen für die 40 bis 50 Arbeitskräfte waren schwierig: Es gab keine Elektrizität und kein fließendes Wasser. Erst 1902 kamen die ersten Benzinmotoren mit Dynamo auf den Markt, so dass ein Aggregat mit Akku-Batterie aufgestellt werden konnte. Anstelle der Heizöfen, die eine ständige Gefahr bedeuteten, wurde 1903 eine Niederdruck-Dampfheizung eingerichtet. 1907 bekam Wilhelm Fischer den Ehrentitel "Königlicher Hoffeuerwerk-Techniker". 1910 trat er zurück, 1912 kaufte sein Sohn Oskar das Werk. Die Nachfrage nach Feuerwerken wuchs. 1913 betrug die Belegschaft 86 Mitarbeiter.

Mit dem Ersten Weltkrieg kam die Umstellung der Produktion: Jetzt musste die Firma Heeresbedarf herstellen. Sie fertigte Signal- und Leuchtmunition, rauchentwickelnde Geräte und Brandgeschosse zur Flugabwehr. Der verlorene Krieg und die nachfolgende Inflation zwangen Oskar Fischer, das Unternehmen 1923 in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln.

Luftschutzbunker für die Bevölkerung

Auf dem Gelände unter dem Schloss Magenheim, später Buck-Gelände genannt, wurden jahrzehntelang Feuerwerkskörper, aber auch Munition hergestellt.
Auf dem Gelände unter dem Schloss Magenheim, später Buck-Gelände genannt, wurden jahrzehntelang Feuerwerkskörper, aber auch Munition hergestellt.  Foto: Scan: Birgit Riecker

Beim 75-jährigen Jubiläum im Jahr 1927 hatte das Unternehmen 107 Mitarbeiter, und die Zündholz-Exportzentrale in Hamburg erwarb die Mehrheit der Aktien. Dies führte 1929 dazu, dass das Cleebronner Werk Teil der "Deutschen Pryrotechnischen Fabriken AG, Berlin" (Depyfag) wurde. Als Oskar Fischer 1930 ausschied, war die Zahl der Betriebsangehörigen auf 27 gesunken. Mit mehreren Besitzerwechseln kam der Aufschwung. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs gab es 400 Mitarbeiter, die aber nun Leucht- und Signalmunition herstellten. Zwangsarbeiterinnen kamen hinzu. Die Bevölkerung war während der Luftangriffe froh an den Luftschutzbunkern und dem tiefen, rund 130 Meter langen Stollen in den Schlossberg,

Die amerikanische Besatzungsmacht stellte die Firma unter das Dach der IG Farben. 1946 wurde der Betrieb mit wenigen Leuten wieder aufgenommen. Hergestellt wurden Universalzünder und Schädlingsbekämpfungsmittel. Erst nach der Währungsreform wurden wieder Feuerwerkskörper gefertigt.

Spatenstich fürs Baugebiet im April 2010: (v.l.) Eberhard Gienger, Friedlinde Gurr-Hirsch, Richard Drautz, Gerhard Eisele, Thomas Vogl und Jürgen Schöck.
Spatenstich fürs Baugebiet im April 2010: (v.l.) Eberhard Gienger, Friedlinde Gurr-Hirsch, Richard Drautz, Gerhard Eisele, Thomas Vogl und Jürgen Schöck.  Foto: bi

1952 wurde die Cleebronner Fabrik der Dynamit-Actien-Gesellschaft, vormals Alfred Nobel & Co., in Troisdorf zugeschlagen. "Bei Nobel ging's uns nobel", erzählt eine ehemalige Beschäftigte, die nicht namentlich genannt werden will. "Wir bekamen ein gutes Gehalt und bis heute gibt es Betriebsrente."

Viel Lob erhielten die Cleebronner für ihre Großfeuerwerke, wie im Blühenden Barock, beim Südwestfunk Baden-Baden, in Karlsruhe, beim Seenachtsfest und in Heidelberg. Beim Feuerwerksfestival in Cannes überreichte ihnen 1967 gar Miss Frankreich den ersten Preis. Doch gleichzeitig krankte das Geschäft mit Leucht- und Signalpatronen, Rauch- und Nebelkörpern für die Bundeswehr. "Ich denke, das lag am Ende des Kalten Krieges", meint die frühere Mitarbeiterin. "Zuvor haben wir zum Beispiel CN- und CS-Tränengasgranaten gefertigt", sagt sie. "Einmal kam sogar ein Auftrag aus Libyen: Ghaddafi bestellte 100.000 Stück."

Die Wiedervereinigung war dann ein Zeichen einer friedvolleren Zeit, die aber von der Geschäftsleitung nicht als Chance erkannt wurde. So konnten auch die letzten Eigentümer, die Buck-Brüder, 1991/1992 nur 15 Monate durchhalten.

 

Zink Feuerwerke

Paul Zink, langjähriger Mitarbeiter der Depyfag, gründete 1949 sein eigenes Unternehmen auf der Cleebronner Heide und spezialisierte sich auf Feuerwerke. Sein Sohn Walter Zink übernahm den Betrieb im Jahr 1980. Der langjährige Gemeinderat und wie sein Vater Ehrenbürger der Gemeinde starb 2019 im Alter von 85 Jahren. Das Unternehmen wird in der dritten Generation von Beate Zink und Arne von Boetticher geführt. 

 
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