Warum die Weine vom Michaelsberg top sind
Sie wurden schon mehrfach als beste deutsche Genossenschaft ausgezeichnet. Doch den Weingärtnern Cleebronn-Güglingen ist der Meistertitel nicht in den Schoß gefallen. Vorstandschef Thoma Beyl zeigt, was die Kollegen dafür tun müssen.

Viele Trauben sind schon reif, so früh wie selten zuvor. Aber: Wann ist eigentlich der richtige Lesezeitpunkt? Thomas Beyl sucht – und findet die richtigen Antworten. Der 49-Jährige steht in einem Riesling-Wengert am Fuße des Cleebronner Michaelsbergs, zupft an einer Traube, nimmt die goldgelbe Beere auf die Zunge und blinzelt in die Sonne. „Mmh. Die Qualität ist spitze. Die Trauben sehen wunderbar aus. Die ganze Anlage steht top da.“ In der linken Hand hält Beyl ein i-Pad. Ein paar Stupser mit dem Zeigefinger – und alles, was für die Bonitierung, also für die Einstufung von Reife und Qualität wichtig ist, ist im Kasten, respektive im digital vernetzten System. Dann zieht Beyl weiter zum nächsten Wengert. Das i-Pad zeigt ihm den Weg. High Tech im Wengert.
Je höher die Qualität, um so höher das Traubengeld
Der 49-Jährige ist Vorstandsvorsitzender der Weingärtner Cleebronn-Güglingen und kontrolliert mit einem Kollegenteam regelmäßig den Reifegrad und Gesundheitszustand der Trauben und Rebanlagen, nicht erst im Herbst. Seit der in Weinsberg, bei Gert Aldinger (Fellbach) und im US-Staat Michigan ausgebildete Weinbautechniker 2006 in den Vorstand der Weingärtner Cleebronn-Güglingen gewählt wurde, wo er 2010 zum Vorstandschef avancierte, lässt er nicht locker, an der Qualitätsschraube zu drehen. Knackpunkt: „Im Prinzip wissen die Mitglieder ja, wie es geht. Aber das ist mit Aufwand verbunden, mit Mengenverzicht. Und das muss letztendlich honoriert werden.“ Also: Je höher die Qualität, um so höher das Traubengeld, das sich dadurch im langjährigen Schnitt zwischen einem Euro bei der Basis und bis zu vier Euro pro Kilogramm im Premiumbereich bewege.
Am Anfang hat es etwas geholpert
„Unterm Strich zahlt sich der Mengenverzicht und der teils doppelte Arbeitsaufwand tatsächlich aus“, beteuert Beyl, wobei er zugibt: „Am Anfang hat es geholpert. Der Durchbruch kam durch unseren ehemaligen Kellerchef Andreas Reichert“, dem 2021 der nicht minder erfolgreiche Max Kusic folgte. Aber Erfolg lasse sich nicht allein am Traubengeld bemessen, betont Beyl, sondern auch an der Wertschätzung durch Kunden, Multiplikatoren, Wettbewerbe. „Das tut gut. Wir schaffen ja nicht nur fürs Geld. Man braucht auch die Bestätigung, dass unsere leidenschaftliche Arbeit schmeckbar ist.“
Die mehrfach und verschiedentlich als beste WG Deutschlands ausgezeichnete Genossenschaft produziert und vermarktet ihre Weine über eine Qualitätspyramide: 50 Prozent des Ertrags fließen in die Basislinie ein, für die 100 Liter pro Ar geerntet werden dürfen. Der Ertrag für die mittlere Stufe, „Sankt M“, die 40 Prozent ausmacht, liegt bei 80 Liter. 50 Liter sind es beim „Herzog C“ und nur noch 30 Liter bei der Top-Linie „Emotion“.
Wetterkapriolen machen Wengertern zunehmend zu schaffen
Aber was muss der Wengerter tun, damit er sein Ziel erreicht, wie reguliert er die Menge, wie bleiben die Trauben gesund? Und: Wann ist der richtige Lesezeitpunkt? „Wenn wir das nur der Natur überlassen würden, wären wir aufgeschmissen“, witzelt Beyl mit Blick auf Wetterkapriolen, die den Wengertern im Zuge des Klimawandels zunehmend zu schaffen machen. „Wir müssen das ganze Jahr regulierend eingreifen. Zunächst werden die Weichen im Winter beim Rebschnitt gestellt.“
Eine weitere wichtige Maßnahme sei das Ausbrechen, also Reduzieren der Rebtriebe, gefolgt von der regelmäßigen Laubarbeit. „Es ist wichtig, dass alles immer gut durchlüftet ist und die Trauben möglichst lockerbeerig sind.“ Deshalb stehe die erste Bonitierung Ende Juni/Anfang Juli an, also rund drei Wochen nach der Blüte, die finale im August, „wenn man zur Not noch einmal ausdünnen kann“.
Den Zeitpunkt der Lese bestimme nicht mehr wie früher ein möglichst hoher Oechslegrad. Denn: „Viel Zucker, heißt ja viel Alkohol. Das will doch keiner.“ Ausschlaggebend sei vielmehr die physiologische Reife der Trauben. Hier will sich Feinschmecker Thomas Beyl weniger an Analysewerten orientieren als „an dem, was ich sehe und auf der Zunge spüre“.