Arbeit im Schlaflabor: Patienten sind die ganze Nacht unter Beobachtung
Zwei Sitzwachen haben die Patienten im Löwensteiner Schlaflabor die ganze Nacht im Blick. Warum sie die Arbeitszeiten praktisch finden.


Wenn andere ihren Feierabend genießen oder vielleicht schon ins Bett gehen, fängt der Arbeitstag von Martina Schleger und Anja Steinacker im Schlaflabor der Klinik Löwenstein erst an. Um 20 Uhr beginnt die Schicht der beiden Frauen, seit 22 Uhr beobachten sie die Patienten. Dass diese so früh ins Bett müssen, gefällt den meisten gar nicht, berichtet Martina Schleger im Zimmer 169 im ersten Obergeschoss. Heute schlafen nur sechs Personen, zufällig alles Männer, vor den Augen der beiden sogenannten Sitzwachen. "Normalerweise sind es acht“, erläutert Martina Schleger, die seit knapp 25 Jahren im Schlaflabor arbeitet.
„Arbeitszeiten waren praktisch mit kleinen Kindern“
"Ich hatte anfangs noch kleine Kinder. Da waren die Arbeitszeiten praktisch", berichtet sie. Ihr Mann habe morgens alles fertig gemacht und konnte flexibel in die Arbeit gehen. Als sie mittags ausgeschlafen hatte, holte sie die Kinder wieder vom Kindergarten oder aus der Schule ab. Auch Anja Steinacker ist schon lange dabei. Seit 16 Jahren. "Ich mache das gern. Mit den Menschen zu arbeiten, macht mir Spaß."
Denn die beiden beobachten die Patienten nicht nur beim Schlafen und dokumentieren Auffälligkeiten. Sie schließen unter Aufsicht einer medizinischen Fachkraft auch die vielen Elektroden und Sensoren an, helfen nachts, wenn jemand zur Toilette muss oder ein Kabel abgegangen ist. "Im Sommer rennen wir viel, weil die Menschen schwitzen", berichtet Anja Steinacker. Ab 4.30 Uhr wecken sie die Patienten, stöpseln alles wieder ab und desinfizieren die Geräte.
Bei der Arbeit viel über den Schlaf von anderen Menschen lernen
Die Sitzwachen haben zwar keine medizinische Ausbildung, über den Schlaf wissen sie aber schon einiges. "Man lernt bei der Arbeit was", sagt Martina Schleger. Zum Beispiel was REM-Phasen sind, was eine Schlafapnoe ist und was es für Unterstützungssysteme gibt. "Ich war auch überrascht, wie viele jüngere und dünne Menschen Probleme mit Atemaussetzern haben", sagt Anja Steinacker.
Die Patienten warten mitunter eineinhalb Jahre auf einen Termin im Schlaflabor, erzählt Martina Schleger. Da hatte ein 55-Jähriger aus Winnenden mit einem halben Jahr Wartezeit fast Glück. Er sei aber auch nur deshalb heute drangekommen, weil er in der nächsten Woche auf Reha wegen einer Herzschwäche geht, erzählt er. Seine erste Frage, als das Licht angeht: "Habe ich überhaupt geschlafen? Mir kam es nicht so vor."
Das hört Martina Schleger von vielen Patienten. Unter Laborbedingungen zu schlafen, sei für manche nicht so leicht. Am Finger klemmt ein Sensor, am Kopf kleben zahlreiche Elektroden, ein EKG ist angeschlossen. "Außerdem ist das Bett schmaler und nicht so bequem wie zu Hause", erzählt der Patient von seiner Nacht. Aber es sei schließlich auch kein Hotelaufenthalt. Befreit von allen Geräten, kann er sich nun noch einmal hinlegen, etwas zu trinken holen oder einfach aufs Frühstück und die Auswertung seiner Ergebnisse warten.
Wenn bei Schichtende der Tag erst beginnt
Diese druckt Anja Steinacker bereits aus. Sie war mit dem Abkabeln ihrer Patienten heute schneller als die Kollegin und bereitet sich auf das Schichtende um 6 Uhr vor. Vor allem im Sommer und Frühling sei es schön, so früh morgens aus der Klinik zu kommen. "Ich mag es, zu wissen, dass alle anderen jetzt aufstehen müssen, und ich bald zu Bett gehe." Manchmal fahre sie noch beim Bäcker vorbei und hole sich eine der ersten frischen Brezeln für den Heimweg nach Gellmersbach. Im Winter bange sie aber auch manchmal, ob sie heil den Berg in Löwenstein hinunterkomme mit dem Auto.
Ab 8 Uhr bespricht zum Beispiel Harald Englert, Ärztlicher Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums, die Ergebnisse mit den Patienten. Zu dieser Zeit sind Martina Schleger und Anja Steinacker bereits zu Hause, frühstücken noch oder gehen gleich ins Bett. Einschlafen am Tag ist für sie selten ein Problem. Sie haben sich daran gewöhnt.
90 Krankheiten können die Ursache für Schlafprobleme sein
Wer ins Schlaflabor muss, hat meist seit vielen Monaten oder Jahren Probleme mit dem Schlaf. Bis sie eine Diagnose-Nacht in Löwenstein verbringen können, vergeht im Schnitt noch einmal ein halbes Jahr, berichtet Schlaflabor-Leiter Dr. Harald Englert. Das Einzugsgebiet sei ganz Baden-Württemberg. Bei den Untersuchungen gehe es darum, herauszufinden, welche Erkrankung die Ursache für die Probleme der Patienten sein könnte. Zu den häufigsten von rund 90 Krankheiten zählen Schlafapnoe, wobei der Patient Atemstörungen hat, chronische Insomnie (Probleme mit dem Ein- und Durchschlafen zum Beispiel aufgrund von Stress oder psychischer Probleme), Parasomnie (plötzliches Aufwachen), Hypersomnie (subjektiv guter Schlaf, aber nicht erholsam), Schlafbewegungsstörungen wie das Restless-Legs-Syndrom oder Schichtarbeitsstörungen. Pro Nacht können in Löwenstein maximal acht Patienten immer von zwei Sitzwachen überwacht werden.