Ariane 6 startet im Sommer: Neue Rakete soll Europas Weltraum-Zugang sichern
ESA und Raumfahrt-Unternehmen sind zum Wissenschaftsforum des DLR-Instituts angereist . Die neue Trägerrakete Ariane 6 geht im Juni an den Start und soll Europas Zugang zum Weltall sichern.

Die deutsche und europäische Fahne weht vor dem modernen Empfangsgebäude auf dem Gelände des DLR. Am Standort des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums, das ein wenig versteckt im Wald liegt, parken Dutzende Autos von Gästen aus ganz Europa. "Welcome to Lampoldshausen" - mit diesen Worten empfängt Instituts-Direktor Stefan Schlechtriem heute hochrangige Vertreter der europäischen Luft- und Raumfahrt. Während des zweitägigen Wissenschaftsforums "Industrial Days" dreht sich alles um den europäischen Zugang zum Weltraum und die Trägerrakete Ariane 6, die das ermöglichen soll.
Am Standort in Lampoldshausen wird an neuen Technologien geforscht und Raketenantriebe werden getestet, auch von der Ariane 6. "Vor zwei Wochen haben wir den letzten Test gemacht", verkündet Schlechtriem auf Englisch seinen überwiegend männlichen Gästen, die in grauen und blauen Anzügen vor ihm sitzen. Im Juni soll das neue Raketen-Modell starten, das die europäische Raumfahrt wieder konkurrenzfähig mit China und den USA machen soll.
"Industrial Days" in Lampoldshausen: Ariane 6 fast fertig – bewegende Tage in der europäischen Raumfahrt
"Momentan haben wir sehr bewegende Tage in der Raumfahrt in Europa", erklärt der stellvertretende Institutsleiter Klaus Schäfer gegenüber der Heilbronner Stimme. Seit die letzte Ariane 5 gestartet ist, hat Europa keine Raketemehr zur Verfügung. Die italienische Vega-Rakete hat Probleme beim Start. Und die Ariane 6 hätte bereits 2020 fertig sein sollen, damit keine Lücke entsteht, nachdem die Vorgängerserie im Sommer 2023 ausgelaufen ist. "Das hat nicht geklappt, so dass wir ein Jahr keine Möglichkeit hatten, größere Satelliten hochzubringen", erklärt Schäfer. Grund für die Verzögerung waren unter anderem der Ausbruch der Corona-Pandemie und Probleme mit den Lieferketten.

Der DLR-Standort in Lampoldshausen hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Ariane 6 nun im Juni an den Start gehen kann. Die Wissenschaftler haben das Haupttriebwerk "Vulcain" und das Oberstufentriebwerk "Vinci" der mehrstufig gebauten Rakete qualifiziert und getestet. Dafür hat das Team sogenannte Höhensimulationsanlagen verwendet, mit denen die Triebwerke im Vakuum getestet werden können. "Man kann mit Recht sagen: Ohne uns fliegt die Ariane nicht", sagt Klaus Schäfer, der selbst Luft- und Raumfahrtingenieur und seit 1988 am Standort tätig ist. Montiert wird die Rakete in Kourou im südamerikanischen Französisch-Guayana, wo sich der europäische Weltraumbahnhof befindet.

Jahrelange Arbeiten an europäischer Trägerrakete Ariane 6 kommen zum Ende
Im Forum des DLR-Standorts ist neben Turbopumpen und Gasgeneratoren auch ein Dampferzeuger zur Höhensimulation ausgestellt. Das Gebäude ist auf öffentliche Besuchergruppen ausgelegt. Dahinter erstreckt sich ein rund 50 Hektar großes Gelände, auf dem sich die Infrastruktur für die Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen befindet. Die etwa 90 Gäste der elften "Industrial Days" vertreten die Industrie und die Agenturen aus der Raumfahrt-Branche wie die Europäische Weltraumorganisation ESA.
Viele von ihnen sind an Ariane 6 ebenfalls beteiligt. Allen voran die Ariane Group, von denen auch 300 Beschäftigte am Standort in Lampoldshausen arbeiten. Das deutsch-französische Raumfahrtunternehmen testet unter anderem Satelliten und Orbitalantriebe und ist für die europäische Trägerrakete Ariane 6 verantwortlich. "Jeder schaut darauf, dass das Projekt erfolgreich ist", meint Schäfer. "Wenn sie jahrelang entwickeln und auch einiges Geld ausgeben, ist natürlich der erste Flug, der "maiden flight", das Essenzielle, um zu schauen, dass auch alles funktioniert."

Auch Start-ups, die von ehemaligen DRL-Studenten gegründet wurden, sind bei der Veranstaltung vertreten, darunter HyImpulse aus Neuenstadt. Das Forum bietet ihnen die Möglichkeit, über die Zukunft der europäischen Raumfahrt zu diskutieren und sich auszutauschen. Schäfer: "Im Moment geht es darum, wie sich Europa hinsichtlich der Raumfahrt weiterentwickelt." Es sei essenziell, dass Europa einen eigenen Zugang zum All hat.
Warum ist der europäische Weltraum-Zugang so wichtig?
Aber warum ist das so wichtig? Diese Frage beantwortet Isabella Poldrugo, Leiterin der Raumfahrtpolitischen Abteilung der Europäischen Kommission, in ihrem Vortrag. Es geht vor allem darum, dass Europa in wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Hinsicht nicht abhängig von den Weltraummächten USA, China und Russland ist.
Im "heutigen geopolitischen Umfeld" ist ein Zugang zum Weltall unerlässlich, sagt auch Anna Christmann in einer eingespielten Videobotschaft. Die Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt hebt auch den kommerziellenWert hervor. Damit der All-Zugang kosteneffizient und unabhängig wird, brauche es einen Paradigmenwechsel, der auf einem freien innereuopäischen Wettbewerb basiert und nicht auf staatlich kontrollierter Raketenentwicklung. Der erste Start der Ariane 6 sei ein Meilenstein. Christmann hebt die Rolle des DLR-Standorts Lampoldshausen auf dem harten Weg dorthin besonders hervor, der den Wert der deutschen Industrie steigere, und kündigt an, dass das Institut auch in die Betriebsphase der Rakete stark eingebunden sein wird.
Wasserstoff ist ein großes Thema bei DLR in Lampoldshausen
Nachhaltigkeit und Umwelt sind Themen, die auch die europäische Raumfahrt bewegen. Die Oberstufe der Ariane 6 besteht aus zwei Haupttanks, die mit flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff gefüllt sind. "Seit der Ariane 5, seit Mitte der 80er-Jahre, wird Wasserstoff für die Triebwerke verwendet. Wir haben große Tanklader gebaut, mit über 1000 Kubikmeter Fassungsvermögen", berichtet Klaus Schäfer. Wie der 63-Jährige erklärt, setzen sie in Lampoldshausen Wasserstoff in unterschiedlichen Aggregatzuständen ein, flüssig bei minus 250 Grad und gasförmig bis 800 Bar Druck.
Dieses Wissen ist auch in der Mobilität verstärkt nachgefragt. In Lampoldshausen wurde ein Containertestgelände aufgestellt, auf dem kleine und mittelständische Unternehmen ihre Produkte mit Wasserstoff testen können. Das Institut stehe zudem in engem Kontakt zu umliegenden Kommunen und Norbert Heuser, dem Landrat des Landkreises Heilbronn, um zu beraten, wie sie CO2-neutraler werden können.
Der DLR-Standort in Lampoldshausen wurde 1959 gegründet. Seit 1974 wird hier an der Ariane-Rakete mitgearbeitet. Die Serie der Ariane 5 war von 1996 bis 2023 im Einsatz. Der Standort, an dem 250 Mitarbeiter des DLR und 300 Mitarbeiter der Ariane Group arbeiten, hat sich auf Tests spezialisiert. Beinahe jeder der bei den "Industrial Days" vertretenen Firmen teste in Lampoldshausen, sagt Klaus Schäfer. Aber: "Die Großforschungseinrichtung DLR ist vom Bund auch deswegen geschaffen worden, um entsprechende Forschungsergebnisse zu produzieren." Das Institut fördert es aktiv, wenn ehemalige Mitarbeiter mit ihrer Forschung Start-Ups gründen.

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