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Reportage
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Mit dem Jäger auf Pirsch im Fleiner Wald

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Plötzlich bellt ein Reh. Auch wenn sich kein Wild zeigt, die Morgendämmerung im Fleiner Wald ist dennoch ein Erlebnis. Für Martin Albrecht tut der Morgenansitz der Seele gut.

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Im Morgengrauen demonstriert Martin Albrecht, wie er die Repetierbüchse anlegt.
Im Morgengrauen demonstriert Martin Albrecht, wie er die Repetierbüchse anlegt.  Foto: Lina Bihr

Martin Albrecht hat jüngst den Pirschpfad mit dem Rechen frisch gefegt, damit unter den Sohlen des festen Schuhwerks kein Laub raschelt und keine verdorrten Äste knacken. Er leuchtet den Boden mit einer Taschenlampe aus. Auch der gerade erst abnehmende Mond sorgt für Licht, so dass die Expedition mit Redakteurin und Fotografin nicht in stockfinsterer Nacht beginnt.

4 Uhr: Ein Zeitpunkt, zu dem sich der Fleiner zur morgendlichen Jagd aufmacht. Auch wenn sich in zweidreiviertel Stunden Ansitz kein Wild aus der Deckung wagt und vor die Flinte kommt - allein das Erwachen des Waldes zu beobachten, die unvermittelt aufziehende Kühle und Feuchtigkeit im Morgengrauen zu spüren, ist ein Erlebnis.

Es ist leise im Wald

"Wenn man in den Wald hinein läuft, merkt man, ob er laut oder leise ist", sagt der 47-Jährige. Also erst einmal die Ohren gespitzt. Es ist leise, kein Lüftchen weht. Das vollerblühte Blätterwerk der Laubbäume bewegt sich nicht. Allein das sanfte Plätschern des Leberbrunnenbachs neben dem Hochsitz ist zu vernehmen. "Für einen naturliebenden Menschen ist das was Wunderbares", beschreibt der Fleiner diese friedliche Kulisse. "Gerade für die Seele hat der Morgenansitz eine hohe Qualität."

Es ist eine Nachtigall, die die Stille durchbricht und mit zunehmender Dämmerung den Ton angibt für das beginnende Konzert, in das Kuckuck und Amseln einstimmen.

Moderne Technik auf dem Hochsitz

Auf dem Hochsitz in fünf Metern Höhe im Kapfenhardt im Jagdrevier Flein ist es gespenstisch. Die Silhouetten der Bäume sind fast schwarz. Deshalb greift Albrecht zu einem Nachtsichtgerät. Der Restlichtverstärker lässt den vergrößerten Ausschnitt in einem rötlichen Licht erscheinen. Die zweite moderne Technologie, die der Landwirt und Winzer einsetzt: die Wärmebildkamera. Egal, ob ein Tier sich in einer Dickung drückt, die Körperwärme hinterlässt einen weißen Fleck auf der Kamera. Nichts dergleichen, auch wenn Albrecht das Gerät oder das Fernglas wieder und wieder in alle Richtungen hält.

Der Jäger ist mit moderner Technik ausgestattet: Wärmebildkamera und Restlichtverstärker. Auch das Fernglas darf nicht fehlen.
Der Jäger ist mit moderner Technik ausgestattet: Wärmebildkamera und Restlichtverstärker. Auch das Fernglas darf nicht fehlen.  Foto: Lina Bihr

Mit der Kamera oder dem variablen Glas an der Repetierbüchse kann Albrecht ausmachen, ob es sich um ein weibliches oder männliches Stück Wild handelt oder anhand der Körperform, ob eine Bache Föten trägt. Dann verböte sich ein Schuss. Plötzlich der Schrei eines Tieres in nicht allzu weiter Ferne. "Das ist ein Reh, das schreckt. Es kann sein, dass ein Wildschwein unterwegs ist", flüstert der Jäger. Aber war das nicht ein Hund? "Das Reh bellt", klärt der Fachmann über dieses verbale Alarmsignal auf.

Büchsenlicht setzt ein 

4.42 Uhr: "Wir haben jetzt schon Büchsenlicht", sagt Albrecht. Anlass, sein Gewehr anzusetzen, hat er dennoch nicht. "Es bedarf oft mehrer Stunden Ansitz, um etwas zu sehen oder zu erlegen." Im vergangenen Jahr hatte er auf der Wildkamera im Revier, die Bestand und Wildwechsel aufzeichnet, einen laufkranken Frischling ausgemacht. Fünf Tage lang saß der Jäger vergeblich auf dem Hochsitz, am sechsten Tag konnte er das Jungtier erlegen. "Mir war wichtig, das kranke Wildschwein zu erlösen", sagt Albrecht.

Der Hochsitz im Laubwald im Kapfenhardt in Flein.
Der Hochsitz im Laubwald im Kapfenhardt in Flein.  Foto: Lina Bihr

Kritikern der Jagd entgegnet er: "Wir jagen ja nicht nur, wir hegen das Wild. Dazu gehört, für einen gesunden, artenreichen Bestand zu sorgen." Invasive Arten wie den Waschbären, der seit Jahren im Revier einen enormen Zuwachs erlebe, zu bejagen, sonst würde das Ökosystem gestört.

Den ersten Schuss vergisst man nicht

Natürlich erinnere er sich an seinen ersten Schuss, sagt der Familienvater, auch alle anderen habe er bildlich vor sich. Ein Schuss sei mit unheimlich viel Adrenalin verbunden. Danach sei man erleichtert, die Anspannung baue sich ab. Albrecht spricht von einem eigenartigen Gefühl, schließlich sei er für den Schuss verantwortlich. Deshalb habe er das Bedürfnis, das erlegte Tier anzufassen und sich innerlich zu bedanken.

Martin Albrecht ist keiner der drei Pächter des Reviers Flein. Der Jungjäger hat einen Belegungsschein und darf damit im Revierbogen von Albrecht Krummlauf jagen. Drei weitere Belegungsscheine haben die Pächter ausgegeben. Zuverlässigkeit und Achtung vor der Kreatur ist Krummlauf dabei wichtig. Die Jäger informieren sich aus Sicherheitsgründen gegenseitig, wenn sie auf die Jagd gehen.

Vor eineinhalb Jahren hat Albrecht das "grüne Abitur" abgelegt. So wird die Jagdscheinprüfung aufgrund ihrer Schwere und des breiten Spektrums an erforderlichem Wissen genannt. Abgelegt hat sie der Fleiner bei der Kreisjägervereinigung Heilbronn. Etwa 1500 Euro kostet die halbjährige Ausbildung. Das von Albrecht erlegte Wild gehört nicht ihm, sondern dem Pächter. Er kann es allerdings kaufen.

Hege und Pflege

Albrecht unterstützt die Pächter auch bei der Hege und Pflege des Reviers, bringt Verbissschutz an jungen Bäumen an, baut Hochsitze mit oder schneidet Schussgassen frei.

Das Revier Flein umfasst laut Krummlauf 680 Hektar Gemarkungsfläche, 100 davon sind Wald. "Der Wildbestand ist gut." 27 Stück Rehwild wurden 2022 erlegt, 35 bis 40 Füchse, 14 Wildschweine, je drei Dachse und Waschbären, dazu kommen Rabenkrähen und Elstern. Weil der Bestand an Hasen, Fasanen und Rebhühnern gering sei, werden sie laut Pächter nicht mehr bejagt.

 
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