Wenn alle schlafen, genießt Sabine Fiedler die Stille
Seit rund zweieinhalb Jahren trägt Sabine Fiedler jeden Morgen die Heilbronner Stimme aus. Die ungewöhnliche Arbeitszeit macht ihr nichts aus. "Ich bin an der frischen Luft und habe Bewegung", sagt die 35 Jahre alte Massenbacherin.

Es ist eisig kalt. Das Thermometer zeigt minus drei Grad an. Die Straßenlaternen sorgen früh morgens um 4 Uhr für spärliches Licht in den dunklen Straßen ihres Schwaigerner Bezirks. An diesem Morgen muss Sabine Fiedler ein bisschen schneller laufen als sonst. Sie weiß: "Bis 6 Uhr habe ich Zeit." Spätestens dann müssen alle Ausgaben der Heilbronner Stimme in den Briefkästen der Abonnenten sein.
Normalerweise braucht sie für ihre Bezirke rund zweieinhalb Stunden. Doch an diesem Tag hat sie eine SMS von der Heilbronner Stimme bekommen. Die Zeitung wird heute später angeliefert. "Irgendwas mit dem Druck", sagt die 35-Jährige. Schließlich wird es 4 Uhr morgens bis die Ausgaben kommen. Das komme gelegentlich vor. Sei aber nicht weiter schlimm.
Nicht selten ist sie bis 4 Uhr längst fertig. Dann legt sie sich nochmal ein paar Stunden hin. Bis sie an diesem Tag ihren zweiten Job als Dachdeckerin in der Massenbacher Schreinerei von Axel Stolz antritt. "Ich bin mit dem Chef inzwischen gut befreundet", sagt sie. Wenn sie mit dem Zeitungsaustragen mal länger braucht, könne sie bei ihrem Zweitjob auch gerne später kommen.
Die Briefkästen kennt Sabine Fiedler längst auswendig
Ihre Festbezirke bei der Heilbronner Stimme sind "Schwaigern 8" und "Massenbach 1". Die Briefkästen kennt sie längst auswendig. "Am Anfang hatte ich einen Laufplan dabei", erinnert sie sich. Den braucht sie schon lange nicht mehr. Zielstrebig steuert sie die Häuser der Abonnenten an. Die Namen kenne sie gar nicht. Auch die Namen der Straßen, in denen sie wohnen, könne sie manchmal gar nicht sagen. Ihre tägliche Strecke läuft sie geradezu blind, wie an einer Perlenschnur gezogen.
Ja, ihr Tagesrhythmus unterscheide sich erheblich von dem der meisten Leute. Schlafen gehe sie in der Regel gegen 20 Uhr. Dass sie an sechs Tagen in der Woche morgens mit den Zeitungen unterm Arm durch die Straßen läuft, lange bevor das Licht in den Wohnungen wieder angeht, stört sie nicht. Im Gegenteil: "Mir macht die Arbeit wirklich Spaß", sagt sie und lächelt. "Ich bin an der frischen Luft und habe Bewegung."
Und sie verdient sich etwas dazu. "Für die Urlaubskasse", sagt Sabine Fiedler. Denn sie und ihr Lebensgefährte reisen sehr gerne. Eine Tour durch Südamerika haben sie schon gemacht. Als nächstes steht Asien auf dem Programm. Da will sie unbedingt ihren finanziellen Beitrag leisten, auch wenn ihr Lebensgefährte das gar nicht verlange. "Das gehört sich aber so", sagt die Massenbacherin, die in Ludwigshafen aufgewachsen ist und unter anderem auch im Verkauf und in der Pflege gearbeitet hat.
In den Sommermonaten sieht die Zustellerin hin und wieder auch ein Reh
Das sind für die 35-Jährige aber nicht die einzigen Gründe, warum sie den Job als Zeitungszustellerin auf keinen Fall aufgeben würde. "Ich bin gerne allein und genieße die Ruhe", sagt sie. Und in den Sommermonaten sieht sie hin und wieder auch mal ein Reh. Oder einen Igel. Selbst Füchse sind ihr schon über den Weg gelaufen. "Das ist Natur pur."
An diesem Novembermorgen hat sich Sabine Fiedler allerdings dick eingepackt. Thermohose, Pullover, Jacke und Schal schützen sie vor der Kälte. "Mehr geht nicht. Ich muss mich ja noch bewegen können", sagt sie und lächelt einmal mehr. Von den Tieren sieht sie in der kalten Jahreszeit nicht viel. Dann ist es auch wirklich sehr still. Wird es ihr zu still, hört sie manchmal auch ein bisschen Musik, während sie die Zeitungen austrägt.
Und wenn es regnet? "Dann gehe ich eben baden. Wer so einen Job macht, muss bei jedem Wetter raus - ohne zu murren", sagt sie und lächelt wieder.
Nach zwei Stunden hat es Sabine Fiedler für heute wieder geschafft. Die Zeitungen sind bis sechs Uhr in allen Briefkästen. Nach der Runde in kalter Nacht geht sie nicht sofort schlafen. "Ich muss anschließend erst einmal warm duschen."