GKN-Rückbau: Von außen sind die Sägen nicht zu hören
Ein Kernkraftwerk abzubauen ist ein höchst komplexes Unterfangen. Die EnBW bietet einen anschaulichen Einblick in die aktuellen Arbeiten in Neckarwestheim.

Die Dampffahne fehlt. Ansonsten sieht von außen alles aus wie immer. Ruhig. Dabei müssten im Inneren des Gemeinschaftskraftwerks Neckar die Rückbauarbeiten in vollem Gange sein. Unsere Serie ist ein guter Anlass, da mal vorbeizuschauen.
Einfach reinspazieren geht nicht
Doch in ein Kernkraftwerk spaziert man nicht einfach so rein. Auch nicht in ein stillgelegtes. Einen Vor-Ort-Termin zu vereinbaren, ist in der super komplexen Anlage ebenfalls sehr schwer. Andererseits gewähren die Betreiber und Rückbau-Verantwortlichen gerne Einblick. Daher nehmen sich Jörg Michels, Vorsitzender Geschäftsführer der EnBW Kernkraft GmbH und für das Ressort Rückbau im Unternehmens verantwortlich, der Leiter der Anlagen in Neckarwestheim, Andre Knapp, sowie der EnBW-Pressesprecher Lutz Schildmann Zeit, um die Redakteurin virtuell über die Baustelle zu führen.
"Wir versuchen, in der einen Stunde alles zu liefern, was Sie in die Lage versetzt, es so zu schildern, als ob es vor Ort stattgefunden hätte", leitet Schildmann die aufwendig vorbereitete Videokonferenz ein.
Was bisher im GKN II geschah
Warum die Baustellenführung im GKN I stattfindet? Hier finden aktuell die spektakulärsten Rückbauarbeiten statt. Im erst im April abgeschalteten Block II wurden seither nur "die Brennelemente aus dem Reaktordruckbehälter herausgeholt und ins benachbarte Brennelementelagerbecken verbracht", erläutert Michels, und zwar unter Wasser. Drei bis vier Jahre würden sie dort lagern, bis sie für den Transport in Lagerbehälter, "im Volksmund Castorbehälter", verpackt und dann ins Zwischenlager gebracht würden. Zudem wurde der Kreislauf dekontaminiert, zu dem auch der Reaktorbehälter gehörte. Dessen Einbauten sollen im nächsten Jahr zerlegt werden.
Rückbau ist mindestens so aufwendig wie Neubau
Für den Rückbau braucht man einen langen Atem: Ein bis zwei Jahre dauere allein die Vorbereitung des Antrags auf Rückbaugenehmigung, weiß Michels. Anschließend ziehe sich der Genehmigungsprozess über drei, vier Jahre. Zehn bis 15 Jahre dauere dann der Rückbau: "Das ist vergleichbar mit dem Neubau eines Kernkraftwerks." Insgesamt werden die Mitarbeiter in Neckarwestheim - im Moment sind es etwa 600 - noch viele Jahre im GKN Neckarwestheim beschäftigt sein. Manche Arbeiten werden rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr erledigt, zum Beispiel von Mitarbeitern im Schichtbetrieb, die das Funktionieren der Systeme bewachen.
Mit Sägen und Fräsen dem Gebäude zu Leibe rücken
Auf der Baustelle, zu der Andre Knapp führt, sind es etwa 20. Sie arbeiten im Zweischichtbetrieb. Jetzt, um 16 Uhr, sind etwa zehn Leute der 14- bis 21-Uhr-Schicht vor Ort - im kugelförmigen Reaktorgebäude vom Block I. In weißen Baumwoll-Overalls und behelmt arbeiten sie sich im Gebäudeinneren ab. "Im Moment sind die Kollegen dabei, bestimmte Betonstrukturen in Segmente zu zerlegen", weiß Knapp. Dafür nutzen sie Seil- und Bandsägen, "alles industrieerprobte Techniken", so Michels: Für den Rückbau musste kein Werkzeug neu erfunden werden.
Millimetergenaues Arbeiten

Was nach Vandalismus klingt, folgt einem akribischen Plan. Millimetergenau steht fest, wo Werkzeuge anzusetzen sind, welche Teile der Kran und wo ganz langsam absetzt. Von März bis Oktober wurde auf diese Art der Ringträger abgebaut, in dem einst der Reaktordruckbehälter verankert war. In zwölf Abschnitte wurde sein Beton unterteilt.
Ein Kran bringt die zwei mal zwei mal 1,50 Meter großen Zwölf-Tonnen-Segmente in einen Bereich, wo sie weiter zersägt werden, dokumentiert Knapp mit Fotos. Die kleineren Betonstücke wandern in Spezialcontainer. Strahlenschützer messen sie nochmal aus, bevor sie über eine Materialschleuse und mit Hilfe eines weiteren Krans das Gebäude verlassen und draußen abgestellt werden. "Die Container werden später hier am Standort mit Beton ausgegossen, damit darin alles stabil fixiert ist", erklärt Knapp das weitere Prozedere. Anschließend nehmen sie den Weg über das von der staatlichen BGZ betriebene Zwischenlager vor Ort, ins Endlager, den Schacht Konrad.
Bis mindestens Anfang 2025 werden die Betonsägearbeiten im GKN I laut Planung noch dauern. Rund 1000 Tonnen Beton werden die Mitarbeiter dann abgebaut haben.
Hintergrund: Rückbau im Gebäudeinneren
Dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der EnBW Kernkraft, Jörg Michels, ist bewusst, dass sich Passanten angesichts stillgelegter Kernkraftwerke fragen, was dort eigentlich noch passiert: "Die sagen, Mensch, da sieht man gar nichts, das sieht noch aus wie früher." Das liege daran, dass der Rückbau im Wesentlichen im Inneren stattfinde, "das heißt, es werden zunächst die Systeme, Komponenten, Rohrleitungen im Inneren der Anlage ausgebaut." Erst wenn diese komplett draußen sind, würde noch ein Teil der Betonstrukturen innerhalb der Gebäude ausgebaut. Für den Rückbau der Anlagen habe man eine umfassende Strategie, einen Masterplan, entwickelt. Die EnBW habe sich schon 2011 klar zum Ausstieg aus der Kernenergie bekannt.
Sicherheit hat oberste Priorität
Wert lege die EnBW auf Sicherheit, auch beim Rückbau. Genauigkeit und Sorgfalt seien in allen Belangen gefragt, betonen sowohl Michels als auch der Neckarwestheimer Betriebsleiter Andre Knapp. Die Atomaufsicht überwache die Einhaltung klarer Vorgaben. Radiologisch würden Anlagen und Personal weiterhin auch durch staatliche Messungen überwacht.

Stimme.de