Vom Wartestall ins Kühlhaus: Jeden Montag schlachtet die Metzgerei Obenland in Neckarwestheim rund 40 Schweine
Ein Besuch in der Metzgerei Obenland in Neckarwestheim zeigt, wie ein Tier zum Lebensmittel wird. Das Schlachten der 120 Kilo schweren Schweine ist Schwerstarbeit.

Hier wird nicht viel gesprochen, nur das harte Knallen und Rumpeln der Maschinen hallt immer wieder durch den Raum, der ungefähr so groß wie ein Klassenzimmer ist. Jeder Handgriff sitzt. Die vier Männer in weißen Gummistiefeln und Gummischürzen sind ein eingespieltes Team. Das ist Handwerk, wenn auch kein alltägliches: Chris Obenland, Metzgermeister der gleichnamigen Metzgerei in Neckarwestheim und sein Team schlachten jeden Montag Schweine. 40 Tiere stehen nachts noch im Wartestall nebenan und hängen am frühen Morgen als Hälften im Kühlhaus. "Das ist die Realität, aber davon wollen die meisten nichts wissen", sagt Stefanie Obenland (50).
Die Redakteurin schon. Nervös? Ja. Das merkt wohl auch Metzgermeister Chris Obenland, als er um 4 Uhr Haarnetz und Überziehsocken überreicht. Also wird erstmal etwas geplaudert: Was ihm an seinem Beruf so gefällt? Das frühe Aufstehen kann es nicht sein, oder? "Mir macht das keine Mühe", versichert er gut gelaunt. "Das Handwerkliche ist einfach nicht mit einer Maschine zu ersetzen. Doch das wird zu wenig wertgeschätzt." Seine Motivation: "Wenn am Ende ein gutes Produkt rauskommt." Regionalität ist dem 30-Jährigen, der die Metzgerei seit zehn Jahren führt, wichtig. Die Schweine hat deshalb vor einigen Stunden ein Bauer aus Untermünkheim angeliefert.
Da stehen sie. Zumindest vier davon. Immer in kleinen Grüppchen holt Obenland sie aus dem Wartestall in einen mit einem Gitter vom Rest der Schlachterei abgesperrten Bereich. Sofort beschnüffeln die Tiere jedes Eck. Das letzte Mal. Von Angst keine Spur. Kein Quieken. "So soll es sein", erklärt Chris Obenland. "Wenn die Tiere in kleinen Gruppen sind, fühlen sie sich wohl." Dass nach dem Anlegen der Starkstromzange ein Tier direkt neben ihnen regungslos auf dem Boden liegt, stört die anderen Schweine nicht. Ein Metzger legt eine Kette um den Hinterlauf, um das rund 120 Kilo schwere Tier über einen Kettenaufzug mechanisch nach oben und hinter das Gitter zu ziehen.
"Alles klar?", fragt Obenland. Redakteurin und Fotografin geht es noch gut. Dass Blut fließt, hatte die Mutter von Chris Obenland, Stefanie Obenland, schon angekündigt. Das Schwein von eben hängt an der Decke und blutet aus, während der Neckarwestheimer seine Sicht der Dinge weitergibt: "Die Betäubung mit Strom ist das Schnellste." Der Tod tritt aber erst durch den Schnitt in die Halsschlagader ein.

Hand in Hand arbeiten
Der Standort der beiden Zuschauerinnen lässt nur den Blick auf eine weitere Station der Prozedur zu. Zwei der Metzger arbeiten Hand in Hand, denn nur so ist es zu schaffen: Nachdem sie über den Reflextest an Nase und Augen den Tod des Tiers festgestellt haben, lassen sie es auf ein Gitter hinab und hieven es in die Brühmaschine. Obenland erklärt: "Darin wird bei 70 Grad die oberste Haut gelöst, so dass Haare und Borsten entfernt werden können." Das laute Rumpeln erfüllt den Raum. Nach rund drei Minuten öffnen die Männer den Deckel - und stehen erstmal im dichten Dampf. Daher kommt wohl auch der schwer zu beschreibende Geruch, der das ganze Schlachthaus erfüllt. Eine Mischung aus Brühwürfel und Blut vielleicht?
Inzwischen hat Chris Obenland die Besucher mit in den Hauptteil des Schlachtraums genommen. Immer wieder blickt er kritisch in ihre Richtung, denn er weiß: So mancher Neuling hat hier schon den Weg zum Mülleimer gesucht. Alles gut.
Schlachten ist Schwerstarbeit: Das heißt konkret: Zu zweit das Schwein wieder aus der Brühmaschine holen und ausnehmen. Die Innereien hängen schließlich an Haken seitlich an der Wand. Hier kommt der Veterinär des Landratsamts ins Spiel: Er schaut nach Entzündungen, entfernt, wenn nötig, ungeeignete Teile.

Mit Halbierungssäge zerteilen
Eingehakt an einem Schienensystem an der Decke geht es für das Tier weiter. Chris Obenland zieht die elektrische Halbierungssäge von der Decke. "Früher war das richtig anstrengend", erklärt er und zeigt auf ein großes Beil, das noch in der Ecke steht. Ein Relikt vergangener Tage. Heute zerteilt er den massigen Körper des Schweins zügig und routiniert in ein paar Sekunden in zwei Hälften. Ein kritischer Blick des Veterinärs, dann gibt er das Tier durch den Stempelabdruck für das Weiterverarbeiten frei. Ein letzter starker Schubs oder Zug und die Schweinehälften hängen im Kühlhaus. Im vorderen Teil des Schlachtbereichs holen inzwischen Metzgerkollegen die bestellten Schweinehälften ab.
Szenenwechsel: Stefanie Obenland richtet seit halb sechs die Verkaufstheke der Metzgerei. Reiht das, was durch die Arbeit der Fleischer unter anderem aus den Schweinen schließlich entstanden ist, appetitlich aussehend nebeneinander. Wie eine Zusammenfassung dieses Morgens klingt ihr Satz: "Wichtig ist, dass man weiß, wo die Lebensmittel herkommen und dass mit den Tieren vernünftig umgegangen wurde."

Aufgaben des Veterinärs bei der Schlachtung
Bei jeder Schlachtung muss ein amtlich bestellter Tierarzt dabei sein. Seine Aufgaben: Lebendbeschau der Tiere: Sind sie gesund, wurden sie durch den Transport verletzt? Er schaut nach Abszessen und Wunden und leitet, wenn nötig, eine Notschlachtung ein. Der Veterinär ist während des Schlachtprozesses dabei. Bevor er am Ende zur Rückverfolgbarkeit auf Schulter, Po und Bauch jeder Schweinehälfte einen Stempel drückt, prüft er noch die Innereien auf Entzündungen oder Liegebeulen hin und entfernt betroffene Stellen. Eine weitere Aufgabe: Ein Stück des Zwerchfells entfernen und im Labor auf Trichinen, das sind Fadenwürmer, zu untersuchen. Es ist gefährlich für Menschen, betroffenes Fleisch roh oder ungenügend gebraten zu essen.

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