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Mit der Weinbibel vor den Barriques

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In diesen Tagen kommt es beim Zukunftswinzer Christian Hirsch ganz besonders auf Erfahrung, Bauchgefühl und Wissen an.

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 Foto: Berger, Mario

Christian Hirsch hat sich zurückgezogen, steht mit seiner Weinbibel vor einer Wand Weinfässer. Er deutet auf den Leitz-Ordner in seinen Händen, lächelt und sagt: "Darin steht alles über meine Weine, darin sind alle meine Einzeltanks aufgelistet. Wenn ich mit dem Kunden am Glas bin, kann ich den Lebenslauf der Weine erklären."

Im Leben des 41-jährigen Leingarteners dreht sich (fast) alles um Wein. Er lebt Wein. Er liebt Wein. Er arbeitet Wein. Vor allem in diesen Tagen. Wenn die Erntezeit durch ist und Entscheidungen anstehen. Er ständig mit Nase und Zunge am Produkt ist, "zur Gärkontrolle, um noch einzugreifen, um die Entwicklung noch zu beeinflussen", wie der selbsternannte Weinfreak, Visionär und Entscheider hinter der Marke Christian Hirsch Weine sagt. "Bis Ende November bin ich jedes Wochenende auf Weinmessen, um mich und meine Produkte zu promoten, meinen Kunden einzuschenken."

Schwäbische Eiche

An diesem Mittwochabend kehrt um 18 Uhr im Verkaufsraum des Weinguts in der Leingartener Kastanienstraße Ruhe ein. Nicht aber beim "Zukunftswinzer aus Württemberg", wie die "Neue Westfälische Zeitung" im August geschrieben hat. Christian Hirsch, in On-Schuhen, Engelbert-Strauss-Hose, mit Hoodie, auf dem "Viva la Weinberg #Zukunftswinzer" steht, und Schiebermütze, blättert in seinem wichtigsten Ordner. Und überlegt mit Blick auf die Barriques aus schwäbischer Eiche, wie es mit dem Cabernet Mitos weitergeht. "Das ist der dunkelste Wein der Welt. Er schmeckt fruchtig, extrem kräftig und verträgt viel Holz. Er ist ein ausgezeichneter Cuvée-Partner", erzählt Hirsch - man sieht und hört: Er ist voll und ganz in seinem Element. Er lebt von Erfahrungswerten, seinem Bauchgefühl und Wissen. Im Weinberg ("Was kann noch drei Tage hängen bleiben?") und im Weinkeller ("In welches Barrique wird der Wein morgen reingelegt?").

Hobbys halten fit

Später, beim Abendessen mit seiner Familie, gibt es andere Themen. "Für mein Privatleben ist es gut, dass es da nicht auch um Wein geht", sagt Christian Hirsch und lacht. Seine Frau ist Grundschullehrerin in Kirchhausen, die gemeinsamen Kinder sind vier, sechs, und acht Jahre alt. Familie und Freunde sind ihm wichtig. Zu den Hobbys des Winzers gehören Skifahren, Krafttraining (am liebsten zum Sonnenaufgang auf der Calisthenics-Anlage im Eichbott) und Eisbaden ("Ich habe mir zu Hause eine Eistruhe gebaut"). Christian Hirsch ist bereist, war in Neuseeland und Australien, studierte unter anderem in den USA: "Die Zeit in Kalifornien war sehr prägend." Natürlich, auch auf Reisen ist das Thema Wein Begleiter.

Wie geht man mit dem Thema Alkohol um, wenn dieser Teil des Geschäftsmodells ist? "Von 7 bis 18 Uhr schlucke ich nichts", sagt Christian Hirsch. "Wenn du bei der Arbeit nicht konsequent ausspuckst, hast du langfristig keine Chance." Am Fuße des Heuchelbergs macht er in der dritten Generation Wein, auf mehr als 45 Hektar. Mit acht Festangestellten "plus meine Eltern". Nicht zu vergessen die 18-köpfige Handlesemannschaft, die bei den Weinen über acht Euro die Flasche zum Einsatz komme. "Sonst nutzen wir Lesemaschinen." Christian Hirschs Motivation: "Weine offerieren, die mehr bieten als ihr Preis." Womit er leben muss, gut leben kann: Geschmack ist "extrem subjektiv, jeder hat recht".

Traininngssache Sensorik

Wichtig ist für Winzer, sich auf ihren Geschmackssinn verlassen zu können. Für Christian Hirsch ist die Sensorik "eine reine Trainingssache", er gehe und schmecke sich stets bewusst durchs Leben. Und so schmeckt er seinen "CH" ab, seinen roten "Blockbuster", der aus Cabernet, Merlot, Lemberger und Pinot Noir besteht. "Da sind vier Jahrgänge drin - so kann ich Jahrgangsschwankungen ausgleichen. Aber das ist eine enorme Investbindung, da ist Kapital drin." Und viel Leidenschaft. Von morgens bis abends.

Rebvolution

Seit sieben Jahren wachsen in den Hirsch-Weinbergen auch Piwis, "Pionierweinreben", wie Christian Hirsch sagt. "Sie sind die Antwort des Winzers auf den Klimawandel." Die robusten und widerstandsfähigen Rebsorten seien bisher in seinen Cuvées untergegangen; seit diesem Jahr stellt er die Rebvolution unter dem Motto "Grapes of Glory" als Solokünstler auf die Bühne. Was Piwis können: "Sie bekommen weniger Sonnenbrand und weniger Wasserstress", so Hirsch, "die Rebe hat mehr Eigenschutz und kommt mit bis zu 80 Prozent weniger Pflanzenschutz und Traktorfahrten aus."

 
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