Morgenrunde durch Cleebronn mit Dutzenden von Zeitungen
Inge Seyb ist seit 42 Jahren Zeitungszustellerin. Um 5 Uhr beginnt ihre Tour durch Cleebronn. Was sie dabei alles erlebt

Inge Seyb schiebt ihren Zeitungstrolley durch die Straßen Cleebronns. Der Himmel ist noch dunkel, es ist fünf Uhr. Vom Buchenweg führt ihr Weg in die Lindenstraße, dann in die Rotbühlstraße und weiter in die Schillerstraße. Zwischendrin stoppt sie ihren Trolley immer wieder, um die Heilbronner Stimme in eine Zeitungsröhre oder in einen Briefkasten zu stecken.
Seit 1982 verrichtet die 70-Jährige ihren Job – kaum ein Zusteller kann auf eine so stolze, beinahe schon historische Tätigkeit zurückblicken. Angefangen hatte sie mit 28 Jahren, als junge Mutter zweier Töchter. „Ich bin damals auch noch ins Geschäft gegangen“, erzählt die treue Zustellerin der Stimme.
Wie die Cleebronnerin Inge Seyb zum Zeitungsaustragen gekommen ist
Nach jeder Zustellschicht folgte eine weitere Arbeitsschicht: Bei der Weingärtnergenossenschaft Cleebronn arbeitete sie in der Abfüllung. 1989 wechselte sie zur Hosenschneiderei Häuser in Bönnigheim, wo sie in der Büglerei tätig war. Das Zeitungsaustragen blieb stets Tagesauftakt. Ab 2012 war sie dann wieder bei der Weingärtnergenossenschaft tätig. „Als Springerin“, wie die Cleebronnerin verrät. Versand und Abfüllerei waren ihre Tätigkeiten zu jener Phase.
Die Zeitungszustellung liegt in der Familie. „Meine Schwiegermutter und meine Tante haben das auch schon gemacht.“ Warum sie sich das schon als junge Mutter antat und bis heute jeden Tag in aller Herrgottsfrüh aufsteht? „Die Arbeit an der frischen Luft gefällt mir, aber nicht, wenn es regnet.“ Zwar hat Inge Seyb ein Regencape dabei, doch an manchen Tagen hilft auch das nichts: „Einmal bin ich bei Hagel zur Haustür aus. Nach vier Schritten musste ich umkehren und mich neu anziehen.“ Inge Seyb ist wettererprobt. Schon in ihrer ersten Saison als Zustellerin bekam sie es mit vier Wochen Schnee zu tun.
Wie die Zustellerin es schafft, jeden Morgen in aller Herrgottsfrüh aufzustehen
Inge Seybs Zustellbezirk heißt Cleebronn 3. Das ist der nordöstliche Zustellbezirk. Die größten Straßen sind die Schillerstraße und die Lindenstraße. Ihre Tour ist alles andere als linear: Immer wieder muss sie sich mit ihrer druckfrischen Fuhre vor- und zurückbewegen. „Es sind viele Sackgassen dabei.“ Insgesamt kommt die rüstige Dame dabei auf sechseinhalb Kilometer, schätzt sie. Wie sie es schafft, jeden Morgen aufzustehen, während die meisten Cleebronner noch friedlich schlummern? „Wenn der Wecker schellt, geht es halt raus“, so die Frühaufsteherin ganz pragmatisch.
Seitdem ihr Mann Kurt Rentner ist, hilft er seiner Frau beim Zeitungaustragen. Inzwischen ist Inge Seyb in der Lärchenstraße angekommen. Sie biegt ab in die Straße Im Winter, dann kommen Starenweg und wieder die Lärchenstraße. Über mangelnde Bewegung klagt die 70-jährige nicht. Leser trifft Inge Seyb zur frühen Morgenstunde eher selten. „Früher gab‘s welche, die schon auf die Zeitung gewartet haben“, erinnert sie sich. „Jetzt sind viele Rentner und holen die Zeitung erst später aus dem Kasten.“
Wie sich die Zeitungsabonnenten erkenntlich zeigen
Die Abonnenten zeigen sich besonders zu Weihnachtszeit erkenntlich. Dann gibt es auch mal ein kleines Trinkgeld: „Das sind aber ganz bestimmte.“ Als Zustellerin ist sie in Cleebronn oft die erste Ansprechpartnerin, wenn Abos urlaubsbedigt unterbrochen werden müssen oder umgeleitet werden. Nicht selten landet dann ein Zettel in ihrem Briefkasten mit der Unterbrechungsnachricht oder einer Interimsadresse. „Die sagen mir dann, wo die Zeitung währenddessen hin soll.“ Gelegentlich kommt bei ihr auch Kritik an. Etwa, wenn die Zeitung nach ausgiebigen Regenfällen nicht ganz trocken bei den Lesern ankommt, „Ich kann doch nicht jede Zeitungsröhre vor dem Einstecken trockenwischen.“ Was Inge Seyb besonders schätzt, sind die Natureindrücke, die sie beim Zeitungsaustragen sammelt: Der Vollmond, der Sonnenaufgang. „Manchmal erscheint ein riesiger Regenbogen am Himmel.“
Nach der Zeitungsrunde durch Cleebronn gibt es jeden Tag eine Belohnung
Wenn Inge Seyb ihre tägliche Tour hinter sich gebracht hat, gibt es zur Belohnung das gemeinsame Frühstück mit Ehemann Kurt. Ob sie den Zustelljob weiterempfehlen kann? „Das kommt auf den Typ an“, meint die rüstige Rentnerin. „Früh morgens aufstehen können muss man schon. Dann ist es meist wunderschön.“

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