Wo Moderne und Historie, Stadt und Land verschmelzen
Beim Ortspaziergang begibt sich die Redakteurin auf die Suche nach dem Bad Friedrichshall jenseits von Salztradition und Verkehrsgedränge. Und findet einen Ort zum Wohlfühlen.

Salz und Stau, diese beiden Wörter verbindet die Redakteurin sofort mit Bad Friedrichshall - und ein Erlebnis als Volontärin, als niemand, wirklich keine Menschenseele, bei einem Spaziergang mit ihr reden wollte. Nun ja, das liegt Jahre zurück. Es ist wohl an der Zeit, das abzuhaken und Bad Friedrichshall eine neue Chance zu geben. Schließlich muss die Stadt mit den knapp 20.000 Einwohnern noch mehr zu bieten haben als Salz, Stau und wortkarge Passanten.
Herbstidylle am Neckarufer
Vorbei am Hotel "Schöne Aussicht" - der Name ist Programm, das ist offensichtlich - geht es hinunter ans Neckarufer. Herbstlaub macht aus dem noch grünen Gras einen bunt gepunkteten Teppich. Es ist still - keine Menschen, kein Verkehrslärm. Nur das monotone Wummern der Industrie auf der anderen Seite des Flusses ist zu hören, bis eine Nilgans sich mit lautem Plätschern in die Luft schwingt und der Ruhe ein Ende bereitet. Sogleich rattert, knattert und pfeift eine Bahn über die nahe Brücke. Von dort oben bietet sich ein reizvoller Blick auf die Stadt, während unten auf dem Wasser ein Frachtschiff die Postkartenansicht perfekt macht.
Weg vom Neckar geht es rein in die Stadt. Doch im westlichen Teil von Jagstfeld sind die Straßen fast leer, alles scheint an diesem Mittwochnachmittag ausgestorben. Meter um Meter wird die Bundesstraße nun wieder hörbar. Die dortige "Ampel des Grauens" - in Pendlerkreisen gerne so genannt - bringt den Verkehr aus Richtung Heilbronn zum Stehen, sorgt für gehörigen Rückstau.

Modernes Stadtzentrum und reiche Geschichte
Doch auf der anderen Seite der pulsierenden Verkehrsader wird der eigentliche Charme dieser Stadt langsam sichtbar. Einerseits blitzen überall kleine architektonische Schönheiten der Vergangenheit - mal Backstein, mal Fachwerk, mal Jugendstil - hervor. Andererseits gibt es hier ein modernes Stadtzentrum mit zahllosen Einkaufsmöglichkeiten und Arztpraxen an gefühlt jeder Ecke.
Überquert man Jagst und Kocher, die von goldenem Herbstlaub gesäumt besonders idyllisch anmuten, finden sich auch im Stadtteil Kochendorf Restaurants, Cafés und kleine Geschäfte. In so manchem Schaufenster sind bereits die Vorboten des Weihnachtsfestes zu sehen. Und so glitzern dort bunte Christbaumkugeln im Licht der Oktobersonne.

Ein Ort zum Wohlfühlen
Die gute Infrastruktur Bad Friedrichshalls ist es auch, die Gudrun und Rolf Bube an ihrer Stadt schätzen. "Ich bekomme hier alles, was ich brauche, und kann überall hinlaufen", sagt Gudrun Bube. Seit 23 Jahren leben sie und ihr Mann inzwischen in Kochendorf. "Schon nach einem Jahr wussten wir, wir gehen hier nicht mehr weg", berichtet die 71-Jährige. Auch wenn es in der Heimat, dem Thüringer Wald, auch schön sei: "Wir fühlen uns hier einfach sehr wohl", sagt sie. Einziger Wermutstropfen: Unter der Woche biete in Kochendorf nur noch eine Gaststätte Mittagstisch an, das sei schade.
"Aber dass alles perfekt ist, das gibt es sowieso nicht", ist ihr Mann Rolf überzeugt. "Man muss auch zufrieden sein können", ergänzt der 75-Jährige und lächelt. Ohnehin sei Zufriedenheit etwas, das die Menschen wieder viel mehr lernen müssten, findet er. Und zufrieden wirken die beiden, als sie nach dem Gespräch an den alten Mauern der Kelter vorbei in Richtung des schmucken Renaissance-Schlosses Lehen schlendern.

Kochendorf bietet die historische Seite
In Kochendorf scheint man indes richtig zu sein, will man die historische Seite Bad Friedrichshalls kennenlernen. Greckenschloss und Sebastianskirche thronen über dem Stadtteil und das Ensemble aus Altem Rathaus, Kelter und Schloss Lehen versprüht so viel Altstadtflair, dass es einen sogar den regen Verkehr vergessen lässt, der sich fast ununterbrochen durch das Örtchen schlängelt.
"Das Alte Rathaus ist eines der schönsten Fachwerk-Rathäuser unseres Landes", steht da auf einer Informationstafel geschrieben. Und während man so das herrlich restaurierte Gebäude betrachtet, glaubt man das bereitwillig. Auch Katharina Jung hält an der Infotafel kurz inne. "Mama, gehen wir weiter?", will die kleine Marie wissen und zupft ungeduldig am Ärmel ihrer Mutter. "Es ist sehr schön hier, städtisch und ländlich zugleich", findet Katharina Jung. "Wir wohnen in Stuttgart und sind heute zu Besuch bei Oma und Opa", verrät sie. Die warme Nachmittagssonne habe sie zum Spaziergang animiert. Jetzt geht es weiter in Richtung Kocher, die Natur genießen.
Landleben pur in Duttenberg

Wem die Natur in der Kernstadt nicht ausreicht, der muss sich nur wenige Kilometer in den Ortsteil Duttenberg aufmachen. Dort herrscht Landleben pur. Zur Bestätigung erklingt gleich zu Beginn des kleinen Streifzugs aufgeregtes Gackern. Ein Dutzend Hühner erschreckt beim Eintreffen der Redakteurin, setzt dann aber - anscheinend wurde die Frau mit der Kamera als ungefährlich eingestuft - das eifrige Picken im Gras fort.
Geselligkeit kommt durch Corona zu kurz
Am Feuerwehrhaus in der Ortsmitte ist Helmut Remmlinger gerade mit den Mülltonnen beschäftigt. "Ich bin hier sowas wie der Hausmeister", sagt der 74-Jährige und lacht. "Wollen Sie sich umsehen?", fragt er. Und schon gibt es für die Frau von der Zeitung eine kleine Besichtigungstour durch das schöne Gebäude, das die Duttenberger Feuerwehr-Abteilung 2004 bezogen hat. Ursprünglich war das eine landwirtschaftliche Maschinenhalle, erklärt Remmlinger.

Stolz präsentiert er Fahrzeuge und Funkraum. In der Umkleide hängt sorgfältig aufgereiht die Einsatzkleidung der etwa 23 aktiven Duttenberger Feuerwehrleute. Vor allem der heimelige Aufenthaltsraum unter dem Dach "mit voll ausgestatteter Küche" sei für gesellige Stunden im Kameradenkreis optimal. "Ich habe hier sogar meinen 70. gefeiert", erzählt Remmlinger, der Mitglied der Altersabteilung ist.
Wegen Corona komme die Gemeinschaft derzeit aber leider zu kurz, bedauert er. Die werde in dem 1100-Einwohner-Ort ansonsten rege gepflegt. Ein paar Tipps für einen Rundgang durch Duttenberg hat Remmlinger auch noch parat, als sich die Redakteurin wieder auf den Weg macht. Ja, Bad Friedrichshall ist definitiv mehr als Salz, Stau und wortkarge Passanten.
Über die Autorin
Tamara Ludwig ist Redakteurin bei der Hohenloher Zeitung in Öhringen und hat im Rahmen von "50 Wochen - 50 Orte" das Los für Bad Friedrichshall gezogen. Zuständige Redakteurin ist hier Katharina Müller.