Mit Empathie in die Nacht: Eine Schicht mit dem Altenpfleger
Eine Schicht mit dem Altenpfleger Lars Stauber im Karl-Wagner-Stift in Nordheim. Um 1 Uhr nachts muss der Altenpfleger hellwach sein.

Wenn der kleine Pager in der Brusttasche seines blauen Polohemds piepst, ist Lars Stauber gefordert. "Ich muss oben nachfragen, was los ist", sagt der 46-Jährige ruhig. Lars Stauber ist examinierte Altenpflegefachkraft und arbeitet nachts. Denn tagsüber möchte er gerne gemeinsame Zeit mit seiner Familie verbringen.
Es ist zwanzig Minuten nach eins, und er hat rund die Hälfte seiner Nachtschicht im Karl-Wagner-Stift in Nordheim hinter sich. Eine Patientin benötigt Hilfe beim Toilettengang. Sie leidet an einer Brustverengung und ist die einzige im Haus, die gerade mit Corona infiziert ist, aber keine akuten Symptome hat. Lars Stauber zieht seine Schutzkleidung an, betritt den Raum der Patientin, kommt fünf Minuten später zurück und wartet, bis sie sich über den Piepser wieder meldet, damit er sie von der Toilette zurück ins Bett begleitet. "Ich liebe meine Arbeit, behandle diese Menschen, als wären sie meine Großeltern. Ohne sie wäre ich jetzt nicht hier." Diese Empathie, diesen Respekt möchte er ihnen entgegenbringen. Das ist sein Anspruch.
Wenig Anerkennung von außen
Über die mangelnde Anerkennung von Gesellschaft und Politik könnte er sich ziemlich ärgern. Tut er aber lieber nicht, weil es nur Energie kostet. Energie, die er für die 40 Pflegebedürftigen im Alter zwischen 57 und 101 braucht. Zur Einrichtung gehören weitere zehn Einheiten für das betreute Wohnen. "Ich pflege nicht nur Menschen, sondern auch ihre Lebensqualität." Sie brauchen ein sicheres Gefühl, dann schlafen sie auch gut, hat er festgestellt.
Der Altenpfleger arbeitet in Blöcken: Acht Nachtschichten, sechs Tage frei und wieder acht Nachtschichten. Sein Ablaufplan für seine zehnstündigen Schichten, die um 20.45 Uhr beginnen und um 6.45 Uhr enden, ist umfangreich. Stauber ist oft bereits 15 Minuten früher da, schließt die Eingangstür, richtet den Pflegewagen, leert Mülleimer und stellt die Medikamente bereit.
Kontrollgänge und Kontrollanrufe
Er macht mehrfach seine Rund- und Kontrollgänge auf den drei Etagen, gibt den Patienten bei Bedarf zu trinken und erledigt Kontrollanrufe bei einem Kollegen im kooperierenden Haus Zabergäu in Brackenheim. Denn nachts ist er allein im Haus. Falls ihm etwas zustoßen sollte, muss irgendjemand handeln und einen Notarzt alarmieren.

Zu Beginn dieses Nachtdienstes gibt es drei personelle Veränderungen, auf die sich der Pfleger einstellen muss. Eine der drei neuen Patientinnen wurde wegen Wasser in der Lunge im Krankenhaus behandelt und ist gerade ins Karl-Wagner-Stift zurückverlegt worden. Stauber liest die Arztberichte durch und sieht, welche Problemstellungen vorliegen und welche Hilfe notwendig ist. Hier liegen Patienten mit Alzheimer-Demenz, Schlaganfällen und Menschen mit psychosozialen Konflikten. Lars Stauber geht auf jeden individuell ein. Er ist auch Sterbebegleiter und Seelsorger. Seinen Ablaufplan hat er so strukturiert, dass er diesen Menschen, denen nicht mehr viel Lebenszeit bleibt, die meiste Zeit widmen kann. Und das ist im letzten Teil seiner Schicht, wenn alle anderen Aufgaben erledigt sind. "Ich möchte nicht in einen Zeitstress kommen."
Lars Stauber überarbeitet und optimiert regelmäßig seinen Arbeitsablauf - allein schon aus eigenem Interesse. Er passt ihn immer wieder den aktuellen Gegebenheiten und den zu Pflegenden an. Und am Ende einer jeden Nachtschicht verabschiedet sich der Pfleger und sagt ihnen, wann er wiederkommt. "Das wird immer emotional. Denn viele dieser Menschen sind schon jahrelang hier."
Zur Person
Lars Stauber, examinierte Altenpflegekraft, lebt mit seiner Familie in Flein. Der 46-Jährige arbeitet seit zehn Jahren im Karl-Wagner-Stift in Nordheim, das zur evangelischen Heimstiftung gehört. Dort macht er durchweg Nachtschichten. Stauber achtet auf seine Leistungsfähigkeit. Er hat in den USA American Football als Leistungssport betrieben. Jetzt trainiert er die Fußball-F-Junioren des TV Flein. Und er achtet stark auf seine Ernährung, passt sie seiner Arbeit an. Denn der Körper muss sich sowohl auf den Einstieg in die Nachtschichten als auch auf den Ausstieg einstellen.