In Güglingen schiebt die Stadtapotheke Nachschicht
Der Güglinger Apotheker Christian Gfrerer ist auch um 3 Uhr ganz Ohr für seine Kunden. Welche kuriosen Fälle er nachts erlebt

Güglingen schläft noch. In der Maulbronner Straße sind kaum Autos unterwegs, nur in Haus Nummer drei ist Licht: Die Stadt-Apotheke schiebt Notdienst. Die Nachtklingel weckt den Apotheker. Nach einigen Minuten erscheint Christian Gfrerer. Er hat sich seinen weißen Apothekerkittel übergezogen. Ein freundliches, junges Gesicht guckt durch die Notdienstluke. Hinter Gfrerer liegen nur wenige Stunden Schlaf. Der 32-Jährige hat im Büro eine Liege, deren Matratze ihm allerdings zu hart ist: „Das möchte ich bald ändern“, so der Güglinger.
„Wir sind eine Landapotheke, da ist es nachts ruhiger als in der Stadt.“ Gfrerer muss es wissen, denn seine bisherigen Stationen als Apotheker hat er in Großstädten absolviert: Bis vor einem Jahr war er in der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf beschäftigt, davor am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden. Seit Januar ist Gfrerer wieder in Güglingen.

Warum Notdienst in er Stadtapotheke Güglingen manchmal bitterer Ernst ist
Mit Nachtschichten ist die Stadt-Apotheke alle 15 Tage dran. Die Landesapothekerkammer hat für etwa 15 Apotheken in der Region eine Rotation organisiert. Notdienst gilt immer einen Tag lang. Die Stadt-Apotheke hält sich vom Ladenschluss bis 8 Uhr morgens bereit, an Sonn- und Feiertagen bis 8.30 Uhr. „Dann wechselt der Staffelstab nahtlos an eine andere Apotheke“, so Gfrerer. Nachtdienst sei kein Spaß, sondern oft bitterer Ernst. Besonders sensibel seien Antibiotika. Wenn die zu irgendeiner Tages- oder Nachtzeit fehlen, könne dies für bestimmte Patienten kritisch werden. „Bei immuninkompetenten Patienten kann die sofortige Antibiotikagabe entscheidend sein“, so der Apotheker. Er achte immer darauf, dass stets Reserven da seien. „Bei meinem letzten Dienst habe ich zwölf Packungen davon abgegeben.“ Manchmal komme es während Bereitschaftsdiensten auch zu kuriosen Szenen. „Häufig kommen Patienten mitten in der Nacht und fragen nach Nasenspray.“ In einem anderen Fall hätten Jugendliche nach einem Mittel gegen gerötete Augen gefragt. In Gfrerers letzter Nachtschicht kamen junge Eltern, die Babynahrung kaufen wollten.
Warum die Notdienstklappe unverzichtbar ist
„Das führen wir aber seit längerem nicht mehr.“ Besonders herausfordernd empfindet es der 32-Jährige, wenn Kunden ihn aus dem Tiefschlaf wecken: „Da weiß man ja erst mal gar nicht, wie man heißt“, ulkt der Apotheker. Dennoch gelte es, sofort konzentriert zu sein.
Wie notwendig empfindet Christian Gfrerer die Notdienstklappe? „Das ist Selbstschutz und in der Apothekenbetriebsordnung vorgeschrieben.“ Es habe in Apotheken in ganz Deutschland schon Fälle von Diebstahl und Überfällen gegeben, weil „Kundschaft“ im Landen stand und der Apotheker kurzfristig abgelenkt war. Gefährliche Situationen während des Notdienstes habe er noch nicht selbst erlebt. „Ich bin aber auch ein junger Mann.“ Von jüngeren Kolleginnen in anderen Apotheken habe er aber auch schon anderes gehört. Gelegentlich gebe es Konfliktpotenzial bei der Ausgabe von Drogen-Spritzbesteck. „Die Apothekeninhaberin hatte mitten in der Nacht deshalb schon mal eine Auseinandersetzung.“ Wie zeigen die Kunden, die außerhalb der üblichen Öffnungszeiten noch Apotheken-Hilfe erhalten, ihre Dankbarkeit? „Viele bedanken sich und bekunden ihre Erleichterung.“ Oft würden sich Kunden auch durch Trinkgeld oder Backwaren erkenntlich zeigen. „Heute hat sich eine Kundin eine halbe Stunde lang mit mir unterhalten.“

Wie Christian Gfrerer die nächtliche Wartezeit Zeit nutzt
Wenn keine Kundschaft klingelt, beschäftigt sich Christian Gfrerer oft mit Büroarbeit. Als Beispiel nennt der 32-Jährige die vorgeschriebene Dokumentation des Betäubungsmittelbestands. Dazu zählen beispielsweise Morphium-Pflaster, die gegen Schmerzen verschrieben werden. Dann und wann erneuert Gfrerer die Boden-Aufkleber mit der Aufschrift „Bitte Abstand halten“. Alkohol während der Notdienstschichten ist für Christian Gfrerer tabu. Wie fühlt man sich am Tag nach einer Nachtschicht in der Apotheke? „Das kommt ganz auf den Verlauf des Dienstes an. In der Regel stecke ich den Notdienst ganz gut weg. Das mag aber auch an meinem Alter liegen.“ In der Regel organisiere er es aber so, dass er danach einen Tag frei hat.

Stimme.de