Auf dem Reiterhof in Öhringen ist man Pferden und Natur ganz nah
Christina Jäger betreibt in Untersöllbach ihren Reitstall, den sie von ihren Eltern übermommen hat. Zur Mittagszeit kommen die ersten Reitschüler. Wie für die Allrounderin die Arbeit auf dem Hof und in einer Anwaltskanzlei zusammengehören.

Das Futter der Pferde herrichten, die Tiere auf die Koppeln führen, Boxen ausmisten und ab dem frühen Nachmittag Reitunterricht geben: Ein Arbeitstag bei Christina Jäger auf ihrem Reiterhof ist meist lang und intensiv. "Meine 15 000 Schritte am Tag schaffe ich locker", sagt die Inhaberin und lacht. Den Hof hat sie von ihren Eltern übernommen und ist mit Leidenschaft bei der Arbeit. Und immer fällt ihr professionell-fürsorgliche Blick zu den Vierbeinern. Ein Pferd hat wenige Stunden zuvor eine Zahnbehandlung bekommen und steht noch benommen von der Narkose in seiner Box. Geht es ihm gut? Eine Stute liegt zur Mittagszeit friedlich in ihrer Box. "Das ist bei ihr ganz normal. Die legt sich zu dieser Zeit ganz gerne mal hin."
Das Pferd für die Reitstunde vorbereiten
Hanna, die erste Reitschülerin, kommt auf den Hof. Freundlich begrüßt sie die Pferde und nimmt das Schulpferd Dor aus seiner Box. Er ist ihr Partner für den Unterricht. Doch vorher wird Dor von Hanna geputzt, gesattelt und bekommt die Trense an. Dann geht es in die Halle. Werden Hanna und Dor ein gutes Team sein? Christina Jäger hat dafür einen Blick. "Wenn das Pferd während der Reitstunde viel äppelt, dann ist das ein deutliches Zeichen, dass es unsicher ist. Das Pferd möchte ja mit dem Reiter zusammenarbeiten." Doch nicht jedes Paar harmoniere. "Generell gilt: Je sicherer und positiv konsequent der Reiter, desto ruhiger ist das Pferd."
Reitlehrerin Christina Jäger: "Ihr seid eine Einheit"

In der Reithalle ist Hanna aufgestiegen und dreht mit Dor ihre ersten Runden. Von Reitlehrerin Christina Jäger kommen Kommandos: "Immer fleißig mit den Innenschenkeln antreiben, mit der Hüfte mitschwingen, Körperspannung halten, in der Kurve den Oberkörper mitdrehen. Alles, was mit dem Pferd verbunden ist, darf sich mitbewegen. Ihr seid eine Einheit." Jetzt sollen Hanna und Dor eine enge Wendung reiten. Beiden gelingt es gut. Die Reitlehrerin ruft aus der Mitte der Halle: "Jetzt einmal den Dor loben." Und schon bekommt der braune Wallach von seiner Reiterin den Hals getätschelt. 120 Reitschüler kommen jede Woche auf den Hof von Christina Jäger, nicht immer zu den gleichen Zeiten wie in der Vorwoche. Deshalb brütet sie Woche für Woche an einem neuen Plan. Sie achtet dabei auch stets darauf, den Schulpferden den Spaß an den Reitstunden zu erhalten. Deshalb variiert der Unterricht auch mal. "Ich will den Pferden Abwechslung bieten", erklärt sie.
Risiko als Unternehmerin

So sehr Christina Jäger ihren Hof und ihre Pferde liebt - das Risiko als Unternehmerin wiegt manchmal schwer auf ihren Schultern. "Ich und meine Kollegen ebenfalls, wir alle kämpfen mit steigenden Kosten für Versicherungen, Diesel und Tierarzt." So hätten schon manche Reiterhöfe in der Umgebung in den vergangenen Jahren dicht gemacht. Christina Jäger: "Auf dem Ponyhof ist nicht immer alles Ponyhof." Doch ihr Mann, der ebenfalls selbstständig ist, unterstützt, wo er kann.
Täglich Pferde versorgen, Boxen ausmisten, Reitstunden geben - ab und zu braucht es auch einen Perspektivwechsel. Dann tauscht Christina Jäger das Arbeitshemd gegen die Bluse und den Hof gegen eine Kanzlei und arbeitet für mehrere Stunden in der Woche als Rechtsanwaltsgehilfin. Andere Umgebung und andere Gespräche tun mal gut.
Rund um die Uhr unterwegs
Es ist ein Zwei-Jahres-Projekt, das viele Facetten unserer Region zeigen soll: Seit März 2023 und bis Februar 2025 steht jeden Monat eine andere Gegend des Verbreitungsgebiets im Fokus. In jeweils 24 Serienteilen - einen für jede Stunde des Tages- zeigen wir, was sich rund um die Uhr in den jeweiligen Orten abspielt: in Vereinen, Firmen, Läden, öffentlichen Einrichtungen oder einfach draußen auf der Straße. Die Stimme stellt Menschen und ihre Geschichten vor. Beteiligt sind Redakteure aus allen Ressorts. Die Reportagen werden auch online auf stimme.de präsentiert.
Hof als Unternehmen
Christina Jäger hat ihren Reiterhof in Untersöllbach breit aufgestellt: Neun Schulpferde und mehrere Ponys werden überwiegend für den Reitunterricht eingesetzt. Zusätzlich gibt es 22 sogenannte Einsteller, also Pferde, deren Besitzer eine Box auf dem Reiterhof angemietet haben. Seit kurzem können auch Gäste in der neuen Ferienwohnung, die sich mitten auf dem Hof befindet, übernachten. Außerdem können Kinder ihren Geburtstag auf dem Reiterhof feiern. Zum Hof gehören neben den Pferdeställen zwei Reithallen, ein Sattellager und mehrere Koppeln und Felder zur eigenen Heu- und Strohernte. Der anfallende Pferdemist kommt teilweise in eine Biogasanlage.