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Arbeiten in der Spitzengastronomie: Ein Abend am Pass in der Jagstmühle

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Gastronomie ist ein anspruchsvoller Job: Lange Arbeitszeiten und hohe Belastung verlangen dem Personal am Herd wie am Service alles ab. Erst recht in der Spitzengastronomie - wie der Jagstmühle in Heimhausen.

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Das Mühlengebäude (rechts) beinhaltet das Gourmetrestaurant, links der Eingang zum Hotel-Anbau.
Fotos: Torsten Büchele
Das Mühlengebäude (rechts) beinhaltet das Gourmetrestaurant, links der Eingang zum Hotel-Anbau. Fotos: Torsten Büchele  Foto: Büchele, Torsten

Es ist ein eher ruhiger Samstagabend. Heute ist keine Hochzeit, wie sonst an fast jedem Wochenende. 65 Gäste sitzen in der Dämmerung im Hof oder auf der Terrasse. Seit 18 Uhr wird diniert - und wie in der Spitzengastronomie üblich: stundenlang mit mehreren Gängen.

In der Küche der Jagstmühle herrscht Hochbetrieb

Überblick behalten ist wichtig am Pass, dem Übergang von Service zu Küche.
Überblick behalten ist wichtig am Pass, dem Übergang von Service zu Küche.  Foto: Büchele, Torsten

Aber was hinter der Küchentüre passiert, sehen die Gäste nicht. Arbeitsflächen, Kochplatten, Öfen, auf engstem Raum - und dazwischen tanzt die Küchenbrigade. Alles ist in Bewegung, dass es dem Beobachter schwindelig wird.

Vier Abteilungen gibt es: Kalte Küche, Hauptgerichte, Beilagen und Desserts. Hier kann jeder alles: „In der Küche zählt nicht alleine der Abschluss, sondern das handwerkliche Können“, erklärt Jungkoch Frédéric Beil, der unter Küchenchef Steffen Mezger gelernt hat – als der noch in einem Zwei-Sterne-Restaurant im Chiemgau wirkte.

Das Klima in der Küche setzt auf die Sommerhitze noch einen drauf

Acht Mal Edelfisch mit Safranschaum wird bestellt, auf einmal, das erscheint auf einem Bildschirm. Jetzt geht es schnell: Maximilian Namsler stellt acht Teller auf den Tisch, Frédéric Beil serviert den Fisch, Schaumsauce drauf, dazu Kräuter. Hände von allen Seiten, ein eingespieltes Gewusel. Wärmelampen leuchten über dem Tisch, und das bei Sommerhitze draußen und erst recht in der Küche. Aber das gehört dazu am "Pass", dem Tisch zwischen Küche und Service. Normalerweise steht hier der Küchenchef, doch der hat Urlaub. Für die Brigade gilt: „Wir tragen keine Mützen“, betont Michaela Jahn. Es gibt zwar eine strenge Hierarchie, aber jeder ist für seinen Teil verantwortlich.

Ein Koch läutet die Glocke, und schon stehen Hediye Neckermann und Kirsten Kaupp auf der anderen Seite des Tisches und tragen die Teller im Laufschritt davon. Mit schlafwandlerischer Sicherheit flitzen die Frauen durch die enge Türe hinaus, durchqueren in Sekunden das historische Mühlengebäude und sind draußen auf der Terrasse. Man könnte meinen, sie seien auf der Flucht. Doch im gleichen Tempo kehren sie zurück in die Küche - wo bereits achtmal Sepia-Tagliatelle warten, Nudeln gefärbt mit Tintenfisch-Tinte, die Beilagen zum Fisch. Das Geschäft "à la Carte" kann noch anstrengender sein als die Event-Organisation mit Hochzeiten, bei denen vorbestellt wird.

Die Frauen im Service laufen, als wären sie auf der Flucht

Service-Chefin Hediye Neckermann lächelt, egal wie hoch der Stress ist.
Service-Chefin Hediye Neckermann lächelt, egal wie hoch der Stress ist.  Foto: Büchele, Torsten

"Man muss auf Zack sein im Service", sagt Hediye Neckermann. Sie leitet das Team der Serviererinnen, und für mehr als einen Satz hat sie jetzt keine Zeit. Sie betreut mehrere Tische, begrüßt Gäste, platziert sie, nimmt Bestellungen auf, serviert. Wein wird verlangt, ein besonderer Chardonnay, den holt sie extra im Kühlhaus. Hinter der Küche befinden sich etliche Kühlkammern. Natürlich wird die Flasche im Eiskühler serviert - in der üblichen Geschwindigkeit. Barkeeper Antonio Moreddu unterstützt sie heute bei den Getränken - weil der Sommerabend so schön ist, zieht es noch niemanden hinein an die Bar.

Doch servieren tut Neckermann selbst. Raus, rein, an die Kasse, Bestellungen eintippen. Der HZ-Redakteur klebt an ihrem Bein, aber das hindert Neckermann nicht daran, sich jeden Rechnungsposten zu merken und gleichzeitig nicht nur den Gästen, sondern auch dem Redakteur auf jede Frage freundlich und verbindlich zu antworten.

Ein Profi im Servieren erzählt, was den Beruf so reizvoll macht

Acht Teller auf einmal akkurat zu füllen, das ist eine Kunst der Köche.
Acht Teller auf einmal akkurat zu füllen, das ist eine Kunst der Köche.  Foto: Büchele, Torsten

Neckermann arbeitet seit zehn Jahren im Service. Die meisten ihrer Hilfskräfte sind Studentinnen und einige Monate dabei, schaffen aber auch schon wie die Profis. Was ist der Reiz der kräftezehrenden Arbeit? "Die Zeit vergeht wie im Flug. Man muss nicht ins Fitness-Studio." Und das Ambiente der gehobenen Gastronomie: Gäste aus ganz Deutschland kämen hierher, auch Prominente.

Ein zahlungskräftiges 58-jähriges Geburtstagskind ist hier, bereits seit dem Mittag, und es erhält nun einen Schokokuchen zum Dessert als Gruß aus der Küche. "Wir sind permanent in Bewegung. Aber das ist besser als immer wieder stehen zu bleiben, dann werden die Füße müde."

Nach den Desserts ist schlagartig Schluss

Edelfisch mit Safranschaum ist heute der Zwischengang im Menü.
Edelfisch mit Safranschaum ist heute der Zwischengang im Menü.  Foto: Büchele, Torsten

Danach kommen die Desserts für alle, ein Dutzend und mehr. Kunstvoll ist die Kreation aus Joghurt-Mandelkuchen, Himbeeren, weißer Schokolade und Baiser, die Michaela Jahn formt. Fotos zeigen ihr, wie es aussehen soll. Die Uhr auf dem Bildschirm zeigt fünf Minuten Rückstand: "Die stimmt nicht, das kommt hier gar nicht vor." Auch die Desserts gehen im Nu über den Pass - und schlagartig ist Schluss. Das war der letzte Gang; das Tuch auf dem Passtisch wird zusammengerollt, die Küche schließt. Während die Service-Kräfte kassieren und der Barkeeper sich auf den Weg zu seinem Arbeitsplatz macht, greifen die Köche zum Wassereimer, fluten die Arbeitsflächen und machen klar Schiff in der Kombüse. "Wir werfen keine Gäste raus", betont Service-Chefin Hediye Neckermann, auch nicht nach 22 Uhr. Aber wer nicht im angegliederten Hotel übernachtet, hat meist noch eine weite Heimfahrt von Heimhausen im Jagsttal.

Stundenlang war Gewusel, nun kehrt schlagartig Stille ein in der Jagstmühle. Kellnerin Agatha Kauczynska zückt das Smartphone: 16 500 Schritte - mehr als 15 Kilometer waren es heute. Doch für sie ist noch nicht Schluss: Zwei bis drei Stunden wird das Aufräumen dauern, bis nach Mitternacht. Der Arbeitstag kann bis zu zehn Stunden dauern. Gastronomie ist halt ein anspruchsvoller Job.

 


Die Jagstmühle und ihr Küchenchef

Das Anwesen geht zurück auf eine Wassermühle, die seit dem Mittelalter nachgewiesen ist. 2007 hat EBM-Papst-Gründer Gerhard Sturm das Hotel-Restaurant gekauft und restauriert. Im historischen Mühlengebäude befinden sich das Gourmetrestaurant und 11 der 26 Gästezimmer, der Rest in einem modernen Anbau und einer etwas entfernt liegenden Hütte. Für Tagungen und Veranstaltungen stehen mehrere Räume zur Verfügung - und für Großevents eine Insel hinter dem Haus.

Küchenchef Steffen Mezger (44) ist in Öhringen aufgewachsen und hat im Panoramahotel Waldenburg gelernt. Er machte Karriere in mehreren Sterneküchen in der Region und in Süddeutschland, ehe er 2021 in seine Heimat zurückkehrte. In der Residenz von Heinz Winkler in Aschau im Chiemgau hat er auf Zwei-Sterne-Niveau die Küche geleitet, die Jagstmühle wird aber bislang vom Guide Michelin ignoriert.

 
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