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Vom Wachturm zum Wahrzeichen

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Die Heuchelberger Warte sicherte im 15. Jahrhundert die Grenze Württembergs. Seit 125 Jahren ist der aussichtsreiche Höhenrücken ein beliebtes Ausflugsziel.

Von Gerhard Mayer
Seit 1970 Großgartach in der neuen Gemeinde und heutigen Stadt Leingarten aufging, flattert auf dem Turm die Leingartener Flagge.
Foto: Gerhard Mayer
Seit 1970 Großgartach in der neuen Gemeinde und heutigen Stadt Leingarten aufging, flattert auf dem Turm die Leingartener Flagge. Foto: Gerhard Mayer  Foto: Mayer, Gerhard

Wenn Erwachsene aus dem Unterland in ihre Familien-Fotoalben schauen, werden sich sicher viele als Kind auf der Turmspitze der Heuchelberger Warte darin finden. Der Turm ist seit vielen Jahrzehnten ein Klassiker unter den Familien-Ausflugszielen.

Befestigungsanlage an der Nordgrenze Württembergs

Der 20 Meter hohe Turm wurde einst für eine gute Aussicht errichtet - allerdings nicht aus touristischen Gründen, sondern zur Überwachung. Das Bauwerk ließ Graf Eberhard im Bart 1483 zur Absicherung am westlichen Ende des württembergischen Landgrabens errichten. Dies war eine 23,5 Kilometer lange Befestigungsanlage an der nördlichen Grenze Württembergs, die quer durchs Neckartal vom Schwäbischen Wald bis zum Heuchelberg errichtet wurde. Ein geplanter Ausbau bis nach Sternenfels am westlichen Ende des Strombergs scheiterte allerdings. Dabei hatte der befestigte Graben mit seinen Wachtürmen weniger eine militärische Funktion, sondern war für das Eintreiben des Zolls wichtig. Denn die Händler, die mit ihren schweren Pferdefuhrwerken im Neckartal unterwegs waren, konnten den fünf bis sechs Meter tiefen Graben nicht einfach überwinden. Die Hauptzollstelle befand sich direkt am Neckar in Lauffen. Der Landturm in Lauffen ist neben der Warte das auffälligste Zeugnis dieser Befestigungsanlage.

Einen entscheidenden Schritt in der Entwicklung nahm Württemberg durch den französischen Kaiser Napoleon Bonaparte - bezahlt allerdings mit einem hohen Blutzoll. Als Belohnung für die Unterstützung seiner Feldzüge mit Soldaten - Tausende Männer aus Württemberg kehrten nicht mehr zurück - erhob er Württemberg 1806 zum Königreich, seine Fläche wurde durch viele Gebietszuschläge fast verdoppelt. Der altwürttembergische Landgraben verlor seine Funktion - schließlich war das gesamte Territorium drumherum dadurch württembergisch. Auch der Turm auf dem Heuchelberg war nun überflüssig und verfiel.

Touristisches Potenzial

Die Gemeinde Großgartach erkannte das touristische Potenzial und baute mit Hilfe der Heilbronner Ortsgruppe des Schwäbischen Albvereins in den Jahren 1897/98 zu einem Aussichtsturm um. Der Einstieg, der zu Wachturmzeiten nur mühsam über eine Leiter zu erreichen war, wurde ebenerdig und der Turm noch etwas erhöht. Wer für den Ausblick - bei klarer Sicht vom Odenwald bis zur Schwäbischen Alb - die obersten Stufen erklimmt, sollte schwindelfrei sein.

Für die Ausflügler wurde die Bewirtung beim Turm nach und nach ausgebaut. Es begann mit einer Grillstelle, dann folgte ein Kiosk - heute gibt es auf dem Heuchelberg eine umfangreiche Erlebnis-Gastronomie. Zwischenzeitliche Pläne für eine Rodelbahn mit Sessellift fanden im Großgartacher Gemeinderat allerdings keine Mehrheit.

1997 komplett verhüllt

Der Wachturm wurde zum Wahrzeichen für Großgartach - ab 1970 für Leingarten - und ein Stück weit auch für das ganze Unterland. Das zeigte sich auch daran, dass Mitglieder Jungschargruppe "Big Foot" der evangelischen Jugend in der Kirchengemeinde Großgartach den Turm als Aprilscherz 1997 verhüllten - nach Vorbild des Künstlerpaars Christo und Jeanne-Claude.

Kleinstaaterei

Als der Wachturm Ende des 15. Jahrhunderts errichtet wurde, war dies noch in der Zeit der Kleinstaaterei mit vielen komplizierten Herrschaftsrechten. Flächenstaaten gab es noch nicht oder entwickelten sich wie Württemberg erst nach und nach dazu. Die Nachbarn Württembergs an der Nordgrenze waren etwa die Ritter von Odenheim (Großgartach), die Herren von Neipperg, (Schwaigern und Klingenberg), der Deutschorden (Talheim), die Kurpfalz (Schluchtern) und die Reichsstadt Heilbronn. my

 
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