Helfer am anderen Ende der 112: Zu Besuch in der Rettungsleitstelle in Gaisbach
Die integrierte Rettungsleitstelle in Gaisbach koordiniert rund um die Uhr Rettungseinsätze im gesamten Hohenlohekreis. Jeder Anruf erfordert höchste Konzentration.

Es regnet. In Strömen. Das Licht des Bewegungsmelders springt an und wird in den Pfützen und auf dem nassen Asphalt des Innenhofs reflektiert. Durch die Fenster der DRK-Rettungsleitstelle in Gaisbach ist das neonfarben kühle Leuchten von Bildschirmen zu sehen, zehn an der Zahl. Hinter ihnen sitzen Achim Trumpf und Sven Raunecker. Es ist 3 Uhr nachts, und ein Signalton ertönt. Raunecker drückt einen Knopf, eine rote Lampe leuchtet auf, signalisiert, dass er einen Anruf entgegengenommen hat. "Notruf Feuerwehr und Rettungsdienst, in welchem Ort befindet sich der Notfall?", spricht der 26-Jährige routiniert in sein Headset.
Fragen, die Leben retten können
Ein medizinischer Notfall wird von der Person am anderen Ende der Leitung gemeldet. Raunecker ist hochkonzentriert, stellt viele Fragen, etwa nach dem Bewusstseinszustand der betroffenen Person, den konkreten Beschwerden, nach Vorerkrankungen und Medikamenten, er nimmt Adresse und Kontaktdaten auf. Parallel tippt er alles in den Computer. Währenddessen passiert in seinem Kopf das, wofür er ausgebildet wurde: Er wägt ab, ob es sich um eine lebensbedrohliche Situation handeln könnte oder nicht. Davon hängt ab, ob er den Rettungswagen samt Notarzt losschickt. Nicht mal eine Minute dauert das alles, dann steht für ihn fest: Die Kollegen unten in der Rettungswache Künzelsau werden alarmiert, sie sollen die Situation vor Ort in Kupferzell überprüfen und den Patienten versorgen.
Herausfinden, was Sache ist

Aber wie sicher kann man sich in der kurzen Zeit sein? Noch dazu, ohne den Patienten sehen zu können? "Wir können natürlich nur durch genaues Fragen und Zuhören herausfinden, was Sache ist", sagt Raunecker. Oftmals spreche man mit einem Angehörigen, nicht mit dem Betroffenen selbst, das komme erschwerend hinzu. "Aber die Erfahrung hilft", erklärt Raunecker. Wie auch die entsprechende Ausbildung: Um in der integrierten Leitstelle des Deutschen Roten Kreuzes arbeiten zu dürfen, sind gleich mehrere Qualifikationen nötig.
Denn einerseits sind die Mitarbeiter zuständig für medizinische Notfälle, andererseits eben auch für Feuerwehreinsätze. Deshalb braucht es entweder die Kombination aus abgeschlossener Notfallsanitäter- und Truppführer-Ausbildung oder aber Zugführer- und Rettungssanitäter-Ausbildung. Alles in allem also eine mehrjährige Qualifikation in beiden Bereichen - medizinische Notfallversorgung und Feuerwehrwesen. So kommt es auch, dass die Mitarbeiter der Leitstelle, sofern sie eben nicht gerade in jener Dienst schieben, selbst Teil der Rettungscrew sind. "Ich arbeite etwa zu 70 Prozent im Fahrdienst, den Rest in der Leitstelle", erklärt Sven Raunecker.
Auf einem der Bildschirme setzt sich ein gelber Punkt in Bewegung, dann ein zweiter. Beide sind mit der Kennziffer drei versehen. "Das bedeutet, dass die Kollegen den Einsatz übernommen haben", erklärt Achim Trumpf. Auf dem Bildschirm lässt sich nun genau verfolgen, welche Route die Einsatzfahrzeuge von Künzelsau aus zum Patienten nehmen. Dabei komme es auch vor, dass die Leitstelle mithilfe der Technik eine Routenänderung vorschlägt, wenn etwa ein Hindernis wie ein Stau erkennbar ist. Das kann im Zweifel entscheidende Minuten für eine Rettung ausmachen.
Heute, mitten in der Nacht, ist alles frei. Es dauert nur wenige Minuten, dann erreichen die beiden Punkte den Einsatzort. Ihre Farbe ändert sich auf Rot, ihre Zahl auf Vier - "Angekommen". Bei genauerer Betrachtung des Bildschirms, finden sich viele grüne Punkte mit der Ziffer Zwei. "Das sind die verfügbaren Rettungseinheiten, hier zum Beispiel in Westernhausen oder in Öhringen", sagt Trumpf. Nachts seien es insgesamt sieben, tagsüber 16, erklärt der 59-Jährige. Je nachdem, wo sich ein Notfall befindet, werden die geografisch nächstgelegenen Wagen vom Computer vorgeschlagen und dann manuell losgeschickt.
Fahrzeuge setzen sich in Bewegung
Ein weiterer Anruf geht ein, das Prozedere an Rauneckers Schreibtisch wiederholt sich. Dieses Mal befindet sich der Notfall in der Gemeinde Zweiflingen. Kaum hat Sven Raunecker das Telefonat beendet, machen sich zwei gelbe Punkte auf dem Bildschirm vom Öhringer Krankenhaus aus auf den Weg. Und auch die beiden Fahrzeuge in Kupferzell setzen sich wieder in Bewegung. Ein kurzer Funkkontakt zwischen Rettungsteam und Leitstelle, dann ändert sich deren Zahl auf Sieben. Das bedeutet, der Patient wird zur weiteren Behandlung ins Diakonie-Krankenhaus nach Schwäbisch Hall gebracht. Bessere Nachrichten hat kurze Zeit später das Einsatzteam in Zweiflingen. Der Patient ist kein akuter Notfall, er wurde an seinen Hausarzt verwiesen.
Stressresistenz ist gefragt
Nun wird es wieder ruhig im Raum. Zeit, einen Schluck aus der Kaffeetasse zu nehmen. Schließlich heißt es, noch bis Schichtwechsel um 6.10 Uhr der Müdigkeit entgegenzuwirken, die Konzentration trotz Dunkelheit und wenigen Anrufen hochzuhalten. Fehler können an diesem Arbeitsplatz ebenso fatale Konsequenzen haben wie im Rettungseinsatz selbst. So wundert es nicht, dass Sven Raunecker, gefragt nach den Qualifikationen für den Job, nicht lange überlegen muss: "Stressresistent sollte man sein." Aber was motiviert ihn, trotz Schichtarbeit und dem besagten Stress, den Job zu machen? "Ich bin vor acht Jahren über das Freiwillige Soziale Jahr dazu gekommen, habe erst den Rettungssanitäter gemacht und mich dann weiter qualifiziert", berichtet er über seine Laufbahn.
Wer wie er ein Interesse für Medizin habe, Arbeit mit dem Computer und dem Telefon nicht scheue und eine gehörige Portion Menschenkenntnis mitbringe, der finde eine spannende Aufgabe vor. Wichtig ist ihm zu betonen: "Auch wenn jemand mal wegen Banalitäten anruft, versucht man zu helfen und freundlich zu sein." Währenddessen kommt der Patient aus Kupferzell im Krankenhaus an. Der Einsatz ist damit beendet, die Wagen fahren zurück nach Künzelsau, bereit für den nächsten Einsatz.
Rettungsleitstelle des Deutschen Roten Kreuzes Hohenlohe
Die integrierte Rettungsleitstelle in Gaisbach lenkt und koordiniert alle Einsätze des Rettungsdienstes, der Feuerwehren sowie des Krankentransportes im Rettungsdienstbereich Hohenlohekreis. Anrufe mit der Notrufnummer 112 für Feuerwehr und Notfallrettung werden mit Priorität behandelt. Innerhalb von 24 Stunden klingelt im Schnitt alle fünf bis sechs Minuten das Telefon in der Leitstelle. Dabei natürlich häufiger am Tag als in der Nacht.