Der frühe Vogel kontrolliert die Bahn
Jeden Morgen um 5 Uhr macht Betriebsleiter Günter Kantenwein die Künzelsauer Bergbahn fit für den Tag.

Günter Kantenwein betritt die steile Rolltreppe. Sie setzt sich mit einem kurzen Ruck in Bewegung, wie aus der Nachtruhe gerissen. "Die funktioniert schon mal", resümiert Kantenwein zufrieden. Um 5 Uhr ist die Talstation der Künzelsauer Bergbahn noch dunkel und verwaist, doch der Betriebsleiter ist bereits putzmunter auf seinem Kontrollgang unterwegs. "Ich bin Frühaufsteher", sagt er und lacht. Jeden Tag, bevor die ersten Fahrgäste zwischen der Kernstadt und dem Stadtteil Taläcker pendeln, überprüft Kantenwein die Funktionstüchtigkeit der Bahn und der technischen Ausstattung.
Dazu gehören neben der Rolltreppe auch die Fahrscheinautomaten. "Ich spiele immer einen Kartenkauf durch, so sehe ich, ob der Automat eventuell defekt ist", erklärt er. Häufigstes Problem: Das Papier ist aufgebraucht. Eine lösbare Aufgabe. Stellt der Betriebsleiter generell ein Problem fest, macht er sich sofort an die Lösung, das können auch mal kleinere Reparaturen sein. Das darf jedoch nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen: Um 6.15 Uhr startet die erste Fahrt, bis dahin muss alles kontrolliert und in Ordnung sein. "Sicherheit hat bei uns oberste Priorität", betont Günter Kantenwein.
48 Kameras auf der Strecke

Dann geht es mit dem Auto zur Bergstation auf die Taläcker, die eigentliche Kontrolle der Bahnanlage beginnt. Zunächst wirft Kantenwein einen Blick ins Betriebstagebuch: "Da schaue ich, ob es seit gestern irgendwelche Vorkommnisse gab." "Kamera 2 außer Betrieb" steht da. Ein Defekt, um den man sich zwar kümmern muss, der jedoch nicht sofort behoben werden kann. Glücklicherweise habe man 48 Kameras auf der Strecke, die verschiedene Perspektiven abdecken. So lässt sich der Ausfall übergangsweise kompensieren. Die Kameras sind es auch, die schließlich bei einer Testfahrt beider Gondeln die Hauptrolle spielen.
Schnüffeln für die Sicherheit
Doch zunächst werden alle sicherheitsrelevanten Systeme überprüft, wie etwa Bremsen und Zugseil. Dabei wirft Kantenwein auch einen Blick unter die Gondeln. Sind diese in der Station geparkt, kann der Betriebsleiter nämlich unter den Fahrzeugen hindurchgehen. Auch in die Bahnen geht er, schließt die Technikschränke auf, schaut und schnüffelt, ob alles in Ordnung ist. Schnüffelt? Ganz recht, denn einen Kabelbrand oder ähnliches würde man riechen. Dann nimmt er über den Notrufknopf Kontakt zur integrierten Rettungsleitstelle des DRK auf. Einen Notfall gibt es nicht. Doch die führerlosen Bahnen werden in der Leitstelle rund um die Uhr überwacht. Dort meldet Kantenwein nun seine Tests an.

Sofern es keine Auffälligkeiten gibt, kann die Bahn schließlich auf die Strecke. Mit 1,5 Metern pro Sekunde schickt er die Gondeln los. "Das ist viel langsamer als normalerweise", erklärt er. Währenddessen verfolgt er die Fahrt auf den Bildschirmen, nimmt eine Streckenkontrolle vor. Ist an den Zäunen alles in Ordnung? Sind die Schienen frei von Gehölz? Oder halten sich Tiere auf der Strecke auf? Vorfälle etwa mit Rehen gebe es immer mal wieder, erklärt Günter Kantenwein. Glücklicherweise inzwischen seltener, seit man die Zaunanlage erneuert habe. Die Hand hat er dennoch die ganze Fahrt über auf dem roten "Not-Aus"-Knopf, um schnell reagieren zu können. An diesem Morgen geht alles glatt. Die ersten Fahrgäste versammeln sich derweil an den Stationen, werden auf den Bildschirmen sichtbar. Es kann losgehen.
Fakten zur Bahn
Die Künzelsauer Bergbahn wurde 1999 in Betrieb genommen. In erster Linie als umweltfreundliches und leistungsfähiges Nahverkehrsmittel gebaut, ist sie auch für Touristen attraktiv. Die Standseilbahn überwindet auf einer Strecke von 1034 Metern einen Höhenunterschied von rund 170 Metern. Die Fahrt dauert nur vier Minuten - verglichen mit der Autofahrt ist die Bergbahn bis zu drei Mal schneller. Die Fahrten im Viertelstundentakt ermöglichen den Anwohnern des Stadtteils Taläcker eine gute Verbindung in die Kernstadt. Der durchschnittliche Kostendeckungsgrad in den letzten 20 Jahren lag bei zirka 75 Prozent - beim Citybus bei zirka 15 Prozent.